Liebe Leserinnen und Leser
 
Vor knapp einem Jahr ist das mit hohen Erwartungen verknüpfte Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Volksrepublik China in Kraft getreten. Die erhofften deutlichen Exportsteigerungen sind bislang zwar ausgeblieben, gleichwohl blieb das Freihandelsabkommen nicht ohne praktische Wirkungen. Andreas Lehmann zieht dazu in seinem Artikel «The Free Trade Agreement Between Switzerland and China: A Brief Appraisal on the Occasion of its First Anniversary» eine erste Bilanz.
 
Etwas weniger Beachtung als das Freihandelsabkommen hat die am 8. Januar 2014 in Kraft getretene «Vereinbarung zwischen dem Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung der Volksrepublik China über die rechtswidrige Einfuhr und Ausfuhr sowie die Rückführung von Kulturgut» gefunden. Doch bereits im vergangenen Dezember kam sie im Rahmen einer Rückführung einer Buddhastatue erstmals zur Anwendung. Grund genug für Niklaus Glatthard, in seinem Beitrag «China, Switzerland and the Transfer of Cultural Goods: On the Agreement Regarding the Illicit Import, Export and Restitution of Cultural Goods» die Vereinbarung näher unter die Lupe zu nehmen.
 
Derweil ziehen am Konjunkturhimmel Chinas immer düsterere Wolken auf. Die chinesische Regierung versucht dem unter anderem dadurch zu begegnen, dass sie die etwas in die Jahre gekommenen Gesetze, die für ausländische Investoren gelten, einer Generalüberholung unterziehen will. Andreas Lehmann analysiert den entsprechenden Entwurf vom vergangenen Januar in seinem Artikel «First Insights into the New Chinese Foreign Investment Law». Nichtsdestotrotz werden einige Investoren einen Rückzug aus China in Betracht ziehen. Doch die Auflösung von Arbeitsverhältnissen kann knifflig sein. Laurent von Niederhäusern zeigt mit seinem Beitrag «La résiliation du contrat de travail par l’employeur en droit chinois», was dabei zu beachten ist. Wer Rückzugsgefechte auszufechten hat, hat in seinen Verträgen hoffentlich eine griffige Schiedsklausel eingefügt, und insbesondere nicht Taiwan als Sitz des Schiedsgerichts gewählt. Wie Maja Blumer im Aufsatz «Taiwan als Paria in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit» aufzeigt, kann dies mit erheblichen Problemen bei der Vollstreckung eines Schiedsspruchs verbunden sein.
 
Auch innenpolitisch weht in China zurzeit ein rauher Wind. Der Kampf gegen die Korruption, um nur ein Beispiel zu nennen, läuft mit unverminderter Härte. Ludwig Hetzel beleuchtet diesen in seinem Artikel «Korruption in China» in einem weiteren Kontext. Auch auf dem Weg zu einem Rechtsstaat sind in China noch einige Hürden zu überwinden. So kann von einer Religionsfreiheit nach westlichen Vorstellungen noch keine Rede sein, wie Thomas Stephan Eder in seinem Beitrag «Uyghur Religious Freedom and Terrorism in Chinese Criminal Law» aufzeigt.
 
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen angenehmen Start in die Woche.
 
Redaktorin Jusletter Chinesisches Recht
 

P.S. Eine Auswahl aus den 24 Beiträgen der ersten drei Jusletter-Schwerpunkt-Ausgaben zum chinesischen Recht, die von 22 auf China spezialisierten Autoren verfasst wurden, wird in Kürze unter dem Titel «Journal zum chinesischen Recht» auch in Buchform erscheinen. 

Beiträge
Andreas Lehmann
Andreas Lehmann
Abstract

Der Artikel ist eine Ergänzung der in der letztjährigen Schwerpunkt-Ausgabe von Jusletter zum chinesischen Recht erschienenen Analyse des Autors über das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China. Er bietet einen praktischen Einblick in die Umsetzung des Freihandelsabkommens im Verlaufe seines ersten Bestehensjahrs und zeigt aktuelle Herausforderungen auf, die sich in China und der Schweiz bis anhin gestellt haben.

