de fr

Liebe Leserinnen und Leser

Die Annahme der sog. Masseneinwanderungsinitiative hat nicht nur für einen langen Zeitraum die Berichterstattung der Medien im In- und Ausland dominiert, es stellen sich auch weiterhin – knapp vier Monate nach der Abstimmung – Umsetzungsprobleme. Die neu eingeführten Verfassungsbestimmungen stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis zu einer Reihe völkerrechtlicher Verpflichtungen der Schweiz. Astrid Epiney geht in einem Gutachten der Frage nach, ob und inwieweit die neuen Verfassungsbestimmungen den aussenpolitischen Handlungsspielraum der Schweiz bereits jetzt in dem Sinn beschränken, als nach Art. 121a Abs. 4 BV keine (neuen) völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen werden dürfen, die gegen Art. 121a BV verstossen. (Vgl. zum Thema auch: Peter Uebersax, Die verfassungsrechtliche Zuwanderungssteuerung – Zur Auslegung von Art. 121a BV, in: Jusletter 14. April 2014).

Unterbricht das Schlichtungsgesuch bei Ansprüchen mit handelsgerichtlicher Zuständigkeit die Verjährung? Meinrad Vetter analysiert und kommentiert das Urteil des Bundesgerichts vom 4. März 2014 und stellt fest, dass mit Ausnahme der Einlassung ein Schlichtungsgesuch vor einer unzuständigen Schlichtungsbehörde keine Verjährungsunterbrechung bewirkt. Mit der laufenden Revision des Verjährungsrechts könnte dies aber unkompliziert korrigiert werden.

Hector Entenza beschäftigt sich mit der Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare, durch in einer eingetragenen Partnerschaft lebende oder durch eine faktische Lebensgemeinschaft führende Paare. Er betrachtet die Regelung als diskriminierend, die es Partnern, die in solchen Lebensmodellen leben, untersagt, das Kind des Partners zu adoptieren. Die geplante Revision sollte dazu führen, dass insbesondere homosexuellen Paaren gleiche Rechte zustehen wie unverheirateten heterosexuellen Paaren.

Arnold F. Rusch und Susanna Gut zeigen auf, dass Konsumenten nach bisheriger Rechtslage und auch nach der vorläufig gescheiterten Revision des Kartellgesetzes zur Schadenersatzklage legitimiert sind. Die Autoren wünschten sich ein Bekenntnis zu Art. 12 E-KG, der den Konsumenten explizit ein kartellrechtliches Klagerecht gewährt hätte. Zur tatsächlichen Veränderung der Sachlage müsste zusätzlich aber ein prozessrechtlicher Paradigmenwechsel erfolgen.

Die Privatklägerschaft hat als Partei im Strafverfahren Anspruch auf rechtliches Gehör und als Ausfluss daraus Anspruch auf Akteneinsicht. Duri Bonin fragt sich, ob das Akteneinsichtsrecht eines Privatklägers sich ausnahmslos auf die gesamten Strafakten bezieht oder eingeschränkt auf die Aktenteile der eigenen Schädigung.

Daniel Hunkeler stellt fest, dass einige Neuerungen im Sanierungsrecht gemäss SchKG (Teilrevision des SchKG vom 21. Juni 2013; in Kraft seit 1. Januar 2014) auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhen. Er fordert – insbesondere aufgrund der Beibehaltung des Konkursaufschubs als eigenständiges Institut – eine Korrektur durch die Praxis und bei nächster Gelegenheit durch den Gesetzgeber

Am nächsten Montag, 9. Juni 2014, erscheint kein Jusletter. Wir wünschen Ihnen schöne Pfingstfeiertage und freuen uns, Sie am 16. Juni 2014 wieder begrüssen zu dürfen.

Bis dahin wünschen wir Ihnen eine spannende Lektüre. 

