Liebe Leserinnen und Leser
 
Gemeinsam mit dem Institut de droit de la santé der Universität Neuenburg (IDS) freue ich mich, Ihnen eine neue Schwerpunkt-Ausgabe von Jusletter zum Gesundheitsrecht vorzustellen.

Neben der traditionellen Bibliografie der jüngsten Publikationen im Gesundheitsrecht und einer Rezension von Jean Perrenoud zu dem Werk «Droit de la santé et médecine légale», das von Romano La Harpe, Marinette Ummel und Jean-François Dumoulin herausgegeben wurde, enthält diese Ausgabe aktuelle Beiträge zu einem breiten Spektrum von Themen.
 
Die Studie von Tomas Poledna, Kerstin Noëlle Vokinger und Brigitte Wittwer zum Umgang mit Spitalsubventionen unter den Bedingungen der neuen (seit 2012 geltenden) Spitalfinanzierung beruht auf einer schweizweiten Umfrage bei sämtlichen Kantonen. Der Rechtsvergleich zeigt die Schwierigkeiten auf, wie unter den geänderten Voraussetzungen wettbewerbsneutral und transparent mit den Subventionen umgegangen wird, die bis 2012 gewährt worden sind.
 
In ihrer Besprechung des Urteils BVGE 2013/45 zur Planung der hochspezialisierten Medizin beurteilt Kerstin Noëlle Vokinger die politisch brisante Frage, ob und inwiefern die Behandlung von Verbrennungen bei Kindern zur hochspezialisierten Medizin zählt und damit interkantonal zu koordinieren ist. Da diese Frage nach diesem Entscheid neu zu diskutieren sein wird, sind ihre Ausführungen hierzu besonders bedenkenswert.
 
Die in Jusletter bereits mehrfach geführte Debatte zur menschenrechtlichen Dimension der Sterbehilfe wird von Jean-François Perrin in seinem Beitrag «Après l’arrêt Gross c/ Suisse… Que faut-il faire ?» erneut aufgegriffen und um neue Argumente angereichert.
 
Mit einem ganz anderen Aspekt am Lebensende beschäftigen sich Julian Mausbach und Mia Aurelia Huber. Sie zeigen einen gesetzgeberischen Wertungswiderspruch auf, wenn es um die Frage der Einwilligung (und allfälliger Einwilligungssubstitute) zur Forschung an verstorbenen Menschen geht.
 
Alecs Recher und David Garcia Nuñez beschäftigen sich mit den neuen medizinischen Empfehlungen zur Begleitung von Transmenschen und ihre Auswirkungen auf die Leistungspflicht nach KVG. Sie zeigen auf, wie das Bundesgericht gestützt auf diese Richtlinien von seiner bisherigen, restriktiven Rechtsprechung abrücken könnte.
 
Wer trägt eigentlich die Kosten für die Kopien von Krankengeschichten? Diese Frage wirft Christian Peter auf. Ärztinnen und Ärzte stellen die Erstellung von Kopien der Krankengeschichte den Patienten nämlich regelmässig in Rechnung und berufen sich hierbei auf die kantonalen Gesundheitsgesetze, die oft eine Gebühr vorsehen. Der Autor ist jedoch der Ansicht, dass aufgrund der eidgenössischen Datenschutzgesetzgebung, die konkret Anwendung finde, vom Grundsatz der Kostenlosigkeit für Kopien (und Versand) auszugehen sei.
 
Caroline Müller Tremonte analysiert in ihrem Beitrag die ungleiche Korruptionsbekämpfung in der Arzneimittel- und Medizinproduktebranche. Während bei den Arzneimitteln bestimmte Vermarktungsmethoden ausgeschlossen sind, ist das bei den Medizinprodukten ohne ersichtlichen Grund nicht der Fall. Sie kommt zum Schluss, dass die geltende Regelung nicht befriedigt und eine Angleichung wünschenswert wäre.
 
Pointiert und kritisch nimmt schliesslich auch Max Baumann zu einer Frage des Marketings Stellung. Er greift die in den letzten Monaten intensiv geführte Debatte um das Brustkrebsscreening auf und wendet sich einem dabei wenig behandelten Aspekt zu. Er moniert, dass die Programme über Marketingstrategien angepriesen werden, statt dass die potenziellen Teilnehmerinnen seriös aufgeklärt werden.
 
Bitte beachten Sie auch die neuste Ausgabe der Revue Suisse de droit de la santé / Schweizerischen Zeitschrift für Gesundheitsrecht (RSDS/SZG), die in gedruckter Form die wichtigsten Beiträge und Rechtsprechungskommentare in Jusletter aus dem Jahr 2013 enthält.
 
Ich wünsche Ihnen, auch im Namen des IDS, eine anregende und spannende Lektüre.
 

