27. Mai 2019

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Liebe Leserinnen und Leser

Haben Initianten im Rahmen der Gültigkeitsprüfung von kantonalen Volksinitiativen ein Recht auf Anhörung? Camilla Jacquemoud erläutert die Grundlagen des rechtlichen Gehörs sowie der Gültigkeitsprüfung von Volksinitiativen um aufzuzeigen, dass die Überprüfung der Initiativen in den Anwendungsbereich des rechtlichen Gehörs fällt. Schliesslich werden mögliche Modalitäten für die Durchführung der Überprüfungsverfahren aufgezeigt, mit denen das Recht auf Anhörung gewährleistet ist. 

Der Bundesrat will zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) verzichten. Dies hat er an seiner Sitzung vom 15. Mai 2019 entschieden. Sandra Husi-Stämpfli gibt einen Überblick über die Geschichte des BGÖ und den Revisionsauftrag, um dann mögliche Lösungsansätze und den Entscheid des Bundesrates zu analysieren.

Betreuungs- und Haushaltsdienstleistungen, die in privaten Haushalten geleistet werden, nehmen stetig zu. Da der private Haushalt vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes (ArG) ausgenommen ist, kann sich eine Schutzlücke für Arbeitnehmende ergeben. Kurt Pärli untersucht, ob dies auch gilt, wenn die Dienstleistung im Rahmen einer professionellen Personalvermittlung organisiert wird, und kommt zum Schluss, dass in diesem Fall das ArG anwendbar ist. 

Iris Herzog-Zwitter gibt einen Überblick über die Aufgaben des medizinischen Gutachters und die bundesgerichtliche Rechtsprechung im Kontext der Versicherungsmedizin. Anschliessend gibt die Autorin anhand des Forschungsberichts Nr. 5/18 einen Ausblick für zukünftige Handlungsfelder in der Versicherungsmedizin.

Die schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat am 26. März 2019 ihren Cloud-Leitfaden, einen Wegweiser für sicheres Cloud Banking, vorgestellt und publiziert. Der Leitfaden enthält Empfehlungen, die bei der Beschaffung und beim Einsatz von Cloud-Dienstleistungen durch Schweizer Banken herangezogen werden können. In diesem Zusammenhang hat die SBVg von den beiden Anwaltskanzleien Laux Lawyers AG und Walder Wyss AG Gutachten zum Bankkundengeheimnis eingeholt. Beide Kanzleien sind dabei zum Ergebnis gelangt, dass Banken Cloud-Dienstleistungen nutzen dürfen und zwar auch Clouds im Ausland. Die beiden Gutachten werden in dieser Ausgabe im Volltext publiziert.

Im Lichte der Abstimmung vom 19. Mai 2019 äussert sich Hans-Jakob Mosimann in seinem Essay zum Grundsatz der Einheit der Materie. Er untersucht, wie die «Zwangslage» genau aussieht, vor denen die Stimmberechtigten bewahrt werden sollen, und wie diese damit umgehen, dass sie nur zwischen Ja oder Nein wählen können.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die Woche.

