Sehr geehrte Leserinnen und Leser

Am 30. Januar 2020 fand an der Universität Luzern die Tagung «Patientendaten im Fokus von Recht und Medizin» statt. Die Tagungsbeiträge bilden Gegenstand der vorliegenden Schwerpunktausgabe des Jusletters. 

Alle Referentinnen und Referenten waren sich darin einig, dass Patientendaten ein zugleich kostbares wie auch besonders schützenswertes Gut sind. Daraus ergibt sich zwangsläufig folgende Frage: Wie lassen sich diese beiden Aspekte im Rahmen der klinischen Forschung, im Zivil-, im Datenschutz-, im Haftpflicht- und im Krankenversicherungsrecht unter einen Hut bringen?

In ihrem einführenden Beitrag zeigt Barbara Graham-Siegenthaler die hohe praktische Relevanz des Tagungsthemas auf.

Beatrice Beck Schimmer, selber klinische Forscherin, erläutert in ihrem Beitrag, wie mit einem sorgfältigen Studienaufbau sowohl die Anforderungen an Forschung von höchster wissenschaftlicher Qualität wie auch die Vorgaben des Humanforschungsrechts eingehalten werden können.

Dass das Datenschutzrecht der technischen Entwicklung – in jüngster Zeit u.a. im Kontext von Big Data – hinterherhinkt, ist hinlänglich bekannt. Umstritten bzw. ungeklärt ist jedoch folgende Frage: Was bedeutet dies mit Blick auf den gesetzgeberischen Handlungsbedarf? Dieser Frage geht Astrid Epiney in ihrem Beitrag nach.

Einen etwas anderen Schwerpunkt legen Walter Fellmann und Michèle Odermatt. Sie klären, welche haftungsrechtliche Bedeutung in einem elektronischen Patientendossier hinterlegte Gesundheitsdaten haben. Dürfen Gesundheitsfachpersonen sich auf die Richtigkeit dieser Patientendaten verlassen – und wer haftet, wenn die Daten lückenhaft sind und Patienten deswegen geschädigt werden?

Regina Aebi-Müller zeigt anhand verschiedener Konstellationen, wo das Prinzip der Patientenselbstbestimmung, das grundsätzlich auch die Gesundheitsdaten erfasst, vom Gesetzgeber durchbrochen wird und damit soziale Nähebeziehungen des Patienten gefährdet werden.

Artificial Intelligence (kurz: AI) wird zunehmend zu einer wertvollen Entscheidungshilfe in der Medizin und erleichtert damit, den aktuellen, durch steigende Lebenserwartung, Spezialisierung und wirtschaftliche Grenzen geprägten Herausforderungen des Gesundheitswesens zu begegnen. Die Perspektiven und Grenzen von AI in der Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung erläutern Thomas Gächter und Thuy Xuan Truong in ihrem Beitrag.

Abgerundet wird der schriftliche Teil der Schwerpunktausgabe mit den Ausführungen von Konstantin Beck, der nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern auch die praktische Möglichkeiten der anonymisierten, datenschutzkonformen Verwendung von Patienten- und Versichertendaten aufzeigt.

Franziska Sprecher befasst sich mit der veränderten Bedeutung von Gesundheitsdaten im Zeitalter von Big Data und künstlicher Intelligenz und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Recht. Sie teilt ihren Tagungsbeitrag in Form eines Podcasts.

Wir hoffen, dass Sie in diesen bewegten Zeiten während den COVID-19-Herausforderungen Musse für die Lektüre dieses elektronischen Tagungsbandes und zum Zuhören haben, und wünschen Ihnen alles Gute!

