Liebe Leser*innen

Das Thema der Migration und der staatliche Umgang mit Migrationsströmen polarisiert nach wie vor die Gesellschaft auf der ganzen Welt. Umso wichtiger ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Themen. Schweizer Forschende leisten einen erheblichen Beitrag zur Klärung vieler drängender Rechtsfragen, weit über die nationale Ebene hinaus. Aufgrund der grossen Anzahl von eingereichten Beiträgen ist die Schwerpunktausgabe zum Migrationsrecht 2025 auf zwei Nummern verteilt. Neben der heutigen Ausgabe erscheint im Mai 2025 ein zweites Bündel an Beiträgen.

In der aktuellen Schwerpunktausgabe werden einige Themen des Vorjahres noch einmal aufgegriffen und neue Entwicklungen präsentiert, wobei der Fokus auf dem Asylbereich liegt.

Nach wie vor beschäftigt die Frage des Asyls für Frauen und Mädchen aus Afghanistan Behörden, Gerichte und Gesetzgeber in ganz Europa. Diesbezüglich vergleicht der Beitrag von Janine Prantl die jüngste Entwicklung der Rechtsprechung des Schweizer Bundesverwaltungsgerichts mit jener des EuGH zur österreichischen Praxis.

Der Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine steht ebenfalls immer noch im Zentrum vieler politischer und rechtlicher Debatten, insbesondere die Frage von Sozialleistungen. Der Beitrag von Raffaella Hitz befasst sich mit der Unterstützung von Personen mit Schutzstatus S und insbesondere mit der kantonalen Sozialhilfepraxis, während Stefanie Kurt und Maja Łysienia einen Vergleich der Statusrechte von geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern in unterschiedlichen europäischen Ländern anstellen.

Marine Masgonty behandelt die noch immer ungelöste Frage der Altersbestimmung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden und diskutiert die unterschiedlichen Anhaltspunkte, welche die Behörden zur Altersschätzung verwenden.

Auf europäischer Ebene laufen aktuell in allen Mitgliedstaaten intensive Implementierungsarbeiten des Pakts für Migration und Asyl, dessen Rechtsakte bis Sommer 2026 umgesetzt werden müssen – trotz Infragestellung bestimmter Elemente des Pakts durch einzelne Mitgliedstaaten. Giulia Raimondo analysiert die externe Dimension des Pakts und konzentriert sich auf die Aspekte der Externalisierung und der Abwälzung von Migrationskontrollmassnahmen auf Drittstaaten.

Schliesslich spielt die Frage der Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsrecht nach wie vor eine grosse Rolle in politischen Debatten. David Kläui erläutert, wann die Schweiz in diesem Zusammenhang das Non-Refoulement-Prinzip prüft, und untersucht, ob die Rückführungsrichtlinie, die für die Schweiz Teil des Schengen-Acquis ist, eingehalten wird bzw. wie diese ausgelegt werden sollte.

Die Herausgeberinnen der Schwerpunktausgabe wünschen eine spannende Lektüre.