Daphne Röösli
Produktmanagerin Jusletter

Wissenschaftliche Beiträge
Le droit d’être entendu lors du contrôle de validité des initiatives
Camilla Jacquemoud
Camilla Jacquemoud
Bei der Gültigkeitsprüfung kantonaler Volksinitiativen sollte dem Initiativkomitee das rechtliche Gehör eingeräumt werden, unabhängig von Prüfungsbehörde und -zeitpunkt. Insbesondere sollten die Behörden das Komitee informieren und ihm Gelegenheit geben, sich zum Sachverhalt, den konkreten Gültigkeitsbedingungen und der Rechtsfolge zu äussern. Wenn die Gültigkeitsprüfung dem Parlament obliegt, kann das Initiativkomitee seine Stellungnahme auf den Regierungsbericht oder den Bericht der zuständigen Parlamentskommission stützen. Diese Ausübungsmodalitäten sollten im kantonalen Gesetz über die Ausübung der politischen Rechte verankert werden.
Beiträge
Das Öffentlichkeitsprinzip – und ewig grüsst die Skepsis
Sandra Husi-Stämpfli
Sandra Husi-Stämpfli
Der Bundesrat hat am 15. Mai 2019 beschlossen, auf die Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) zu verzichten und vorerst keine weiteren Ausnahmen vom Anwendungsbereich in das BGÖ aufzunehmen. Dieser Beschluss kann unterschiedlich interpretiert werden: Als Statement für eine transparente Verwaltung oder als Versäumnis, insbesondere sicherheitsrelevante Kontrollberichte besser zu schützen. In jedem Fall reiht sich dieser Entscheid in die lange Geschichte der Diskussionen um das Öffentlichkeitsprinzip ein. Die Autorin beleuchtet diese und analysiert die Kritik sowie die gefundenen Lösungen.
Private Haushalte: Anwendung des Arbeitsgesetzes?
Kurt Pärli
Kurt Pärli
Private Haushalte sind vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes (ArG) ausgenommen. Hausangestellte werden nicht nur durch das ArG, sondern auch durch das OR und Normalarbeitsverträge (NAV) geschützt. Allerdings sind nur die Mindestlöhne zwingend einzuhalten. Die Arbeitszeitvorschriften der NAV können vertraglich wegbedungen werden. Es besteht somit eine Schutzlücke. Der folgende Beitrag zeigt auf, dass bei Personalverleih der Personalverleiher und nicht der Haushalt als Betrieb zu qualifizieren ist, was zur Anwendung des Arbeitsgesetzes führt.
Eine Tour d’Horizon zu Brennpunkten der Versicherungsmedizin
Iris Herzog-Zwitter
Iris Herzog-Zwitter
Der nachfolgende Beitrag erörtert im Sinne einer Tour d’Horizon den Status quo der Aufgaben des medizinischen Gutachters und die bundesgerichtliche Rechtsprechung im Kontext der Versicherungsmedizin. Als Ausblick für zukünftige Handlungsfelder in der Versicherungsmedizin wird abschliessend an den Forschungsbericht «Ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung der medizinischen Gutachterinnen und Gutachter» Nr. 5/18 des BSV angeknüpft.
Bekanntgabe von Bankkundendaten an Beauftragte im In- und im Ausland
Michael Isler
Michael Isler
Oliver M. Kunz
Oliver M. Kunz
Thomas Müller
Thomas Müller
Jürg Schneider
Jürg Schneider
David Vasella
David Vasella
Die SBVg hat die Autoren gebeten, gutachterlich zu untersuchen, ob eine Bank das Bankkundengeheimnis verletzt, wenn sie einem Empfänger im Ausland im Rahmen einer Auftragsbearbeitung Bankkundendaten (CID) übermittelt. Sie kommen zum Ergebnis, dass der Beizug von Hilfspersonen unter Bekanntgabe von CID zulässig ist, wenn er einem vernünftigen Interesse entspricht, die Hilfsperson der Weisungsbefugnis der Bank untersteht und diese die vereinbarten Leistungen schwergewichtig selbst erbringt. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn der Anbieter im Ausland Zugriff auf CID erhält. Der vorliegende Beitrag enthält das Gutachten der Autoren.
Nutzung von Cloud-Angeboten durch Banken
Christian Laux
Christian Laux
Alexander Hofmann
Alexander Hofmann
Mark Schieweck
Mark Schieweck
Jürg Hess
Jürg Hess