 

Prof. Dr. Barbara Graham-Siegenthaler, Universität Luzern 

Prof. Dr. Regina E. Aebi-Müller, Universität Luzern

 

 

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Beiträge
Barbara Graham-Siegenthaler
Barbara Graham-Siegenthaler
Abstract

Patientendaten sind aus den verschiedensten Perspektiven betrachtet von allerhöchster Brisanz, welche zahlreiche rechtliche Fragestellungen aufwerfen. Anlässlich der Tagung vom 30. Januar 2020 an der Universität Luzern wurden die Herausforderungen der klinischen Forschung, die Gesundheitsdaten im Zeitalter von Big Data und Artificial Intelligence, Big Data und Datenschutzrecht, haftpflichtrechtliche Fragen beim elektronischen Patientendossier, Patientendaten und Persönlichkeitsrechte, Gesundheitsversorgung und Krankenversicherungen sowie Patienten- und Versichertendaten in KVG und VVG einer kritischen Würdigung unterzogen.

Beatrice Beck Schimmer
Beatrice Beck Schimmer
Abstract

Klinische Forschung unterliegt als Forschung am Menschen vielen rechtlichen Vorgaben. Es braucht eine sorgfältige Planung des Studienaufbaus, um den Schutz der Studienteilnehmenden zu garantieren, und eine umsichtige Durchführung, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Aber auch der Umgang mit den klinischen Daten, zu dem neben der sorgfältigen Analyse zur Erhebung von qualitativ wertvollen Daten die Veröffentlichung mit maximal möglicher Transparenz gehört, sind die Herausforderungen, denen klinisch Forschende begegnen. Diese aktuellen Herausforderungen werden im Folgenden, auch anhand von Beispielen aus der Anästhesie, aufgezeigt und erklärt.

Astrid Epiney
Astrid Epiney
Abstract

Das in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückte Phänomen «Big Data» ist Gegenstand nicht nur von rechtswissenschaftlichen, sondern auch von wissenschaftlichen Diskussionen im Allgemeinen. Der Beitrag wirft die Frage auf, ob im Zusammenhang von Big Data und Datenschutzrecht insofern ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, als die Vorgaben des Datenschutzrechts (sei es auf kantonaler, nationaler oder europäischer Ebene) an die mit Big Data einhergehenden, zumindest teilweise durchaus neuen Herausforderungen angepasst bzw. ergänzt werden müssten oder sollten.

Walter Fellmann
Walter Fellmann
Michèle Odermatt
Michèle Odermatt
Abstract

Die Autoren stellen die Bedeutung des elektronischen Patientendossiers dar und analysieren die haftungsrechtlichen Fragen, die sich daraus ergeben. Danach ändert das elektronische Patientendossier nichts an der Haftung des Arztes für fehlende oder fehlerhafte Daten des von ihm geführten Patientendossiers. Gesundheitsfachpersonen in der Behandlungskette dürfen sich grundsätzlich auf die Richtigkeit der für das elektronische Patientendossier freigegebenen Daten verlassen. Anders verhält es sich nur, wenn sie den Fehler bei Anwendung pflichtgemässer Sorgfalt hätten erkennen können oder hätten erkennen müssen.

Regina E. Aebi-Müller
Regina E. Aebi-Müller
Abstract

Patientendaten werden durch den Gesetzgeber spezifisch geschützt, weil ihre Bekanntgabe an Dritte für den Betroffenen besondere Gefahren birgt. Solche Gefahren bestehen nicht nur bei der Datenbearbeitung durch Unternehmen und Forschende, vielmehr kann das Bekanntwerden von Gesundheitsdaten auch im sozialen Näheverhältnis einschneidende Konsequenzen haben. Die Autorin erläutert anhand aktueller Problemstellungen (Vertretungsrechte Angehöriger, Melderechte im Erwachsenenschutz und postmortale Schutzlücken), wo der Gesetzgeber das Konzept der Einwilligung des Patienten in die Datenbearbeitung übergeht und welche Konsequenzen dies hat.

Thomas Gächter
Thomas Gächter
Thuy Xuan Truong
Thuy Xuan Truong
Abstract

Die Gesundheitsversorgung steht in verschiedener Hinsicht vor Engpässen. (Teilweise) Abhilfe versprechen die gezielte Einbindung und Verwertung kollektiver Gesundheitsdaten, insbesondere durch Artificial Intelligence (AI), sodass auch künftig dem Verfassungsauftrag der Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung entsprochen werden kann. Die menschliche Kontrolle bleibt dabei unabdingbar. Der Beitrag liefert eine Übersicht über Perspektiven und Grenzen der AI bei der Verwendung kollektiver Gesundheitsdaten für die Gesundheitsversorgung.

