Liebe Leser*innen
In dieser Ausgabe befasst sich Kurt Pärli mit der neuen Plattformarbeitsrichtlinie der EU und deren Bedeutung für die Schweiz. Insbesondere geht er der Frage nach, ob als Arbeitnehmer*in zu qualifizieren ist, wer Dienstleistungen via eine Internetplattform erbringt. Dabei würdigt er auch kritisch die geplante Erweiterung von Art. 12 ATSG. Weiter geht er auf die innovativen Vorschriften zum algorithmischen Management ein.
Larisa Petrov bespricht das Urteil des BGer 9C_201/2023 vom 3. April 2024 – darin befindet das Bundesgericht, dass bei einer stichprobenweisen Einzelfallprüfung zur Identifizierung ungerechtfertigter Leistungen nach KVG die Stichprobe Voraussetzungen der Statistik erfüllen muss, um ausreichend repräsentativ zu sein. Die Autorin zeigt die (wirtschaftlichen) Grenzen dieser Prüfung auf und thematisiert als wirtschaftliche Alternative die Möglichkeiten der datenbasierten Tarifanwendungskontrolle.
Wann ist als Anwalt oder als Anwältin ein Mandat von Anfang an abzulehnen? Urs Egli legt dar, worauf bei der Auftragsklärung im anwaltlichen Mandatsverhältnis zu achten ist, und skizziert die Voraussetzungen, die es braucht, damit die Zusammenarbeit zwischen Klient*innen und Anwält*innen zu zufriedenstellenden Ergebnissen auf beiden Seiten führt.
Claude Humbel widmet sich den «Corporate Foundations», deren Zweck oft gemeinnützig ist und die von Unternehmen im Bemühen um ihre «Corporate Social Responsibility» gegründet werden. Er untersucht die rechtlichen Grundlagen, geht auf die Gründe für die Entstehung solcher Stiftungen ein und erörtert ihre Finanzierung.
Und zu guter Letzt folgt eine Diskussion im Zusammenhang mit Justitia 4.0: Welche Regelung soll für die Fristwahrung gelten, wenn die Technik ausfällt? Daniel Kettiger präsentiert einen aus einem Workshop von IusBubble entstandenen Alternativvorschlag zu Art. 26 BEKJ – jenem Artikel im Vorentwurf zum Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz, der sich damit befasst, was geschieht, wenn eine Plattform technisch nicht erreichbar ist.
Wir wünschen eine anregende und interessante Lektüre!
Editions Weblaw
In eigener Sache:
- Jusletter geht übernächste Woche in die Sommerpause. Am 1. Juli 2024 erscheint die letzte Ausgabe vor den Sommerferien. Jusletter startet wieder am 5. August 2024.
Abstract
Sind Personen, die über eine Internetplattform eine Dienstleistung für Andere erbringen, arbeitsrechtlich als Arbeitnehmende zu qualifizieren? In der EU wird demnächst formell die Plattformarbeitsrichtlinie verabschiedet. Künftig müssen Verfahren vorgesehen sein, die eine korrekte Qualifikation des Vertragsverhältnisses ermöglichen. Die grösste Innovation des Erlasses besteht in Regelungen zum sogenannten algorithmischen Management. Diese könnten auch für das schweizerische Recht von Interesse sein. Aktuell weht der politische Wind allerdings eher in eine andere Richtung, davon wird am Schluss des Beitrages die Rede sein.
Abstract
Das Bundesgericht hat in seinem jüngsten Urteil zur retrospektiven Rechnungskontrolle (Tarifanwendungskontrolle) befunden, dass für die Untermauerung des Verdachts der Fakturierung von nicht gerechtfertigten Leistungen mittels Patientendossiers eine repräsentative Stichprobe notwendig ist, damit die darauf gestützte Hochrechnung die Grundlage für die Festsetzung des Rückforderungsbetrags bilden kann. Welches Stichprobeverfahren zur Anwendung gelangen soll und wie gross die Stichprobe sein muss, damit sie als repräsentativ gilt, lässt das Bundesgericht offen.
Abstract
Zu Beginn des Mandatsverhältnisses ist der anwaltliche Auftrag zu klären. In dieser Mandatsphase werden die Bedürfnisse des Klienten mit den Fähigkeiten und Interessen der Anwältin oder des Anwalts abgestimmt. Die Auftragsklärung ist massgebend dafür, ob das Mandat zu befriedigenden Ergebnissen führt. Nicht jedes angebotene Mandat muss übernommen werden. Manchmal ist es auch besser, Mandate abzulehnen.
Abstract
Corporate Foundations sind rechtlich selbstständige Stiftungen, die von Unternehmen im Rahmen ihrer Bemühungen um Corporate Social Responsibility gegründet werden. In der Praxis sind diese Stiftungen oft über finanzielle und persönliche Vektoren eng mit dem Unternehmen verbunden. Für die Personen, die in der Stiftung agieren, kann dies eine Herausforderung darstellen. Der vorliegende Artikel erörtert die wichtigsten Punkte einer funktionierenden «Corporate Foundation Governance», die sowohl die Stiftung als auch den Ruf des Dritten Sektors schützt. (xf)
Abstract
Welche Regelung der Fristwahrung soll künftig gelten, wenn beim elektronischen Rechtsverkehr die Technik versagt? Dieser Beitrag befasst sich mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen, sich in der parlamentarischen Beratung befindenden Regelung in Art. 26 BEKJ und macht einen alternativen Regelungsvorschlag.