Niklaus Glatthard
Niklaus Glatthard
Abstract

Seit dem 8. Januar 2014 müssen sich Schweizer Sammler und Händler von chinesischen Antiquitäten an die Einfuhrregeln der Schweizerisch-Chinesischen Vereinbarung über die rechtswidrige Einfuhr und Ausfuhr sowie die Rückführung von Kulturgut halten. Falls diese Einfuhrregeln nicht eingehalten werden, trägt der gutgläubige Eigentümer des chinesischen Kulturguts in der Schweiz während 30 Jahren seit der rechtswidrigen Einfuhr ein Rückführungsrisiko. Die abschliessende Liste von Kulturgütern im Anhang verdeutlicht den Einfluss der Authentizität und die enge Verflechtung des rechtlichen Rahmens des Kulturgüterhandels mit der Kunst- und Antiquitätenwelt.

Andreas Lehmann
Andreas Lehmann
Abstract

Anfang 2015 hat das Chinesische Handelsministerium den Entwurf eines neuen einheitlichen Gesetzes über ausländische Direktinvestitionen erlassen, welches das geltende, zwischen Wholly Foreign-owned Enterprises, Sino-Foreign Equity Joint Ventures und Sino-Foreign Cooperative Joint Ventures unterscheidende Regime ablösen soll. Der Beitrag stellt die wichtigsten vom neuen Gesetz angestrebten Änderungen vor und beleuchtet mögliche Konsequenzen für ausländische Investoren in China.

Laurent von Niederhäusern
Laurent von Niederhäusern
Abstract

Der Beitrag eines in China tätigen Schweizer Anwalts verschafft eine detaillierte Übersicht zur Kündigung des Arbeitsvertrags in der Volksrepublik China aus der Perspektive des Arbeitgebers. Des Weiteren liefert er einige praxisbezogene Ratschläge für die in China tätigen ausländischen Unternehmen.

Maja Blumer
Maja Blumer
Abstract

Die Republik China (Taiwan) wird nur von ganz wenigen Staaten anerkannt. Diese Ächtung Taiwans hat praktische Konsequenzen auch bezüglich der Wahl des Sitzes eines Schiedsgerichts, wie der unlängst ergangene Entscheid in Sachen Clientron Corp v Devon IT, Inc gezeigt hat. In diesem Fall versagte ein Gericht in den USA den Vollzug eines Schiedsspruchs, welcher in Taiwan ergangen war, mit der Begründung, dass Taiwan kein Signatarstaat der New York Convention (1958 United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards) sei.

Ludwig Hetzel
Ludwig Hetzel
Abstract

Korruption ist in China scheinbar ein allgegenwärtiges Phänomen. Es handelt sich hierbei allerdings nicht immer um Korruption im europäischen Sinne. China besteht aus riesigen Netzwerken, die sich unterstützen – sogenannte Guanxi. Dabei wird nicht etwa das Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung durch Zahlungen beschleunigt, sondern es geht insbesondere um Vorteilsgewährungen innerhalb dieses Netzwerkes. Als Europäer ist es geradezu unmöglich an diesen Netzwerken teilzunehmen. Rechtlich ist diesem System kaum beizukommen, daher beschäftigt sich der Artikel mit der klassischen Korruption im chinesischen Recht und der konkreten Anwendung von Korruptionsgesetzen.

Thomas Stephan Eder
Thomas Stephan Eder
Abstract

Das religiöse Leben und die Unabhängigkeitsbewegung der Uiguren in der Provinz Xinjiang wurden durch die Strafrechtspraxis der VRCh radikalisiert. Sowohl die früheren konterrevolutionären Delikte, als auch die neuen Tatbestände der «Gefährdung der nationalen Sicherheit» (d.h. Terrorismus) und «Gefährdung der öffentlichen Ordnung» wurden zur Kriminalisierung regulären religiösen Lebens verwendet. Die weitere Schwächung von Verfahrensgarantien durch Verordnungen auf Provinzebene und das regelmässige Ausweichen auf Verwaltungsstrafen wie «Umerziehung durch Arbeit» für «unbedeutendere Terroristen» haben die restriktive Rechtslage noch verschärft.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Jurius
Jurius
Abstract

