Liebe Leserinnen und Leser

Im Bereich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit herrscht ein Neben- (bzw. für viele Nichtspezialisten) Durcheinander von individuellen Gläubiger- bzw. Aktionärsklagen und Klagen der Gesellschaft. In BGE 122 II 176 hatte das Bundesgericht das Abgrenzungskriterium zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden neu definiert. Mit dem erst kürzlich online gestellten BGE 4C.111/2004 vom 9. November 2004 («Biber») hat es nun eine weitere diesbezügliche Praxisänderung vorgenommen. Dr. iur. RA Daniel Glasl analysiert und bespricht letzteren Entscheid. Er schreibt dazu insb.,

  • das Bundesgericht sei «im Verantwortlichkeitsrecht auf den allgemein gültigen Schadensbegriff zurückgekommen»,
  • trage zur «Klärung des Begriffs des mittelbaren Schadens bei» und
  • neu werde «im Konkurs nicht (mehr) der unmittelbare Gläubiger- bzw. Aktionärsschaden, sondern die Aktivlegitimation eingeschränkt».

Dr. iur. Bernhard Madörin orientiert über das neue Revisionsrecht, das voraussichtlich im Herbst 2005 im Parlament beschlossen werden wird.

RA Andrea Huber und RA Michael Gruber geben einen Überblick über die Praxis der Sanktionsgremien der SWX Swiss Exchange zur Ad hoc-Publizität.

Ref. iur. Franziska Pietzsch berichtet vom zwölften St. Galler Internationalen Kartellrechtsforum IKF.

Ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Willem C. Vis Moot Court in Wien schildern Claudia Suter, Simon Kehl, Nadja Kubat, Stephanie S. Lattmann und Andrea Scherrer.

Markus Felber beschäftigt sich u.a. mit passivem und aktivem Rechtsüberholen auf der Autobahn sowie mit der Frage, ob ein Herztod zwei Wochen nach einem Verkehrsunfall adäquat kausal ist. Weiter findet sich ein Beitrag zur Arbeitsorganisation des Bundesgerichts, der insb. das Zusammenspiel von Gerichtsschreibern und Richtern auf Mon Repos beleuchtet.

Eine angenehme Woche und spannende Lektüre wünscht

Nils Güggi

Leiter Jusletter

post scriptum: Um Ihnen die Orientierung in Jusletter zu erleichtern, wird nachfolgend kurz die Struktur von Jusletter erklärt: Die Volltexte der Beiträge von Jusletter sind sowohl über die Website www.jusletter.ch als auch die E-Mail von Jusletter zugänglich. Beiträge können u.a. in den Rubriken «Wissenschaftliche Beiträge», «Kurzbeiträge», «Korrespondenten Bundesgericht», «Pressemitteilungen», «Rechtsprechung», «Gesetzgebung», «Rezensionen», «Tagungsberichte» und «Publikationen» erscheinen. Im Speziellen sei angemerkt, dass Urteile und Urteilszusammenfassungen in der Rubrik Rechtsprechung erscheinen, Besprechungen von Urteilen erfolgen hingegen in den Rubriken Wissenschaftliche Beiträge, Kurzbeiträge oder Korrespondenten Bundesgericht.
Die E-Mail ist folgendermassen gegliedert:

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Praxisänderung zu Schaden und Aktivlegitimation in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit
Daniel Glasl
Daniel Glasl
Das Nebeneinander von individuellen Aktionärs- bzw. Gläubigerklagen und Klagen der Gesellschaft bei der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit hat schon vielerorts Kopfzerbrechen bereitet. Um die Konkurrenz zwischen diesen Klagen zu vermeiden, hat das Bundesgericht im Jahr 1996 seine Praxis geändert und das Abgrenzungskriterium zwischen mittelbarem und unmittelbarem Schaden neu definiert (BGE 122 II 176 E. 7b «X-Corporation»). Im besprochenen, zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid hat das Bundesgericht nun den Anwendungsbereich dieser Praxis geändert.
Das neue Revisionsrecht im Überblick
Bernhard Madörin
Bernhard Madörin
Mit einem neuen Rechnungslegungsgesetz wollte man dem Erneuerungsbedarf des Revisionsrechts Rechnung tragen. Der Entwurf wurde aber nicht gut aufgenommen, weshalb sich der Gesetzgeber zu einer kleineren Revision entschlossen hat. Da das GmbH-Recht bereits in Revision stand, wurde die Wirtschaftsprüfung daran angehängt. Damit ergab sich folgendes: Revision des GmbH-Rechts, Revision des Aktienrechts, Revision des ZGB für Vereine und Stiftungen, neues Revisionsaufsichtsgesetz. Die Wirtschaftsprüfung ist neu rechtsform-unabhängig. Es gibt die ordentliche Revision wie bisher und neu die eingeschränkte Revision (Review) für KMUs. Die ordentliche Revision wird umfassender und beinhaltet neu die Prüfung der «Internen Kontrollstelle» (IKS) sowie eine Risikobeurteilung. Der Review ist bescheidener. Schliesslich gibt es die Möglichkeit des Verzichtes auf die Revision. Somit ergibt sich eine vollkommen neue Situation im Bereich von KMU und Revision. Der Artikel möchte über diese neue Ausgangslage orientieren.
Ad hoc-Publizität: Gleichbehandlung im Kapitalmarkt
Andrea Huber
Andrea Huber
Michael Gruber
Michael Gruber
Der vorliegende Aufsatz gibt einen Überblick über die Praxis der Sanktionsgremien der SWX Swiss Exchange zur Ad hoc-Publizität.
Zwölftes St. Galler Internationales Kartellrechtsforum IKF vom 28./29. April 2005
Franziska Pertek
Franziska Pertek
Zum zwölften Mal fand am 28./29. April 2005 im barocken Kantonsratssaal in der ehemaligen Klosteranlage von St. Gallen das St. Galler Internationale Kartellrechtsforum IKF statt. Prof. Dr. Carl Baudenbacher, Präsident des EFTA-Gerichtshofes und Vorsitzender des St. Galler Kartellrechtsforums, hiess in diesem Jahr 160 Teilnehmer aus 16 Staaten willkommen. Das Forum war geprägt von den ersten Erfahrungsberichten nach der Modernisierung des europäischen und schweizerischen Kartellrechts sowie den neuen Zielsetzungen, die umfassende Reformen mit sich brachten.
Erfahrungsbericht zum Willem C. Vis Moot Court
Claudia Suter
Claudia Suter
Simon Kehl
Simon Kehl
Nadja Kubat
Nadja Kubat
Stephanie S. Lattmann
Stephanie S. Lattmann
Andrea Scherrer
Andrea Scherrer
Der Lehrstuhl von Prof. Müller-Chen der Universität St. Gallen bietet den juristischen Studierenden nebst dem Fachstudium die Möglichkeit, am Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot in Wien teilzunehmen. An diesem Juristenwettbewerb im Bereich des UN-Kaufrechts und der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nahmen die Autoren als eines der insgesamt 154 Teams aus 46 Ländern teil. Im folgenden Beitrag berichten Sie von Ihren persönlichen Erfahrungen.
Verbotenes Rechtsüberholen
fel.
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Das Bundesgericht hat einen einmonatigen Entzug des Führerausweises für eine Motorradfahrerin bestätigt, die vor dem Glion-Tunnel auf der A 9 in einen Stau geraten und auf dem Pannenstreifen rund einen Kilometer weit bis zur Ausfahrt Villeneuve gefahren war, um dort die Autobahn zu verlassen.
Fahrlässige Tötung, nicht Körperverletzung
fel.
fel.
Wer mit dem Auto einen herzkranken Fussgänger anfährt und verletzt, der zwei Wochen später an einem Infarkt stirbt, ist laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts nicht wegen fahrlässiger Körperverletzung zu bestrafen, sondern wegen fahrlässiger Tötung.
Berufsbewilligung zu Recht entzogen
fel.
fel.
Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich hat einem 69-jährigen Kinderarzt die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung zu Recht entzogen, nachdem er zwei Männern Suizidhilfe geleistet hatte.
Erfolglose Zivilklage gegen SAir-Verwaltungsräte
fel.
fel.
Die vom Zürcher Handelsgericht am 20. Dezember 2004 abgewiesene Zivilklage von SAirGroup-Obligationären, die sich gegen Exekutivorgane der SAirGroup wie auch gegen die Credit Suisse First Boston (CSFB) richtete, bleibt definitiv ohne Erfolg.
