Jusletter

Liebe Leserinnen und Leser

Schweizer Bankgeheimnis – More holes than cheese? So lautete der Titel 1998 in einem amerikanischen Fachartikel, allerdings damals ohne Fragezeichen. Das Schweizer Bankgeheimnis war damals ganz besonders unter Druck geraten. Die Aufarbeitung der nachrichtenlosen Vermögen bei Schweizer Banken führte in den 90er Jahren zu einer beispiellosen Publikation tausender Namen von Bankkunden, um deren Nachkommen Zugang zu den vergessenen oder verschollenen Vermögenswerten zu verschaffen.

Auch die seitherigen internationalen Bemühungen zur Schleifung des Schweizer Bankgeheimnisses wurden vordergründig aus hehren Motiven unternommen. Die Stichworte dazu zeigen einen bunten Strauss von Anliegen: Bekämpfung von Geldwäscherei, Terrorismusfinanzierung, Steueroasen, Offshore-Finanzplätzen und nicht zuletzt von Steuerdelikten. Einzelne Auswüchse dieses Kampfes wie der Ankauf von gestohlenen Bankdaten führten in der Schweiz zu reaktionären Bewegungen und damit zu einer widersprüchlichen Entwicklung. Einerseits wurde das Bankgeheimnis in verschiedenen Gebieten neu oder verstärkt aufgehoben, andererseits wurde der strafrechtliche Schutz in Art. 47 Bankengesetz sukzessive verstärkt.

Einzig den verfassungsrechtlichen Schutz als faktischen Kulminationspunkt dieser Entwicklung konnte das Bankgeheimnis nicht erklimmen. Ein guter Zeitpunkt also, um den aktuellen Bestand einmal nüchtern zu sichten und zu analysieren. Die aktuelle Schwerpunkt-Ausgabe von Jusletter beleuchtet einzelne Aspekte dieser Entwicklung und deren Ergebnis.

Eine aktuelle Übersicht über die heterogenen Rechtsgrundlagen zum Bankgeheimnis und damit auch gleich eine Basis für alle folgenden Artikel vermittelt der Beitrag von Marc-André Schauwecker.

Der zunehmende Druck wirft die grundsätzliche Frage auf, was denn vom Bankgeheimnis überhaupt noch geschützt wird. Fallen beispielsweise Informationen über Dritte in den Schutzbereich von Art. 47 Bankengesetz? Dieser Frage gehen Michael Kunz und Dave Zollinger nach.

Zwei weitere Beiträge widmen sich Rechtsgebieten, in welchen die Aufhebung des Bankgeheimnisses in den letzten Jahren besonders progressiv fortgeschritten ist und der Käse inzwischen sehr löchrig geworden ist. In einem weiteren Artikel von Marc-André Schauwecker wird das Bankgeheimnis im Steuerbereich näher analysiert, unter besonderer Berücksichtigung des automatischen Informationsaustausches. Das Steuerrecht hat seit gut zwei Jahren einen engeren Konnex zur Geldwäschereibekämpfung. Dass sich das Bankgeheimnis in diesem Bereich buchstäblich in Luft aufgelöst hat zeigt eindrücklich der Beitrag von Arnaud Beuret.

Das Bankgeheimnis kann sich in einzelnen Situationen durchaus auch gegen die Interessen der Bank richten. Dies zeigt der Artikel von Philipp Haberbeck zu der von ihrem Kunden eingeklagten Bank. Der Autor konkretisiert darin die Voraussetzungen, unter welchen die Bank zu ihrer Verteidigung im Prozess auch Informationen verwenden darf, die grundsätzlich vom Bankgeheimnis geschützt sind.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Michael Kunz
Fürsprecher, LL.M, Bern
Redaktor Jusletter Compliance

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