Universität Zürich, Redaktor Jusletter 
 

Wissenschaftliche Beiträge
Tomas Poledna
Tomas Poledna
Kerstin Noëlle Vokinger
Kerstin Noëlle Vokinger
Abstract

Die neue Spitalfinanzierung soll ein wettbewerbsneutrales und leistungsorientiertes System ermöglichen. Dies schliesst die Gewährung von kantonalen Spitalsubventionen grösstenteils aus. Der Beitrag untersucht, wie die Kantone Subventionen, die vor der Einführung der neuen Spitalfinanzierung an Spitäler ausgerichtet wurden, unter den neuen Vorgaben des KVG regeln. Dabei fällt nicht nur die Heterogenität der kantonalen Vorgehensweisen auf, sondern auch die Mühe, die es macht, Transparenz und Vergleichbarkeit zu erzielen. Lösungsvorschläge, wie Wettbewerbsverzerrungen verhindert und Transparenz geschaffen werden können, runden den Beitrag ab.

Urteilsbesprechungen
Kerstin Noëlle Vokinger
Kerstin Noëlle Vokinger
Abstract

Bei der hochspezialisierten Medizin handelt es sich um eine aktuelle und kontrovers diskutierte Thematik, die viele Rechtsfragen aufwirft. Die Urteilsbesprechung stellt einen massgebenden Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts zur Planung der hochspezialisierten Medizin vor und analysiert kritisch konkrete Problemfelder. Dabei wird neben der juristischen Würdigung ein besonderes Augenmerk auf medizinische Aspekte gelegt.

Beiträge
Jean-François Perrin
Jean-François Perrin
Abstract

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilte im Jahr 2013 die Schweiz aufgrund eines an die Grosse Kammer weitergezogenen Urteils. Das Urteil des EGMR basiert auf einer Theorie der Rechtsquellen die – nach Meinung des Autors – abzulehnen ist. Gemäss dem Autor ist es unzulässig, dass das Autonomieprinzip im Rahmen der Beihilfe zur Selbsttötung wirksam nur durch eine formelle Rechtsnorm eingeschränkt werden kann. (sk)

Julian Mausbach
Julian Mausbach
Mia Aurelia Huber
Mia Aurelia Huber
Abstract

Die Forschung an verstorbenen Personen fällt in den Geltungsbereich des Humanforschungsgesetzes, wodurch diese Thematik erstmals einer einheitlichen eidgenössischen Regelung zugeführt wurde. In den darin statuierten Normen sind allerdings partiell Wertungswidersprüche im Vergleich zur Forschung an lebenden Personen auszumachen. Mit Fokus auf die Bestimmungen zur Einwilligung wird dargestellt, dass die geltenden Regelungen nicht gänzlich den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen. Es wird daher in Analogie zur Forschung an lebenden Personen die Möglichkeit eines Einwilligungssubstituts gefordert.

Alecs Recher
Alecs Recher
David Garcia Nuñez
David Garcia Nuñez
Abstract

Geschlechtsangleichende Massnahmen sind, aus medizinischer Sicht, eine erfolgreiche Methode zur Behandlung von Transmenschen und gehören, aus rechtlicher Sicht, grundsätzlich zu den Pflichtleistungen nach KVG. Die Autoren fassen die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sowie die aktuellen medizinischen Behandlungsempfehlungen zusammen und stellen die aus der Divergenz zwischen den beiden resultierenden Probleme dar. Sie plädieren aus interdisziplinärer Perspektive für eine Rechtsanwendung namentlich durch die Krankenversicherer, die einer lege artis-Behandlung von Transmenschen nicht im Wege steht.

Christian Peter
Christian Peter
Abstract

Die Ärztinnen und Ärzte stellen die Erstellung von Kopien der Krankengeschichte den Patienten regelmässig in Rechnung und berufen sich hierbei auf die kantonalen Gesundheitsgesetze, die oft eine Gebühr vorsehen. Auf der anderen Seite sehen die Datenschutzgesetze eine kostenlose Auskunftserteilung vor. Was gilt nun?

Caroline Müller Tremonte
Caroline Müller Tremonte
Abstract

Zuwendungen der Industrie an Fachpersonen für die Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten werden unterschiedlich behandelt. Bei Arzneimitteln verbietet das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) gewisse Vermarktungsmethoden. Die Vermarktung von Medizinprodukten kennt dagegen keine solche Einschränkung. Diese Ungleichbehandlung ist auch Thema der gegenwärtig im Parlament diskutierten Revision des HMG. Der Beitrag gibt einen Überblick über die gesetzliche Situation und zeigt auf, weshalb in diesem Punkt eine Gleichbehandlung von Arzneimitteln und Medizinprodukten angebracht erscheint.