Abstract
BGer – Das Universitätsspital Genf muss eine Patientin nicht entschädigen, die in der Notaufnahme nach langem Warten verspätet behandelt wurde. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid der kantonalen Justiz auf, der dem Opfer fast 300’000 CHF zugesprochen hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine schnellere Behandlung den Ausgang der Behandlung günstig beeinflusst hätte, wird als nicht ausreichend erachtet. (Urteil 4A_401/2023) (cs)
Abstract
BGer – Der Besitzer von Schloss Thielle am rechten Ufer des Zihlkanals muss alle Bauten und Anlagen abbrechen, die ohne Bewilligung im Naturschutzgebiet errichtet wurden. Das hat das Bundesgericht entschieden. (Urteil 1C_667/2023)
Abstract
BGer – Die Neuenburger Justiz durfte eine Berufung nicht mit der Begründung ablehnen, dass der im Ausland wohnhafte Rechtsuchende für Mitteilungen des Gerichts die Adresse seiner Ex-Frau angegeben hatte. Nach Ansicht des Bundesgerichts konnte die Instanz die Mitteilung über das Erscheinen rechtsgültig an diese Adresse schicken. (Urteil 6B_38/2024)
Abstract
BGer – Das Bundesgericht weist die Beschwerde eines Freizeitunternehmens gegen einen Genfer Entscheid ab, der die Organisation eines Lasergames im Wald einer Bewilligungspflicht unterstellt. Eine solche Aktivität könne mit einem Kampfspiel gleichgesetzt werden, und angesichts der Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt seien Einschränkungen gerechtfertigt. (Urteil 2C_397/2023) (cs)
Abstract
BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Beschwerde von Pro Fribourg und dem Schweizer Heimatschutz gegen den Abriss des Bahnhofs von Sugiez abgewiesen. Die Freiburgischen Verkehrsbetriebe müssen das Gebäude aus dem Jahr 1903 somit nicht erhalten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und kann vor dem Bundesgericht angefochten werden. (Urteil A-584/2023)
Abstract
Ab dem 1. Juli treten diverse Änderungen der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) in Kraft. So wird neu das Neugeborenen-Screening um die Krankheit spinale Muskelatrophie (SMA) erweitert. Durch das Screening kann SMA früh diagnostiziert und behandelt werden, was bessere Behandlungsergebnisse verspricht. Die KLV-Änderung beinhaltet zudem einen Systemwechsel bei der Vergütung der Covid-19-Impfungen: Diese wird per 1. Juli 2024 von der speziell für die Pandemie geschaffenen Regelung in die regulären Strukturen überführt.
Abstract
Die HSBC Private Bank (Suisse) SA hat ihre Pflichten in der Geldwäschereiprävention im Zusammenhang mit zwei politisch exponierten Personen verletzt und damit schwer gegen Finanzmarktrecht verstossen. Dies stellte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA im Rahmen eines Enforcementverfahrens fest und hat Massnahmen zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands angeordnet. Gemäss Entscheid der FINMA darf die Bank bis zur vollständigen Umsetzung dieser Massnahmen keine neuen Geschäftsbeziehungen mit politisch exponierten Personen eröffnen.
Abstract
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 19. Juni 2024 die neuen Selbstregulierungen der Finanzbranche gegen Greenwashing zur Kenntnis genommen. Diese stellen einen Fortschritt in der Umsetzung der Position des Bundesrates zur Verhinderung von Greenwashing im Finanzbereich dar. Der Bundesrat wird weitere staatliche Vorschriften unter Berücksichtigung der laufenden regulatorischen Entwicklungen in der Europäischen Union prüfen.
Abstract
An seiner Sitzung vom 19. Juni 2024 hat der Bundesrat entschieden, wann die Bundesverwaltung Kommentare löschen darf, die in den sozialen Medien auf ihren Profilen abgegeben werden. Er hat dafür die Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV) um neue Artikel ergänzt.
Abstract
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 19. Juni 2024 beschlossen, die Vernehmlassung zur Änderung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) zu eröffnen. Die vorgeschlagenen Anpassungen tragen technologischen Entwicklungen sowie relevanten Weiterentwicklungen internationaler Standards und ausländischer Rechtsordnungen Rechnung. Sie sollen die Stabilität des Finanzsystems sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes stärken. Die Vernehmlassung dauert bis am 11. Oktober 2024.
Abstract
Die SRG benötigt ausreichend finanzielle Mittel, um in allen Sprachregionen ein gleichwertiges publizistisches Angebot bereitstellen zu können. Der Bundesrat lehnt daher die eidgenössische Volksinitiative «200 Franken sind genug! (SRG-Initiative)» ab. Die entsprechende Botschaft hat er am 19. Juni 2024 verabschiedet. Der Bundesrat will aber die Haushalte und Unternehmen finanziell entlasten. Er hat daher entschieden, die Radio- und Fernsehabgabe für Haushalte bis zum Jahr 2029 schrittweise auf jährlich 300 Franken zu senken. Eine neue Konzession wird der Bundesrat der SRG erst nach der Volksabstimmung erteilen. Deshalb verlängert er die laufende SRG-Konzession bis Ende 2028.
Jusletter