 

 

Simone Kaiser
Verlagsleiterin Editions Weblaw

Sandrine Lachat
Leiterin Jusletter Suisse Romande
 

  

Wissenschaftliche Beiträge
Astrid Epiney
Abstract

Nach der Annahme der sog. «Masseneinwanderungsinitiative» sind viele Fragen zu deren Umsetzung und Völkerrechtskonformität offen. Nach einem Überblick über die Meinungsäusserungen vor und nach der Abstimmung wird auf die genaue Tragweite des neuen Art. 121a Abs. 4 BV und dessen Bedeutung für die Unterzeichnung des Protokolls über den Einbezug Kroatiens in das Personenfreizügigkeitsabkommen eingegangen. Der Beitrag setzt sich weiter – ausgehend von der Auslegung der Art. 121a,197 Ziff. 9 BV – mit der Frage auseinander, ob eine Umsetzung des neuen Verfassungsartikels im Einklang mit den Vorgaben des Personenfreizügigkeitsabkommens möglich ist. Auf der Grundlage der Bejahung dieser Frage werden verschiedene Umsetzungsvarianten aufgezeigt.

Urteilsbesprechungen
Meinrad Vetter
Abstract

Art. 63 Abs. 1 ZPO ist sowohl auf die örtliche wie auch die sachliche Zuständigkeit anwendbar. Die Verjährung wäre vorliegend nicht unterbrochen worden, wenn die Klägerin nach erfolgter Sühneverhandlung ihre Klage nicht beim sachlich unzuständigen Bezirksgericht, sondern direkt beim sachlich zuständigen Handelsgericht eingereicht hätte. Bei Ansprüchen mit handelsgerichtlicher Zuständigkeit ist das Schlichtungsverfahren ausgeschlossen. Mit Ausnahme der Einlassung bewirkt ein Schlichtungsgesuch vor einer unzuständigen Schlichtungsbehörde keine Verjährungsunterbrechung. Mit der laufenden Revision des Verjährungsrechts könnte dies unkompliziert korrigiert werden.

Beiträge
Hector Entenza
Abstract

Ist das Adoptionsrecht, welches gleichgeschlechtlichen, in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden oder eine faktische Lebensgemeinschaft führenden Paaren nicht erlaubt, das Kind ihres Partners zu adoptieren («adoption coparentale») diskriminierend und sollte allein aus diesem Grund revidiert werden? Selbst wenn ein Vergleich des schweizerischen Rechts mit dem Völkerrecht – insbesondere der Europäischen Menschenrechtskonvention – keine Unvereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht ergibt, ist es wichtig, dass die Revision bestimmte Prinzipien erfüllt und nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung, insbesondere von homosexuellen gegenüber unverheirateten heterosexuellen Paaren, führt. (bk)

Arnold F. Rusch
Susanna Gut
Abstract

Art. 12 E-KG hätte explizit auch Konsumenten zur Schadenersatzklage legitimiert. Die Autoren zeigen in ihrer Analyse, dass das schon vorher so war und auch in Zukunft so sein muss, trotz der vorläufig gescheiterten Revision. Das Bekenntnis des Gesetzgebers zu dieser Norm wäre dennoch wertvoll: Es würde zeigen, dass der Gesetzgeber die Klage als Korrektiv wünscht. Damit dies nicht nur ein dürres Lippenbekenntnis bleibt, müsste mit der neuen Norm allerdings ein prozessrechtlicher Paradigmenwechsel einhergehen.

Duri Bonin
Abstract

Es wird der Frage nachgegangen, auf welche Akten sich das Einsichtsrecht der Privatklägerschaft gemäss Art. 101 StPO resp. Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO in Verbindung mit Art. 104 StPO bezieht. Vor dem Hintergrund des Wortlautes und der Systematik des Gesetzes, der Mitwirkungsrechte und Interessenlage der Privatklägerschaft sowie des Persönlichkeitsschutzes der anderen Verfahrensbeteiligten ist das Akteneinsichtsrecht auf die Akten im Zusammenhang mit der eigenen Schädigung zu beschränken. Bei Aktenteilen, die andere Sachverhalte betreffen oder nur für die Strafzumessung von Bedeutung sind, ist der Privatkläger ein Dritter im Sinne von Art. 101 Abs. 3 StPO.