Max Baumann
Max Baumann
Abstract

Ob Brustkrebs-Screening-Programme mehr schaden als nützen, wird derzeit gerade heiss diskutiert, nachdem ein Bericht des Swiss Medical Board sowie eine neue Studie aus Kanada erneut ernsthafte Zweifel am Nutzen derartiger Programme angemeldet haben. Diese Diskussion ist nicht Gegenstand dieses Beitrages. Stattdessen soll auf einen problematischen Aspekt der bisher in der Schweiz durchgeführten Screening-Programme hingewiesen werden, der viel zu wenig beachtet wurde (und wird), nämlich dass die Programme über Marketingstrategien angepriesen werden, statt dass die potenziellen Teilnehmerinnen seriös aufgeklärt werden.

Rezension
Jean Perrenoud
Jean Perrenoud
Abstract

Als Nachfolge des bisher unter dem Titel «Médecin et droit médical» publizierten Buches bringt der Genfer Verlag Médecine & Hygiène die vierte Ausgabe unter dem neuen Titel «Droit de la santé et médecine légale» heraus. Das Grundlagenwerk dient den Beschäftigten im Gesundheitswesen und Juristen, die sich mit diesem Gebiet auseinandersetzen, als wichtiges Nachschlagewerk. (sk)

Bibliografie
Nataliya Wildhaber
Nataliya Wildhaber
Charlotte Boulay
Charlotte Boulay
Nathalie Brunner
Nathalie Brunner
Rachel Christinat
Rachel Christinat
Frédéric Erard
Frédéric Erard
Laura Amey
Laura Amey
Cédric Baume
Cédric Baume
Olivier Guillod
Olivier Guillod
Natacha Joset
Natacha Joset
Daniel Kraus
Daniel Kraus
Jean Perrenoud
Jean Perrenoud
Dominique Sprumont
Dominique Sprumont
Abstract

Diese Rubrik gibt Hinweise auf Neuerscheinungen im Gesundheitsrecht. Sie wird auf Grundlage von nahezu hundert juristischen und medizinischen Zeitschriften aus der Schweiz und dem Ausland zusammengestellt. Umfasst ist die Periode vom 1. Januar 2014 bis zum 1. Juli 2014.

Aus dem Bundesgericht
Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Ein Fahrer, der mit 128 km/h durch Vevey (VD) gefahren ist, erhält eine Freiheitsstrafe von 120 Tagen. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil der Waadtländer Justiz. (Urteil 6B_316/2014) (sk)

Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Eine 59-jährige Deutsche, die zusammen mit einem Solothurner Treuhänder rund 28 Millionen Franken Anlagegelder veruntreute, muss für sechs Jahre ins Gefängnis. Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Frau gegen das verschärfte Urteil des Solothurner Obergerichtes ab. (Urteil 6B_1198/2013)

Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Ein Autofahrer, der ein neunjähriges Mädchen in Aigle (VD) im September 2011 tötete, wird zu zwanzig Monaten Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung des 50-Jährigen, dem der Führerausweis schon vor dem Unfall entzogen wurde. (Urteil 6B_442/2014) (sk)

Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Jurius
Jurius
Abstract

BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht hat die elf letzten Beschwerden gegen die Entscheidung vom 14. August 2012 gutgeheissen, mit der das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die Eintragung der Bezeichnungen «Absinthe», «Fée verte» und «La Bleue» als geschützte geografische Angaben (GGA) bestätigt hatte. (Urteil B-4820/2012)

Medienmitteilungen
Jurius
Jurius
Abstract

Die Funktionsfähigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) soll sichergestellt und verbessert werden. Der Bundesrat hat deshalb am 13. August 2014 die Vernehmlassung zur Ratifikation des Protokolls Nr. 15 über die Änderung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) eröffnet.

Jurius
Jurius
Abstract

Der Bundesrat hat die Eisenbahn-Netzzugangsverordnung (NZV) revidiert. Damit wird das Vorgehen geregelt, das die Eisenbahnunternehmen im Fall von grösseren Betriebsstörungen zu beachten haben. Ziel ist es, möglichst viele Züge verkehren zu lassen und eine bedarfsgerechte Zuteilung der Trassen über die Umleitungsstrecken zu gewährleisten. Die neuen Bestimmungen treten auf den 1. September 2014 in Kraft.

Rechtsprechungsübersicht
Jurius
Jurius
Abstract

Die Rechtsprechungsübersicht führt die zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteile des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. Juni bis und mit 16. Juli 2014 sowie die Urteile des EGMR mit Beteiligung der Schweiz auf. Neben Dossiernummer, Urteilsdatum, Abteilung/Kammer, Prozessgegenstand und Vorinstanz wird ein Hyperlink zum Originalentscheid und – sofern vorhanden – zur jeweiligen Mitteilung bzw. Besprechung in Jusletter und im dRSK wiedergegeben.