Die Autoren kommen zum Resultat, dass Banken Clouds im In- und Ausland einsetzen können, ohne Art. 47 BankG zu verletzen. Wenn es im Normalbetrieb beim Cloud-Anbieter zu keinen Klartext-Zugriffen z.B. durch Mitarbeitende des Cloud-Anbieters kommt, erfüllt die Migration von Daten in die IT-Infrastrukturen solcher Cloud-Anbieter bereits das Tatbestandsmerkmal der Offenbarung nicht. Wenn Cloud-Anbieter als Beauftragte im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG bestellt werden, bleibt die Nutzung von Clouds auch dann straflos, wenn Klartext-Zugriffe vorkommen. Die Bank muss für diese Form der Arbeitsteilung im IT-Bereich Kontrollen einrichten.
Essay
Einheit der Materie: «Zwangslage» oder Frage von Präferenzen?
Hans-Jakob Mosimann
Hans-Jakob Mosimann
Die Stimmberechtigten sollen nicht in eine Zwangslage gebracht werden – dies ist eine der Begründungen für das Erfordernis der Einheit der Materie. Der folgende Beitrag untersucht die Frage, worin genau diese Zwangslage besteht und in welchen Abstimmungs-Konstellationen sie auftritt. Dies führt zur These, dass es stets darum geht, wie die Stimmberechtigten ihre – allenfalls gegenläufigen – Präferenzen zu einem binären Ja oder Nein aggregieren, und dass sie meistens dazu in der Lage sind.
Aus dem Bundesgericht
Umstrittene Kostenübernahme bei Operation für Geschlechtsumwandlung
Jurius
Jurius
BGer – Die Swica Krankenversicherung hat sich ohne ausreichende Abklärungen geweigert, die in Deutschland vorgenommene operative Peniskonstruktion einer Person zu übernehmen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzog. Auf Geheiss des Bundesgerichts muss die Versicherung eine Kostenübernahme nochmals prüfen. (Urteil 9C_264/2018)
Mann muss wegen Abgangsentschädigung lange auf Taggelder warten
Jurius
Jurius
BGer – Die Arbeitslosenkasse Wallis hat einen Mann zu Recht 28 Monate auf das erste Taggeld warten lassen. Dieser hatte eine Abgangsentschädigung von rund CHF 1,5 Millionen erhalten. Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Betroffenen abgewiesen. (Urteil 8C_427/2018)
Pitbull-Mischling in Genf muss zurück nach Portugal
Jurius
Jurius
BGer – Das Genfer Veterinäramt muss einen beschlagnahmten Pitbull-Mischling seinem Halter zurückgeben. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Der aus Portugal stammende Hundehalter wird das Tier zurück nach Portugal bringen müssen, weil es im Kanton Genf verboten ist. (Urteil 2C_1088/2018)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Vermögenswerte eines Janukowitsch-Vertrauten bleiben blockiert
Jurius
Jurius
BVGer – Das ehemalige ukrainische Parlamentsmitglied Juri Iwanjuschtschenko wird nicht von der Liste der gesperrten Vermögen gestrichen. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Beschwerde des Ukrainers abgewiesen. (Urteil B-3901/2018)
Sanktion gegen SIX Group bestätigt
Jurius
Jurius
BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die von der Wettbewerbskommission ausgesprochene Sanktion von CHF 7.029 Millionen gegen die SIX Group. (Urteil B-831-2011)
Medienmitteilungen
Bundesgesetz über die Finanzhilfen an gewerbeorientierte Bürgschaftsorganisationen
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat am 22. Mai 2019 beschlossen, das revidierte Bundesgesetz über die Finanzhilfen an gewerbeorientierte Bürgschaftsorganisationen und die dazugehörige Verordnung per 1. Juli 2019 in Kraft zu setzen. Die eidgenössischen Räte hatten die Gesetzesrevision im Dezember 2018 angenommen. Dank dieser Änderung ist es neu möglich, KMU Bürgschaften in einer Höhe von bis zu CHF 1 Million zu gewähren.
Strengere Regeln für die Wiedergutmachung im Strafrecht
Jurius
Jurius
Künftig wird der Anwendungsbereich der Wiedergutmachung im Strafrecht enger gefasst. Der Täter soll neu lediglich im Bereich der leichteren Kriminalität eine Strafbefreiung erwirken können, indem er das Unrecht beispielsweise mit einer Geldzahlung ausgleicht. Der Bundesrat hat die entsprechenden Änderungen im Strafrecht auf den 1. Juli 2019 in Kraft gesetzt.