Liebe Leser*innen

In dieser Ausgabe widmen sich Emanuele Sironi und Franco Taroni der Altersschätzung von Personen insbesondere im Asylverfahren. Sie legen die wissenschaftlichen Grundlagen dar, zeigen die Grenzen der Forensik auf und diskutieren anhand praktischer Fälle, wie sich die Altersgutachten in den rechtlichen Kontext in der Schweiz einbetten lassen.

Malak Ahmadov-El Addal befasst sich mit der Sorgfaltspflicht und dem Begriff der «Regeln der Kunst» im Auftragsrecht. Ob der Arzt, die Anwältin, der Manager oder die Sachverständige – sie alle werden bei der Frage nach der Verletzung ihrer vertraglichen Sorgfaltspflicht unter anderem an «den Regeln der Kunst» gemessen. Die Autorin definiert diesen Begriff und grenzt ihn von ähnlichen Ausdrücken wie «Berufsregeln» oder «gute Praxis» ab.

Sollte es ein Obligatorium für Rechtsschutzversicherungen geben? Rafael Brägger plädiert in seinem Essay dafür. Er hält die derzeit geltende Regelung, wie mittellose Personen bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt werden, für lückenhaft; sie führe ausserdem oft dazu, dass sich die Betroffenen noch weiter verschulden – und regt deshalb an, ein entsprechendes Versicherungsobligatorium zumindest zu diskutieren.

Und schliesslich rezensiert Roland Pfäffli das Liber comitum für Professor Jörg Schmid aus dem Schulthess-Verlag und stellt die einzelnen, darin enthaltenen 22 Aufsätze vor, die sich mit Themen aus dem Forschungs- und Tätigkeitsgebiet von Jörg Schmid befassen.

Wir wünschen eine anregende und interessante Lektüre!