Daniel Hunkeler
Abstract

Im neuen Sanierungsrecht gemäss SchKG (Teilrevision des SchKG vom 21. Juni 2013; in Kraft seit 1. Januar 2014) gibt es verschiedene Unzulänglichkeiten. Die meisten von ihnen sind darauf zurückzuführen, dass das Parlament im Laufe der Gesetzgebungsarbeiten abweichend von der bundesrätlichen Botschaft beschlossen hatte, den Konkursaufschub gem. Art. 725a OR als eigenständiges Institut nebst dem gerichtlichen Nachlassverfahren im OR beizubehalten, ohne die dafür notwendigen Anpassungen von Bestimmungen des SchKG vorzunehmen. Zu fordern ist eine Korrektur durch die Praxis und bei nächster Gelegenheit durch den Gesetzgeber.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Jurius
Abstract

EMRK – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte lehnt die Beschwerde eines Schweizers ab, der das gemeinsame Sorgerecht mit seiner Ex-Frau verlangt hat. Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und das Diskriminierungsverbot seien nicht verletzt worden. (Urteil 9929/12)

Aus dem Bundesgericht
Jurius
Abstract

BGer – Das Urteil des Brüsseler Appellationsgerichts im Schadenersatzprozess zwischen der Konkursmasse der Sabena und der SAirGroup/SAirLines in Nachlassliquidation wird in der Schweiz nicht anerkannt. Das Bundesgericht hebt den Entscheid des Zürcher Obergerichts auf. (Urteil 4A_740/2012)

Jurius
Abstract

BGer – Der Sohn eines Landwirtes aus dem Jura wird definitiv wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Der junge Mann hatte eine Falltür in der Scheune offen gelassen kurz bevor ein Fahrer das Heu für den Bauernhof der Famile anlieferte. (Urteil 6B_126/2014) (sk)

Jurius
Abstract

BGer – Neues Missgeschick im Prozess um den aus Nigeria stammenden Diktatorensohn Abba Abacha: Das Bundesgericht hat dessen Verurteilung durch das Genfer Polizeigericht annulliert. Damit verzögert sich auch die Rückgabe von Vermögensgeldern, die 2012 in Luxemburg konfisziert wurden. (Urteile 6B_522/2013 und 6B_289/2013)

Jurius
Abstract

BGer – Am Thunersee kann das noch fehlende Stück des Seeuferwegs zwischen Ländte Hünibach und Hafen Eichbühl erstellt werden. Das Bundesgericht hat die Beschwerden von Landeigentümern mit Seeanstoss im betroffenen Gebiet abgewiesen. (Urteile 1C_829/2013, 1C_831/2013 und 1C_833/2013)

Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht hat das Urteil gegen einen jugendlichen Mörder aus dem Aargau bestätigt. Der damals 16-Jährige hatte im August 2009 eine Lehrtochter mit einem Holzscheit erschlagen und sie hinter Sträuchern versteckt. Dort wurde sie erst zehn Monate später gefunden. (Urteil 6B_89/2014)

Medienmitteilungen
Jurius
Abstract

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 28. Mai 2014 die Botschaft zur Übernahme der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung eines europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR) gutgeheissen. Die Verordnung regelt den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Grenzschutz-Agentur FRONTEX und koordiniert die operative Aussengrenzüberwachung der Schengen-Staaten.

Gesetzgebungsübersicht
Jurius
Abstract

Die Zusammenstellung beinhaltet alle schweizerischen Bundesgesetze, Bundesbeschlüsse, Bundesrats- und Departementsverordnungen sowie einzelne Artikel, die im Juni 2014 in Kraft treten. Die einzelnen Erlasse und Änderungen können via Links direkt abgerufen werden.