EGMR – Eine wegen Mordversuchen verurteilte Schweizerin ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) abgewiesen worden. Die Frau hatte geklagt, weil sie bei der ersten Befragung durch die Polizei nicht über ihr Recht zu schweigen informiert worden war. (Urteil 41269/08)

Aus dem Bundesgericht
Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht ändert seine Praxis zur Beurteilung des Anspruchs auf eine Invalidenrente wegen somatoformer Schmerzstörungen und vergleichbarer psychosomatischer Leiden. Die bisher geltende Vermutung, dass solche Leiden in der Regel mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar sind, wird aufgegeben. (Urteil 9C_492/2014)

Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Ein wegen Vermögensdelikten und Urkundenfälschungen im Umfang von 7,9 Millionen Franken verurteilter Luzerner Kiesunternehmer muss definitiv ins Gefängnis. Der Prozess gegen den 55-Jährigen wird nicht neu aufgerollt. Das Bundesgericht hat seine Beschwerde abgewiesen. (Urteil 6B_1203/2014)

Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Ein Busfahrer darf trotz Diabetes und der zwingenden Behandlung mit Insulin weiterhin seinen Beruf ausüben. Das Bundesgericht widersprach dem «Service des automobiles et de la navigation (SAN)» des Kantons Waadt. (Urteil 1C_592 / 2014) (sk)

Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht heisst die Beschwerde von Carl Hirschmann im Zusammenhang mit seiner Persönlichkeitsklage gegen die Tamedia AG, 20 Minuten AG und Espace Media AG teilweise gut. Über die drei vom Handelsgericht des Kantons Zürich beanstandeten Zeitungsartikel hinaus bewertet das Bundesgericht neun weitere Medienberichte als persönlichkeitsverletzend. Zudem muss das Handelsgericht mehrere Punkte nochmals prüfen, insbesondere den von Carl Hirschmann erhobenen Vorwurf einer «Medienkampagne». (Urteil 5A_658/2014)

Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht hat einem Rekurs von Dominique Giroud gegen eine Steuernachzahlung von mehreren Millionen Franken an den Walliser Fiskus die aufschiebende Wirkung verweigert. Es wies die Begründung des Walliser Weinhändlers zurück. (Urteile 2C_445/2015 und 2C_446/2015)

Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Jurius
Jurius
Abstract

BVGer – Die Flugzeuge, die in Genf landen nachdem sie über die Spitze von Nernier (F) geflogen sind, müssen diese Flugbahn ändern. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde der «Association Française des Riverains de l’Aéroport de Genève (AFRAG)» ab. (Urteil A-5411/2012) (sk)

Medienmitteilungen
Jurius
Jurius
Abstract

Die Wettbewerbskommission (WEKO) wird die Übernahme von JobScout24 durch JobCloud vertieft prüfen. Es bestehen Anhaltspunkte, dass diese Übernahme eine marktbeherrschende Stellung im Bereich der Stellen-Rubrikanzeigen begründet oder verstärkt.

Jurius
Jurius
Abstract

Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) hat die totalrevidierte Departementsverordnung über die Behandlung von Gesuchen um Erlass der direkten Bundessteuer verabschiedet. Die Steuererlassverordnung präzisiert das Erlassverfahren, die Voraussetzungen für den Steuererlass und die Ablehnungsgründe. Die Verordnung tritt am 1. Januar 2016 in Kraft.

Aus der Sommersession 2015
Jurius
Jurius
Abstract

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der in der Sommersession 2015 verabschiedeten Schlussabstimmungstexte. Die Vorlagen der Redaktionskommission sind im Format PDF abrufbar.

Jurius
Jurius
Abstract

Die Strafverfolgungsbehörden sollen zur Überwachung Verdächtiger Trojaner in Computer einschleusen dürfen. Und sie sollen länger auf Telefonranddaten zugreifen können. Der Nationalrat hat am 17. Juni 2015 als Zweitrat dazu Ja gesagt.