Sarah Progin-Theuerkauf und Irina Sille

Wissenschaftliche Beiträge
Konfliktbehaftetes Asyl für geflüchtete Mädchen und Frauen aus Afghanistan im Vergleich
Janine Prantl
Janine Prantl
Immer noch befinden sich Mädchen und Frauen in Afghanistan als eine der am meisten gefährdeten Gruppen in einer besonders schwierigen Situation. Die schweizerische Asylpraxis dazu ist kontrovers. Dieser Beitrag erörtert die konfliktbehafteten Entwicklungen in der Schweiz und wirft einen vergleichenden Blick nach Österreich. Dort stellten sich dem Verwaltungsgerichtshof verwandte EU-rechtliche Fragen zum internationalen Schutz für geflüchtete Mädchen und Frauen aus Afghanistan, die er im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens dem Gerichtshof der EU (EuGH) vorgelegt hat. Der Beitrag behandelt die Schlussanträge des Generalanwalts und das Urteil des EuGH vom 4. Oktober 2024 sowie mögliche Implikationen für die Schweiz.
Evolving legal precarity?
Maja Łysienia
Maja Łysienia
Stefanie Kurt
Stefanie Kurt
Der Artikel analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen, die von den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz als Reaktion auf den massiven Zustrom von Vertriebenen aus der Ukraine angenommen wurden, namentlich den vorübergehenden Schutz und den Schutzstatus S. Er vergleicht und diskutiert verschiedene Rechte wie Zugang zum Arbeitsmarkt, Sozialhilfe, Mobilität und Integrationsmassnahmen und zeigt auf, wie die europäischen Staaten ihre rechtlichen Rahmenbedingungen im Laufe der Zeit anpassten, um diesen neuen Rechtsstatus zu formen und zu gestalten. Der Beitrag verdeutlicht, wie diese rechtlichen Änderungen zu rechtlicher Prekarität für die Betroffenen führten, anstelle von solidarischen Massnahmen und zur Entlastung des Asylsystems.
L’externalisation et le Pacte sur la migration et l’asile
Giulia Raimondo
Giulia Raimondo
Der EU-Migrations- und Asylpakt reformiert das europäische Migrationssystem, indem er die Grenzkontrollen verschärft, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten stärkt und das Migrationsmanagement zunehmend durch Partnerschaften mit Drittstaaten externalisiert. Der vorliegende Beitrag untersucht die wachsende Verflechtung der internen und externen EU-Politik, den verstärkten Rückgriff auf informelle Abkommen sowie die damit verbundenen Risiken für den Schutz von Menschenrechten und die Weiterentwicklung des Konzepts des «sicheren Drittstaates». (xf)
Die Rückführungsrichtlinie, das Non-Refoulement-Prinzip und die vorläufige Aufnahme
David Kläui
David Kläui
Die für die Schweiz verbindliche Rückführungsrichtlinie der EU verlangt die Beachtung des Refoulement-Verbots bei der Beendigung des illegalen Aufenthalts. Die Rechtsprechung des EuGH zur Wirkung dieses Grundsatzes ist jedoch uneindeutig. Offen bleibt, ob die Berücksichtigung des Refoulement-Verbots als Vollzugshindernis genügt oder ob es als Entscheidungshindernis gegebenenfalls bereits dem Erlass einer Rückkehrentscheidung entgegensteht. Der Autor zeigt die aktuelle Rechtsprechung des EuGH auf und legt dar, wie die Rückführungsrichtlinie ausgelegt werden könnte.
Beiträge
Unterstützung von Personen mit Schutzstatus S
Raffaella Hitz
Raffaella Hitz
Im vorliegenden Beitrag möchte ich zunächst den Schutzstatus S (Status S) im Vergleich mit dem Status von anerkannten Flüchtlingen (Flüchtlingen) und vorläufig Aufgenommenen sowohl asylrechtlich wie auch sozialhilferechtlich verorten, um danach auf die sich aus dieser Verortung ergebenden Fragestellungen bei der Umsetzung in der Unterstützung von Personen mit Status S einzugehen. Zum Abschluss werden die bestehenden gesetzlichen Grundlagen auf asyl-, sozialhilfe- und verwaltungsrechtlicher Ebene in einem Fazit kritisch beleuchtet und daraus Empfehlungen an die politischen Entscheidungsträger:innen abgeleitet.
Évaluation de l’âge des RMNA en procédure d’asile
Marine Masgonty
Marine Masgonty
Angesichts des Mangels an absolut zuverlässigen Methoden zur Altersbestimmung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender untersucht dieser Beitrag die verschiedenen im Asylverfahren herangezogenen Indizien – etwa Dokumente, persönliche Aussagen oder gerichtsmedizinische Gutachten – sowie deren Gewichtung in der behördlichen Praxis. Allerdings können unterschiedliche Auslegungen und Fehlermargen die Entscheidungen der Behörden beeinflussen. Die Autorin beleuchtet die damit verbundenen rechtlichen und ethischen Herausforderungen und hebt die Notwendigkeit eines konsistenten Vorgehens hervor, das die Rechte junger Asylsuchender wahrt. (xf)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Genügend Löcher im Emmentaler-Käse
Jurius
Jurius
BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht lockert die Herstellungsvorschriften für Emmentaler Käse als Massnahme gegen Löcherschwund und heisst die Beschwerde der Emmentaler Switzerland gut. (Urteil B-6947/2023)
Medienmitteilungen
FINMA-Jahresmedienkonferenz 2025
Jurius
Jurius
