Jusletter

Ziviler Ungehorsam und Klimaprozesse in der Schweiz

Worum wird an den Schweizer Gerichten gekämpft?

  • Autoren/Autorinnen: Jevgeniy Bluwstein / Clémence Demay / Lucie Benoit
  • Beitragsart: Beiträge
  • Rechtsgebiete: Strafrecht, Energie- und Umweltrecht
  • DOI: 10.38023/aea35f7f-7653-4c00-a3fd-c32e4bc6bcb3
  • Zitiervorschlag: Jevgeniy Bluwstein / Clémence Demay / Lucie Benoit, Ziviler Ungehorsam und Klimaprozesse in der Schweiz, in: Jusletter 26. Juni 2023
Bei weit mehr als 100 Strafverfahren aus mindestens 30 Aktionen sitzen seit mehreren Jahren regelmässig KlimaaktivistInnen vor Schweizer Gerichten auf der Anklagebank. Dabei handelt es sich um mutmassliche Rechtsbrüche durch verschiedene Formen des gewaltfreien Protests und zivilen Ungehorsams. Dieser Bericht gibt einen Überblick über den Stand, die Vielfalt und den Ausgang der strafrechtlichen Klimaprozesse in der Schweiz. Die AutorInnen zeigen auf, welchen polizeilichen, staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Massnahmen sich AktivistInnen unterziehen müssen und wie bei Klimaprozessen um die Rolle des Rechts an sich gekämpft wird.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einführung: Ziviler Ungehorsam und Klimaprozesse in der Schweiz
  • 2. Chronologie der meisten uns bekannten Klima-Aktionen und -prozesse von 2018 bis heute
  • 2018
  • 2019
  • 2020
  • 2021
  • 2022
  • 3. Polizeiliche, staatsanwaltschaftliche und richterliche Massnahmen bei Protestaktionen und Strafverfahren
  • 4. Worum wird bei Klimaprozessen bei Gericht gekämpft?

1 Kommentar

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    Der Unterschied zwischen Strafrecht und Kriminalpolitik

    "Bei der Auswertung von mehr als 150 verfügbaren Gerichtsurteilen wird deutlich, dass ein signifikanter Teil an friedlichen Aktionen als Vergehen – d.h. mit einem Eintrag in das Strafregister – verfolgt wird, anstatt die Beschuldigten mit Bussen gegen Übertretungen und ohne Eintrag ins Strafregister zu sanktionieren. Vor allem in Zürich wird der Art. 181 StGB (Nötigung) konsequent angewandt und von den meisten RichterInnen (sic) nicht in Frage gestellt" (Rz. 36). -- Solche und ähnliche Aussagen verkennen elementare Regeln des Straf- und Strafprozessrechts und verwechseln Recht mit kriminalpolitischen Anliegen. Was Nötigung ist und wie Vergehen definiert sind, steht im Gesetz. Daran können die Strafbehörden nichts ändern. Wenn z.B. das Blockieren des Strassenverkehrs die Tatbestandsmerkmale eines Vergehens erfüllt, muss die Staatsanwaltschaft im Zweifelsfall (in dubio pro duriore) einen entsprechenden Strafbefehl erlassen bzw. Anklage erheben. Staatsanwaltschaft und Strafgerichte können nicht einfach "alternativ" eine Übertretungsbusse ohne Strafregistereintrag ausfällen. Wer einen privilegierten Nötigungstatbestand oder Strafbefreiungen für politische Aktivisten wünscht, sollte den in der Bundesverfassung dafür vorgesehenen gesetzgeberischen Weg einschlagen und nicht die "RichterInnen" für ihre sorgfältige Gesetzesanwendung kritisieren.

    avatarMarc Forster26.06.2023 19:09:00Antworten

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