Konstantin Beck
Konstantin Beck
Abstract

Die meisten Forschungsprojekte mit Daten des KVG-Krankenversicherers setzen eine Anonymisierung der Daten voraus. Aber ist Anonymisierung überhaupt noch möglich, angesichts steigender Datenflut und immer leistungsfähigerer Suchmaschinen? Die Analyse kommt aufgrund praktischer Beispiele zum Schluss, dass es weit mehr Anonymisierungsvarianten gibt, als heute angewandt werden, und dass auch in Zukunft Vorgehen und Techniken gefunden werden können, die gleichzeitig den Ansprüchen der Forschenden als auch den Anforderungen des Datenschutzes entsprechen werden.

Podcasts
Franziska Sprecher
Franziska Sprecher
Abstract

Daten, insbesondere Gesundheitsdaten, bergen ein grosses Potential für eine vielseitige Nutzung durch private und staatliche Akteure. Hierzu sind jedoch Rahmenbedingungen erforderlich, die einerseits die Qualität und Integrität der Daten und der informationstechnischen Systeme, ihren Schutz und ihre Sicherheit gewährleisten. Andererseits muss es den Individuen, von denen die Daten stammen, möglich sein, die Kontrolle über ihre Daten effektiv wahrzunehmen. Ihre Datensouveränität ist durch entsprechende technische und organisatorische, aber auch durch regulatorische Rahmenbedingungen sicherzustellen und zu fördern.

Medienmitteilungen
Jurius
Jurius
Abstract

Das Bundesstrafgericht hat das Fifa-Verfahren bis am 27. April sistiert. Damit ist ein Urteil vor Ende der Verjährungsfrist nicht mehr möglich.

Jurius
Jurius
Abstract

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hat 2019 Schritte zur weiteren Verstärkung der Aufsicht in die Wege geleitet. Das Disziplinarverfahren betreffend Bundesanwalt Michael Lauber bildete den Schwerpunkt der Tätigkeit. Daneben tauschte sich die AB-BA intensiv mit parlamentarischen Kommissionen aus.

Jurius
Jurius
Abstract

Die sukzessive Aufhebung der Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erfordert Anpassungen bei der Entschädigung des Erwerbsausfalls. Der Bundesrat hat am 22. April 2020 den Anspruch der Selbständigerwerbenden, die ihre Betriebe am 27. April oder am 11. Mai wieder öffnen können, bis zum 16. Mai verlängert.

Jurius
Jurius
Abstract

Neue Geschirrspüler, Waschmaschinen, Kühlgeräte, Beleuchtung, Displays, Transformatoren, Kühlgeräte mit Direktverkaufsfunktion, Motoren, Server, Netzgeräte, Luftheizungsprodukte und Schweissgeräte sollen weniger Strom verbrauchen. Zu diesem Zweck hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 22. April 2020 Änderungen der Energieeffizienzverordnung (EnEV) beschlossen. Ein Teil der Änderungen tritt per 15. Mai 2020 in Kraft, ein anderer Teil zu Beginn oder im Verlauf des Jahres 2021.

Jurius
Jurius
Abstract

Die Verwaltungskommission des Bundesgerichts hat ihr aufsichtsrechtliches Verfahren betreffend Vorkommnisse am Bundesstrafgericht abgeschlossen. Es nimmt in seinem Bericht Stellung zu den von der Presse aufgegriffenen Problemfeldern und schlägt acht Massnahmen vor.

Vernehmlassungsübersicht
Jurius
Jurius
Abstract

Die Zusammenstellung beinhaltet alle laufenden Vernehmlassungen der Bundeskanzlei, der Departemente EDA, EDI, EJPD, VBS, EFD, UVEK, WBF und der Parlamentarischen Kommissionen im April 2020. Die einzelnen Vernehmlassungen sowie die dazugehörigen Unterlagen können via Links direkt abgerufen werden.