Liebe Leserinnen und Leser
Am 5. Februar 2004 hat Prof. Dr.iur. Clausdieter Schott, Professor für Rechtsgeschichte und Privatrecht, Universität Zürich, seine Abschiedsvorlesung gehalten. Bereits heute dürfen wir Ihnen die schriftliche Fassung in Jusletter präsentieren: «Das Recht und die List».
Prof. Dr. Roland Ruedin und RA Emmanuel Piaget plädieren in ihrem Beitrag «Le moment de l´avis au juge» für die Beibehaltung der bis anhin strengen gesetzlichen Regeln in Bezug auf die Benachrichtigungspflichten des Verwaltungsrats und der Revisionsstelle und sprechen sich gegen eine Lockerung de lege ferenda aus (Art. 725 Abs. 2 OR und Art. 729b Abs. 2 OR).
RA Dr.iur. Eugénie Holliger-Hagmann befasst sich mit aktuellen Gesetzgebungsprojekten rund um die Produkthaftpflicht («Produktsicherheit»).
Dr.iur. Thomas Burkhalter rezensiert eine aktuelle Publikation von Professor Dr.iur. et Dr.phil.I Hans Giger, die sich mit der schweizerischen Konsumentenschutz-Gesetzgebung auseinander setzt («Key Problems of the new concept of the Swiss Consumer Credit Legislation»).
Dr.iur. Andrea Flury und lic.iur. Alice Naumann berichten vom Siebten St. Galler Internationalen Immaterialgüterrechtsforum (13./14. November 2003).
Mit besten Grüssen
Nils Güggi
Koordination Jusletter
Abstract
In der Weltliteratur finden sich Beispiele wie mit List selbst gegen den Buchstaben des Gesetzes der Gerechtigkeit zum Durchbruch verholfen wird. Die sich in der Literatur spiegelnde Rechtswirklichkeit steht schriftstellerischer Vorstellungskraft in nichts nach. Da die Rechtsprechung die Rolle des gesetzgebergleichen Richterkönigs scheut, greift sie lieber nach einem zufällig herumschwimmenden gesetzlichen Strohhalm. Nun ist Gesetzesinterpretation, d.h. Verstehen und Anwenden, ein alltäglicher und meist unschuldiger Vorgang. Die Frage hier ist: Wann ist dieser Griff in die Trickkiste eine List? Was aber ist eine List? (Abschiedsvorlesung von Prof. C. Schott, gehalten am 5. Feb. 2004)
Abstract
Gemäss Art. 725 Abs. 2 OR muss der Verwaltungsrat das Gericht benachrichtigen, wenn die Gesellschaft überschuldet ist. Art. 729b Abs. 2 OR verpflichtet die Revisionsstelle, das Gericht zu benachrichtigen, wenn der Verwaltungsrat bei offensichtlicher Überschuldung die Anzeige unterlässt. De lege lata ist die sofortige Anzeigepflicht an das Gericht zwingender Natur. Der klare Wortlaut der vorgenannten Bestimmungen kann gestützt auf die historischen, systematischen und teleologischen Interpretationsmethoden nicht relativiert werden. Die aktuelle Strenge des Gesetzes ist zum Schutze der Gläubiger unabdingbar. Eine Lockerung de lege ferenda (Art. 64 VE RRG) ist nicht wünschenswert.
Abstract
Auf dem Gebiet der Produktsicherheit sind gegenwärtig verschiedene Projekte im Gange. Auf der einen Seite soll die behördliche Kontrolle gewisser Produkte verbessert werden. Andererseits geht es um eine grundlegende Konzeption der Produktsicherheit, nämlich um die Definition eines für alle Produktkategorien geltenden hohen Sicherheitsniveaus sowie der Produktbeobachtungspflichten der Hersteller und Vermarkter nach dem Inverkehrbringen. Mit Rücksicht auf die exportorientierten Produzenten in der Schweiz muss sich die rechtliche Ausgestaltung der Produktsicherheit zwangsläufig an der EU-Regelung orientieren.
Abstract
Die nachfolgende Rezension gilt einem Werk, welches im Rahmen einer Veranstaltung der International Academy of Commercial and Consumer Law (USA), entstanden ist. Der Autor des Buches, der Zürcher Jurist Prof.Dr.Dr. Hans Giger, gibt dabei sowohl dem wissenschaftlich Interessierten wie dem Praktiker (Mitarbeiter von Kreditbanken, Leasinggesellschaften, Herausgeber von Kundenkarten mit Kreditoption etc.) Einblick in eine Welt, die nicht nur juristisch von spannender Aktualität ist. Das Buch ist zudem all jenen zur Lektüre empfohlen, die sich über Konsumentenschutz hinaus mit Fragen der Gesetzgebungspolitik in der Schweiz befassen.
Abstract
Bereits zum siebenten Mal fand Mitte November 2003 das St. Galler Internationale Immaterialgüterrechtsforum IIF statt. Die Tagung leiteten Prof. Dr. Carl Baudenbacher, Präsident des EFTA-Gerichtshofs, und Fürsprecher Dr. Jürg Simon, Lehrbeauftragter für Immaterialgüterrecht an der Universität St. Gallen HSG.
Abstract
Wer an die Schweiz ausgeliefert und hier verurteilt wird, hat Anspruch darauf, dass die in einem ausländischen Gefängnis abgesessene Auslieferungshaft auf seine Freiheitsstrafe angerechnet wird. Dabei wird indes laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts den Haftbedingungen im fremden Land keine Rechnung getragen.