Willkürlicher Kostenspruch
fel.
fel.
In dem von zwei Staatsanwälten gegen eine ehemalige Mitarbeiterin der Zürcher Staatsanwaltschaft angestrengten Ehrverletzungsverfahren hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich der Angeklagten zu Unrecht Verfahrenskosten und eine fünfstellige Parteientschädigung auferlegt.
Verzicht auf Einsprachen – Eintragung im Grundbuch nicht möglich
fel.
fel.
Ein Verzicht auf Einsprachen gegen Zonenänderungen und Bauprojekte auf dem Nachbargrundstück, kann nicht in der Form einer Grunddienstbarkeit vereinbart und ins Grundbuch eingetragen werden. Das geht aus einem neuen Urteil des Bundesgerichts hervor, laut dem die Einsprachebefugnis sich nicht aus dem Grundeigentum ableitet, sondern durch das öffentliche Recht bestimmt wird.
Harter Jugendschutz für weiche Pornografie
fel.
fel.
Obwohl über jede halbwegs taugliche Suchmaschine ohne jedes Hindernis beliebig viel pornografisches Material aus dem weltweiten Web heruntergeladen werden kann, bleibt das Bundesgericht dabei, dass solche Angebote auf schweizerischen Internetseiten mit einem wirksamen Mechanismus zum Schutze Jugendlicher versehen werden müssen.
Unzulässige Haftbedingungen im Rathaus Trogen
fel.
fel.
Ausschaffungshäftlinge dürfen nicht länger im kantonalen Untersuchungsgefängnis Trogen untergebracht werden, weil die 1965 zum letzten Mal baulich angepassten Räumlichkeiten in den obersten Geschossen des Rathauses den gesetzlichen Anforderungen an den Vollzug von ausländerrechtlich begründeter Administrativhaft nicht genügen.
Adamow bleibt in Auslieferungshaft
fel.
fel.
Der frühere russische Atomminister Jewgeni Adamow bleibt wie erwartet einstweilen in Auslieferungshaft, nachdem der zuständige Kammerpräsident des Bundesgerichts einer Beschwerde des Bundesamts für Justiz definitiv aufschiebende Wirkung erteilt hat.
Keine Opferhilfe für Eltern
fel.
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Eltern eines vergewaltigten Kindes haben auch im Rahmen der Opferhilfe grundsätzlich keinen Anspruch auf ein Schmerzensgeld. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichts hervor, das auf eine Beschwerde des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements hin einen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Genf aufgehoben hat.
Wie viele Richter braucht es noch?
fel.
fel.
Im Zusammenhang mit der Fusion der beiden eidgenössischen Gerichte verlangt Bundesrat Christoph Blocher vom Bundesgericht Modellrechnungen mit einem Spareffekt von zwanzig Prozent. Die Hausaufgabe ist indes seriös nur zu lösen, wenn offen dargelegt und zur Kenntnis genommen wird, wie das höchste Gericht heute arbeitet.
Zinsbesteuerungsabkommen tritt in Kraft
Jurius
Jurius
Auf den 1. Juli tritt das Abkommen über die Zinsbesteuerung zwischen der Schweiz und der EU in Kraft. Kernstück des Abkommens ist die Bereitschaft der Schweiz zur Einführung eines Steuerrückbehalts auf Zinserträge von EU-Steuerpflichtigen. Alternativ zum Steuerrückbehalt besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Meldung der Zinszahlung an die Wohnsitzstaaten der Zinsempfänger.
ComCom senkt Interkonnektionspreise der Swisscom
Jurius
Jurius
Die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) senkt die Interkonnektionspreise der Swisscom AG nachträglich für die Jahre 2000 bis 2003 um rund 30% und bestätigt damit ihren Entscheid vom 6. November 2003 weitgehend. Das nach diesem ersten Entscheid von den Parteien angerufene Bundesgericht hatte die ComCom angehalten, den Rekurrenten weitergehende Akteneinsicht sowie eine zusätzliche Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren.
Unternehmenssteuerreform II: Botschaft und Gesetzesentwurf verabschiedet
Jurius
Jurius
Die Unternehmenssteuerreform II (USTR II) soll die im Jahr 1997 eingeleitete Reform des Unternehmenssteuerrechts vervollkommnen. Im Zentrum der Reformbemühungen stehen die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung sowie gezielte Massnahmen zugunsten von Klein- und Mittelbetrieben (KMU), insbesondere für die Personenunternehmen. Als drittes Element sollen mit der Reform Ärgernisse wie die indirekte Teilliquidation beseitigt werden.
MWST: Dienstleistungen, Export von Leistungen und Ende der Steuerpflicht
Jurius
Jurius
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um das in Kurzform präsentierte Urteil des Bundesgerichts vom 18. Februar 2005 (2A.534/2004) zu den Themen Offshore-Gesellschaft, Dienstleistungen, Export von Leistungen, Ende der Steuerpflicht und Schlussabrechnung, Entstehen der Steuerforderung, Unschuldsvermutung sowie Umkehrung der Beweislast (Art. 15 Abs. 2 Bst. l und Art. 16 Abs. 2 MWSTV; Art. 6 EMRK).