Editions Weblaw

Wissenschaftliche Beiträge
Expertises médico-légales pour l'estimation de l'âge: fondament scientifique, limites et perspectives futures
Emanuele Sironi
Emanuele Sironi
Franco Taroni
Franco Taroni
Medizinische Gutachten zur Altersschätzung sind heutzutage eine häufig durchgeführte Massnahme in Asylverfahren in der Schweiz. Aufgrund ihrer Komplexität werden ihre Resultate jedoch nicht immer korrekt interpretiert, und in der gängigen Praxis wird ihr Potenzial nicht voll ausgeschöpft. Die Autoren präsentieren daher einen Überblick über die wissenschaftlichen Grundlagen, die dieser Art von Altersgutachten zugrunde liegen, und integrieren sie durch die Beschreibung theoretischer Konzepte und praktischer Fälle in den rechtlichen Kontext der Schweiz. Ein alternativer Ansatz für die Interpretation der Resultate von Gutachten wird ebenfalls diskutiert.
Beiträge
La notion de « règles de l’art » en droit du mandat
Malak Ahmadov-El Addal
Malak Ahmadov-El Addal
Um zu beurteilen, ob der Bevollmächtigte seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, wird man sich meist fragen, was ein guter Fachmann unter denselben Umständen getan hätte. Hier kommt der Begriff der «Regeln der Kunst» ins Spiel, ein grundlegender Begriff an der Schnittstelle zwischen Recht und Praxis. Es ist jedoch schwierig, die Umrisse dieses Begriffs zu bestimmen. Auch der Inhalt der Regeln der Technik selbst ist in den meisten Fällen schwer zu erkennen. Wir schlagen daher vor, die Definition der «Regeln der Kunst» zu konkretisieren, indem wir die Elemente, die solche Regeln kennzeichnen, präzisieren und sie von angrenzenden Regeln unterscheiden. (xf)
Essay
Plädoyer für ein Rechtsschutzversicherungsobligatorium
Rafael Brägger
Rafael Brägger
Die heute bestehende Regelung, wie mittellose Personen bei der Durchsetzung von Ansprüchen oder allgemein in rechtlichen Fragen Unterstützung erhalten können, ist lückenhaft und einseitig auf formelle Verfahren ausgerichtet. Sie führt zudem oftmals zu (noch mehr) Verschuldung der Betroffenen. Dieser Essay wirft die Frage auf, ob diesen Problemen mit der Einführung eines Rechtsschutzversicherungsobligatoriums begegnet werden kann und wie eine solche Lösung aussehen könnte. Er versteht sich dabei mehr als Denkanstoss denn als wissenschaftliches Positionspapier.
Rezension
Rezension: Liber comitum für Professor Jörg Schmid
Roland Pfäffli
Roland Pfäffli
Unlängst konnte Professor Dr. iur. Jörg Schmid seinen 65. Geburtstag feiern. Für den Jubilar ist im Schulthess Verlag ein Liber comitum mit 22 Beiträgen erschienen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick zu den einzelnen Abhandlungen.
Aus dem Bundesgericht
Leistungen der Invalidenversicherung bei Adipositas: Anpassung der Rechtsprechung
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht passt seine Rechtsprechung zum Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung bei einer Adipositas an. Die grundsätzliche Behandelbarkeit der Adipositas steht demnach einem Anspruch auf eine Rente nicht mehr von vornherein entgegen. Von betroffenen Personen darf allerdings verlangt werden, dass sie zumutbare Behandlungen zur Behebung der Beeinträchtigung durchführen, wie etwa eine diätische Therapie oder ein Bewegungsprogramm. (Urteil 8C_104/2024)
Verweigerte medizinische Hilfe für schwangere syrische Frau – Genugtuung auch für Ehemann
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht heisst die Beschwerde einer syrischen Familie teilweise gut, die 2014 von Brig nach Italien zurückgeführt wurde. Der damals schwangeren und an Schmerzen leidenden Frau war in Brig vom Grenzwachtkorps medizinische Hilfe verweigert worden. Der Ehemann hat als direkt Betroffener der seinerzeitigen Ereignisse ebenfalls Anspruch auf eine Genugtuung. Das Bundesgericht spricht ihm 1’000 CHF zu. (Urteil 2C_1016/2022)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Urteile zur privatwirtschaftlichen Tätigkeit der Post
Jurius
Jurius
BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht klärt grundlegende rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der privatwirtschaftlichen Tätigkeit der Schweizerischen Post. Es gibt zwei privaten Unternehmen im Streit mit der Post Recht. (Urteile A-3607/2022, A-3629/2022, A-4762/2022 und A-4764/2022)
Medienmitteilungen
Biodiversität: Bundesrat beschliesst die zweite Phase des Aktionsplans
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 20. November 2024 die zweite Phase (2025–2030) des Aktionsplans zur Strategie Biodiversität Schweiz verabschiedet. Der Aktionsplan umfasst insbesondere Massnahmen gegen das Insektensterben, zur Anpassung der Biodiversität an den Klimawandel und zur Förderung der Artenvielfalt in den Siedlungen. Der Aktionsplan ergänzt die bestehenden Bestrebungen zum Schutz der Biodiversität in den verschiedenen Sektoralpolitiken wie der Landwirtschaft oder dem Wald. Derzeit investiert der Bund mehr als 600 Millionen CHF pro Jahr in die Biodiversität.
Kaltakquise-Verbot: Über 100 Meldungen bei der FINMA eingetroffen
Jurius
Jurius
Die Wechselsaison bei den Krankenversicherern ist noch in vollem Gange. Nach wie vor gehören lästige Werbeanrufe dazu. Seit dem 1. September 2024 ist die telefonische Kaltakquise im Bereich Krankenkassenvermittlung sowohl für alle Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler als auch Versicherungsunternehmen gesetzlich verboten. Gegen vier Versicherungs- und Vermittlerunternehmen hat die FINMA Untersuchungen eingeleitet.
WEKO: Missbrauch relativer Marktmacht bei französischsprachigen Büchern
Jurius
Jurius
Die französische Verlagsgruppe Madrigall verweigert der Schweizer Buchhändlerin Payot den Bezug ihrer Bücher zu den in Frankreich üblichen Konditionen. Die WEKO gelangt zum Schluss, dass Madrigall damit ihre relative Marktmacht gegenüber Payot missbraucht. Die WEKO verpflichtet Madrigall, Payot den Direktimport zu französischen Bedingungen zu ermöglichen.
Verordnung zur Umsetzung der OECD-Mindestbesteuerung wird angepasst
Jurius
Jurius
An seiner Sitzung vom 20. November 2024 hat der Bundesrat beschlossen, die Verordnung über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen (Mindestbesteuerungsverordnung) anzupassen. Die Änderung erfolgt auf Grund des Inkrafttretens der internationalen Ergänzungssteuer (Income Inclusion Rule, IIR).
Anpassung der Verordnungen über In-vitro-Diagnostika und Medizinprodukte
Jurius
Jurius
Die Übergangsfristen für die neuen Anforderungen an In-vitro-Diagnostika werden im Schweizer Recht angepasst und entsprechend der EU-Regelung verlängert. Zudem werden die vereinfachten Kennzeichnungspflichten für bestimmte In-vitro-Diagnostika unbefristet weitergeführt. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 20. November 2024 beschlossen, die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IvDV) entsprechend anzupassen und die Änderungen per 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen. Die bereits verankerte Pflicht zur Registrierung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika in einer zentralen Datenbank wird per 1. Juli 2026 in Kraft gesetzt.
Änderung der Verordnung über die Krankenversicherung
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 20. November 2024 Änderungen der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) verabschiedet. Diese Änderungen betreffen die Rechnungsstellung von Laboranalysen, den unterjährigen Wechsel in eine Versicherung mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer (alternative Versicherungsmodelle) sowie die Meldepflicht der Versicherer an die Kantone. Sie treten per 1. Januar 2025 in Kraft.
Leistungen von Wohlfahrtsfonds werden erweitert
Jurius
Jurius
Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen erbringen Leistungen an Personen in Notlagen, um die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Tod und Invalidität abzufedern. Am 14. Juni 2024 hat die Bundesversammlung eine Änderung des Zivilgesetzbuchs verabschiedet: In Zukunft sollen Wohlfahrtsfonds auch bei Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit Leistungen ausrichten können, ohne dass eine Notlage vorliegt. An seiner Sitzung vom 20. November 2024 hat der Bundesrat das Inkrafttreten der Änderung auf den 1. Januar 2025 beschlossen.
FINMA setzt Rundschreiben zu den Verhaltenspflichten nach FIDLEG in Kraft
Jurius
Jurius
Mit dem neuen Rundschreiben zum Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG legt die FINMA ihre Aufsichtspraxis zu zentralen Auslegungsfragen dar. Damit schafft sie Transparenz und Rechtssicherheit sowie ein vergleichbares Anlegerschutzniveau unter den Beaufsichtigten. Das Rundschreiben tritt per 1. Januar 2025 in Kraft.
Pflichtlagerhaltung für eine Gas-Mangellage in Form und Umfang angepasst
Jurius
Jurius
Kommt es in der Schweiz zu einer Gas-Mangellage, kann ein Teil der Industrie mit Zweistoffanlagen auf Heizöl-Antrieb umstellen und spart damit Erdgas. Das dazu nötige Heizöl extra leicht ist für den Bedarf von 4,5 Monaten in Pflichtlagern. Das zuständige Departement WBF hat nun sowohl die rechtliche Form als auch den Umfang dieser Ersatzpflichtlagerhaltung angepasst. Die neue Verordnung tritt am 1. Dezember 2024 in Kraft.