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA legte an ihrer Jahresmedienkonferenz nochmals dar, wie wichtig eine unabhängige, vorbeugende und schlagkräftige Aufsicht ist. In ihrem Rückblick auf 2024 unterstrich sie, wie sie in einem risikobehafteten Umfeld durch konsequente Aufsichtsarbeit die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes stärkte sowie dessen Kundinnen und Kunden schützte.
Unterzeichnung des modernisierten Freihandelsabkommens EFTA–Ukraine
Jurius
Jurius
Am 8. April 2025 haben die EFTA-Staaten und die Ukraine in Kiew das modernisierte Freihandelsabkommen unterzeichnet. Damit setzt die Schweiz ihre erfolgreiche Freihandelspolitik fort und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Durch die Unterzeichnung dieses Abkommens festigt die Schweiz ihre Partnerschaft mit der Ukraine und beweist in dieser kritischen Zeit ihre Solidarität mit dem Land. Das Abkommen ist am 2. April 2025 vom Bundesrat gutgeheissen worden.
Solidarbürgschaft für Autoverlade
Jurius
Jurius
Subventionierte Autoverlade sollen bei der Kapitalbeschaffung für den Kauf von Rollmaterial künftig von einer Bürgschaft des Bundes profitieren können. Das hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 9. April 2025 entschieden. Er unterstützt damit eine Parlamentarische Initiative der nationalrätlichen Verkehrskommission und stimmt den entsprechenden Gesetzesänderungen zu.
Internationale Strafverfolgung: Elektronische Beweismittel einfacher sicherstellen
Jurius
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Schweizerische und ausländische Strafverfolgungsbehörden sollen digitale Beweise sowohl im In- als auch im Ausland effizienter und zügiger sicherstellen können. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 9. April 2025 das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beauftragt, die Schaffung entsprechender Gesetzesgrundlagen zu prüfen und zu evaluieren, ob in diesem Bereich enger mit der EU zusammengearbeitet werden kann. Damit soll die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Kriminalität gestärkt werden.
Zugang zum Studium an Universitäten und pädagogischen Hochschulen mit Berufsmatur
Jurius
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Der Bundesrat hat am 9. April 2025 zwei Postulatsberichte verabschiedet, in denen Erleichterungen für den Zugang mit Berufs- oder Fachmaturität zum Studium an Universitäten beziehungsweise an pädagogischen Hochschulen (PH) geprüft werden. Er kommt zum Schluss, dass sich die bestehenden Regelungen grundsätzlich bewähren. Für den Zugang zur Ausbildung von Lehrpersonen auf Primarstufe empfiehlt der Bundesrat den Kantonen die vertiefte Prüfung verschiedener Optimierungen.
Beitritt der Schweiz zu vier internationalen Forschungsinfrastrukturen
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat am 9. April 2025 beschlossen, vier internationalen Forschungsinfrastrukturen in den Bereichen Umweltwissenschaften, Sprachwissenschaften, Astrophysik und Sozialwissenschaften beizutreten. Damit wird Schweizer Forschenden eine aktive und gleichberechtigte Teilnahme ermöglicht.
Übereinkommen über Chemikalien und Abfall: Schweiz unterstützt Weiterentwicklung
Jurius
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Der Bundesrat hat am 9. April 2025 der Schweizer Delegation das Mandat für die gemeinsame Vertragsparteienkonferenz der Basler, Rotterdamer und Stockholmer Übereinkommen (BRS COP) erteilt. Diese Übereinkommen regeln den umwelt- und gesundheitsverträglichen Umgang mit Chemikalien und Abfällen. Die Vertragsstaaten treffen sich vom 28. April bis 9. Mai 2025 in Genf. Im Zentrum der Verhandlungen steht die Informationspflicht bei der Ausfuhr von gefährlichen Chemikalien und Abfällen.
Schweiz-EU: Bundesrat heisst EU-Programmabkommen gut
Jurius
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An seiner Sitzung vom 9. April 2025 hat der Bundesrat das EU-Programmabkommen (EUPA) und die dazugehörigen Protokolle in den Bereichen Bildung, Forschung, Innovation und Gesundheit gutgeheissen. Ausserdem hat er Bundesrat Guy Parmelin ermächtigt, dieses Abkommen zu unterzeichnen. Die Unterzeichnung wird eine rückwirkende Assoziierung per 1. Januar 2025 an Horizon Europe, dem Euratom-Programm und dem Digital Europe Programme ermöglichen. Das Abkommen tritt mit der Ratifizierung des Pakets Schweiz-EU in Kraft.
Rechtsprechungsübersicht
Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR (Februar – März 2025)
Jurius
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Die Rechtsprechungsübersicht führt die zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteile des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. Februar bis und mit 16. März 2025 sowie die Urteile des EGMR mit Beteiligung der Schweiz auf. Neben Dossiernummer, Urteilsdatum, Abteilung/Kammer, Prozessgegenstand und Vorinstanz wird ein Hyperlink zum Originalentscheid und – sofern vorhanden – zur jeweiligen Mitteilung bzw. Besprechung in Jusletter und im dRSK wiedergegeben.