Abstract
Der Solothurner Regierungsrat hat die Autonomie der Gemeinde Balsthal verletzt, als er die Beschwerde einer Türkin guthiess, deren Einbürgerungsgesuch der Balsthaler Bürgerrat wegen ungenügender Deutschkenntnisse abgewiesen hatte.
Abstract
Das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) ändert seine nur wenige Jahre alte Rechtsprechung, wonach der errechnete Invaliditätsgrad ein mathematisch exakter Prozentwert ist, der nicht gerundet werden darf (NZZ vom 15. 9. 01 und BGE 127 V 129).
Abstract
Das neue Sozialversicherungsgericht des Kantons Genf kann seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen. Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde eines Bürgers gutgeheissen und die Wahl aller 16 Beisitzer des Gerichts vom vergangenen Sommer annulliert. Stein des höchstrichterlichen Anstosses ist der Umstand, dass die Beisitzer vom Grossen Rat und nicht vom Volk gewählt wurden, wie dies die Genfer Kantonsverfassung vorschreibt (Art. 132).
Abstract
Seit dem Inkrafttreten des zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) bilateral ausgehandelten Freizügigkeitsabkommens sind Personen aus dem EU-Raum sowie aus EFTA-Staaten beim Familiennachzug spürbar besser gestellt als Schweizer, die in ihrer Heimat leben (NZZ vom 4. 4. 03). Diese sogenannte Inländerdiskrimination ist laut einem am 18. Januar des vergangenen Jahres mit drei zu zwei Stimmen gefällten Urteil des Bundesgerichts hinzunehmen. Fast auf den Tag ein Jahr später ist die zum Teil ernsthaft kritisierte Rechtsprechung nun in einem neuen Leitentscheid einstimmig bestätigt worden.
Abstract
Eine betreibungsamtliche Liegenschaftsversteigerung ist laut Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken ohne Unterbrechung durchzuführen (Art. 61), und laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts ist auch eine kurze Pause von rund zehn Minuten nicht zulässig.
Abstract
Das Bundesgericht hat die Berufung eines Holländers abgewiesen, der vor der Genfer Justiz eine spanische Untersuchungsrichterin auf Schadenersatz verklagen wollte, weil er auf einen von ihr ausgestellten internationalen Haftbefehl hin in der Schweiz verhaftet worden war.
Abstract
Fruchtsäfte dürfen mit dem Hinweis «ohne Zuckerzusatz» versehen werden, obwohl solchen Getränken gemäss Lebensmittelverordnung grundsätzlich kein Zucker beigemischt werden darf (Art. 232). Das Bundesgericht hat eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) abgewiesen, das die Pomdor AG in Sursee (Luzern) zwingen wollte, auf den Etiketten ihrer Produkte Ramseier Premium Orangensaft und Sunair Orangensaft den Hinweis auf den nicht beigefügten Zucker zu entfernen.
Abstract
Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde eines Anwalts abgewiesen, der nicht zu seinem Klienten in der Genfer Strafanstalt Champ-Dollon gelassen wurde, weil bei der Sicherheitskontrolle das Magnetometer einen Metallalarm auslöste. Der Verteidiger hatte bereits alle metallischen Gegenstände aus seinen Taschen entfernt und wurde in der Folge aufgefordert, nunmehr die Schuhe oder den Gurt auszuziehen, was er jedoch unter Berufung auf das Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit ablehnte.
Abstract
Um die Konsumentinnen und Konsumenten im Bereich der 090x-Nummern besser zu schützen, hat das Bundesamt für Kommunikation zwei Massnahmen getroffen: Bereitstellung von Informationsmaterial zu den 0900-, 0901- und 0906-Nummern sowie Verbot der Verwendung von PC-Dialern in Verbindung mit diesen Nummern.
Abstract
Im Zusammenhang mit der Betreuung von Patienten am Lebensende stehen die Palliativmedizin und die ärztliche Beihilfe zum Suizid seit einiger Zeit im Zentrum des öffentlichen Interesses. Vor diesem Hintergrund hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) ihre aus dem Jahre 1995 stammenden ethischen Richtlinien zur «Sterbehilfe» einer vollständigen Überarbeitung unterzogen. Die neuen, heute in der Schweizerischen Ärztezeitung zur Vernehmlassung veröffentlichten Richtlinien sollen in diesem Bereich eine klare Orientierung geben und Schranken setzen. Angesichts der teilweise sehr weitgehenden Forderungen an die Ärzte als «Experten für einen schnellen Tod» betont die SAMW die Bedeutung der Patientenautonomie, wehrt sich aber gegen Missbräuche und eine «Medikalisierung des Sterbens».
Abstract
Die Kontrollstelle hat am 3. Feb. 2004 eine an ihre neue Verordnung über die Pflichten der ihr direkt unterstellten Finanzintermediäre angepasste Liste der Angaben und Unterlagen, die ein Finanzintermediär seinem Gesuch um Bewilligung beilegen muss, ins Internet gestellt.
Abstract
Die Kontrollstelle hat am 6. Feb. 2004 die Rubrik FAQ mit Antworten auf Auslegungsfragen bezüglich ihrer Verordnung über die Pflichten der ihr direkt unterstellten Finanzintermediäre ergänzt. Die Fragen betreffen Zahlungsaufträge ins Fürstentum Liechtenstein und die Unabhängigkeit der mit den internen Kontrollen beauftragten Person vom obersten Geschäftsführungsorgan.
Abstract
Die vorliegende Zusammenstellung beinhaltet alle schweizerischen Bundesgesetze, Bundesbeschlüsse, Bundesrats- und Departementsverordnungen sowie einzelne Artikel, die im Februar 2004 in Kraft treten. Die einzelnen Erlasse und Änderungen können via Links direkt abgerufen werden.
Jusletter