Jusletter

Die Kindsvertretung im Strafprozess

Unter besonderer Berücksichtigung der Interessenkollision

  • Autoren/Autorinnen: Christophe Herzig / Laura Jost
  • Beitragsart: Beiträge
  • Rechtsgebiete: Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, Strafprozessrecht
  • DOI: 10.38023/afa11e2d-ef72-4666-8b27-affe56e284b4
  • Zitiervorschlag: Christophe Herzig / Laura Jost, Die Kindsvertretung im Strafprozess, in: Jusletter 24. Oktober 2022
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Vertretung von Kindern und Jugendlichen im Strafverfahren, die Opfer einer Straftat wurden. Dabei wird namentlich analysiert, in welchen Konstellationen das Kind nicht durch seine Eltern vertreten werden kann und welche Aufgaben diesfalls der Kinderanwältin respektive dem Kinderanwalt zukommen.

Inhaltsverzeichnis

  • I. Einführung
  • II. Kollision der Interessen von Kind und Eltern
  • A. Das elterliche Vertretungsrecht und dessen Schranken
  • B. Wann hat die KESB für das Kind eine qualifizierte und unabhängige Kindsvertretung im Strafprozess anzuordnen?
  • III. Unverzügliche Meldung der Strafbehörden an die zuständige KESB am Wohnsitz des Kindes bei möglicher Interessenkollision
  • IV. Das Recht des Kindes auf eine unabhängige und qualifizierte Kindsvertretung
  • A. Recht auf eine unabhängige Kindsvertretung
  • B. Recht auf eine qualifizierte Rechtsvertretung
  • V. Die Aufgaben der Kindsvertretung im Strafverfahren
  • VI. Entschädigung der Kindsvertretung im Strafverfahren

2 Kommentare

  • 1

    Zuständigkeiten KESB und strafprozedurale Verfahrensleitung

    Sehr geehrte Frau Jost, sehr geehrter Herr Herzig Ich habe eben Ihren Aufsatz gelesen, besten Dank hierfür. Ich arbeite als erstinstanzlicher Richter (u.a. auf dem Gebiet von Strafrecht und Kindesschutz); entsprechend erlaube mir einen - angesichts des nahenden Feierabend kurz gehaltenen - Input zu Ihrem Aufsatz. Meines Erachtens vermischen Sie mit ihrem Appell "Die zuständige KESB hat entsprechend dafür zu sorgen, dass nur qualifizierte und erfahrene Kindsvertreterinnen und -vertreter eingesetzt werden." (Absatz 22) die Zuständigkeiten von KESB und der strafprozessualen Verfahrensleitung. Im Einzelnen: • Die KESB ist berufen, eine festgestellte Kindswohlgefährdung zu beseitigen, welche in der fehlenden gesetzlichen Vertretung besteht, indem sie für die gesetzliche Vertretung sorgt. Für die Prüfung und Beseitigung dieser Kindswohlgefährdung ist sie alleine zuständig, nicht die Strafbehörde. Der eingesetzte Beistand wird schliesslich entsprechend den KESR-Regeln "laufend" (vgl. periodische Berichtserstattungspflicht) entschädigt und finanziert (Höhe, Bevorschussung Gemeinwesen, Regress auf Eltern etc.), nicht gemäss den Regeln des Strafverfahrensrechts. • Die strafprozessuale Verfahrensleitung entscheidet über den Bedarf einer (darüber hinaus) fachlich qualifizierten Vertretung (welche durch den eingesetzten Beistand in gesetzlicher Vertretung mandatiert werden kann für das Kind) im Rahmen eines allfälligen Gesuchs zur URP. Die Entschädigung erfolgt nach StPO-Regeln (Höhe, Auferlegung etc.) einmalig beim Abschluss des Strafverfahrens. Bei einer Vermischung dieser Zuständigkeit ergeben sich zahlreiche Probleme resp. kaum zufriedenstellend lösbare Konstellationen: • Das Strafgericht darf/kann/muss die Bestimmungen der StPO anzuwenden, nicht auch KESR-Bestimmungen. Und vice versa. • Der KESB fehlte ohnehin die Aktenkenntnis und (meist) die Rechtskenntnis zur StPO bei der Beantwortung, welcher Bedarf an fachlich qualifizierter Vertretung besteht (z.B. ausreichend komplexer Sachverhalt und/oder Rechtsfragen). Durch eine Beistandsbestellung über eine "reine" gesetzliche Vertretung hinaus erfolgte einerseits eine Verletzung von KESR-Prinzipien (i.e. Verhältnismässigkeit), andererseits eine Einmischung in ein kompetenzfremdes Strafverfahren zu Lasten der verantwortlichen und sachkundigeren Verfahrensleitung. • Die Entschädigung - resp. wonach sie sich richte - wird vermischt (vgl. den zitierten BGE zur URP gemäss StPO resp. die gesetzlichen Regelungen zur Entschädigung von eingesetzten Beiständen auf dem Gebiet von KESR); ein "reiner" Strafrichter dürfte im Rahmen der Urteilsfällung zu den Verfahrenskosten mit der Anwendung von Entschädigungsregelungen/-Praxis auf dem Gebiet des KESR ohnehin überfordert sein. Bei doppelter Zuständigkeit resp. Vermischung sind widersprüchliche Entscheidungen unumgänglich (vgl. nur schon zeitliche Versetzung der entsprechenden Entscheide). Ich hoffe, auf Ihr fachliches Interesse zu stossen, und verbleibe mit freundlichen Grüssen Bezirksgericht Bremgarten Lukas Trost, Gerichtspräsident

    avatarLukas Trost24.10.2022 19:01:10Antworten

  • 2

    Sehr geehrter Herr Trost Vorab besten Dank für Ihren Kommentar. Die zuständige KESB am Wohnsitz des Kindes errichtet bei Interessenkollision im Strafprozess eine Kollisions- bzw. Prozessbeistandschaft (Kindsvertretung). Diese hat qualifziert zu sein, um die Interessen des Kindes im Strafverfahren wahrnehmen zu können (deshalb auch der Name "Prozessbeistandschaft"). Wir verfügen in diesem Zusammenhang über langjährige (Prozess-)Erfahrung und erhalten den Auftrag jeweils durch die KESB. Besteht keine Interessenkollision, können die Sorgerechtsinhaber (Eltern) dem Kind für den Strafprozess eine Anwaltsperson mandatieren. Für einen weiteren Austausch können Sie sich gerne direkt an mich wenden: herzig@kindsvertretung.ch

    avatarChristophe André Herzig12.12.2022 14:02:12Antworten

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