Liebe Leser*innen

Im Rahmen der Energiestrategie 2050 strebt die Schweiz ein nachhaltigeres und klimafreundlicheres Energiesystem an. Um das sowohl im Pariser Abkommen von 2015 als auch im am 1. Januar 2025 in Kraft tretenden Klima- und Innovationsgesetz (KIG) angestrebte Ziel der «Netto-Null-Emissionen» zu erreichen und gleichzeitig eine sichere und ausreichende Energieversorgung zu gewährleisten, muss die Eidgenossenschaft die Versorgungssicherheit mit Strom aus einheimischen erneuerbaren Energien nachhaltig stärken.

Die Transformation des Schweizer Energiesystems beruht auf drei Handlungsebenen: quantitativ und qualitativ ausreichende Produktionskapazitäten, um Engpässe im Winter zu vermeiden, ein Ausbau der erneuerbaren Energien im Einklang mit den gesetzlich festgelegten Zielen sowie eine stärkere Dezentralisierung der Stromerzeugung mit erhöhter Flexibilität. Diese Transformation wird durch zahlreiche Gesetzesänderungen umgesetzt, insbesondere durch den sog. Mantelerlass (Gesetz über eine sichere Stromversorgung aus erneuerbaren Energien), der in einer Volksabstimmung am 9. Juni 2024 angenommen wurde.

Diese neue Schwerpunktausgabe des Jusletter zum Energierecht befasst sich mit verschiedenen aktuellen Themen im Zusammenhang mit der Transformation des Schweizer Energiesystems, insbesondere mit einigen Beiträgen des neuen Rechts zu erneuerbaren Energien und zum Eigenverbrauch, sowie mit der Entwicklung von Wärmepumpen und Ladestationen und den Wettbewerbsanforderungen an langfristige Stromlieferverträge.

Markus Schreiber geht der Frage nach, inwiefern «grüner» Wasserstoff und andere Gase aus erneuerbaren Energiequellen zur Erreichung der Klimaziele der Schweiz beitragen könnten. Bisher wurden Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Gasen in Art. 12 EnG im Zusammenhang mit Anlagen von nationalem Interesse nicht erwähnt. Mit der Revision des EnG wird nun gesetzlich verankert, dass Elektrolyseure und Biogasanlagen ab einer bestimmten Grösse und Bedeutung von nationalem Interesse sind. Der Autor weist jedoch darauf hin, dass die Regulierung dieser Gase nach wie vor unzureichend ist.

In einem Beitrag über Wärmepumpen analysieren Fabian Klaber und Jamie Lee Mancini die Bedingungen für die Genehmigung solcher Anlagen und heben dabei die Unterschiede hervor, die die Regelungen in den Kantonen Zürich, Schwyz und Bern kennzeichnen. Die Untersuchung bezieht sich insbesondere auf den Lärmschutz bei Wärmepumpen und den Gewässerschutz bei Bohrungen sowie auf die kantonalen Subventionsregelungen. Sie betonen, dass die Kantone Zürich, Bern und Schwyz spezifische Genehmigungsvorschriften haben, die hauptsächlich von der Art der Wärmepumpe und ihren Auswirkungen auf die Umwelt abhängen. In Bezug auf die Fördergelder zeigt der Beitrag, dass in den betrachteten Kantonen die Bedingungen für die Gewährung von Fördergeldern weitgehend harmonisiert sind.

In der Europäischen Union verfolgt die Kommission eine Politik, welche langfristige Stromabnahmeverträge begünstigt. Die Kommission unterscheidet zwischen zwei Kategorien von Verträgen: Stromabnahmevereinbarungen (PPA) und (bilaterale) Differenzverträge (CfD). Nach EU-Recht ist ein PPA ein Vertrag, mit dem sich eine natürliche oder juristische Person verpflichtet, von einem Stromerzeuger auf Marktbasis Strom zu kaufen. Die Wettbewerbsbehörden achten in diesem Zusammenhang darauf, die Risiken einer Marktabschottung in sich liberalisierenden Märkten, einer Verringerung der kurzfristigen Liquidität und der Verdrängung potenzieller Konkurrenten zu verhindern. Gilles Robert-Nicoud untersucht die Bedingungen für PPAs in der EU und der Schweiz im Hinblick auf die Wettbewerbsanforderungen.

Das am 18. Juni 2023 vom Stimmvolk gebilligte Ziel der Kohlenstoffneutralität bis 2050 hat erhebliche Auswirkungen auf den Verkehrssektor. In diesem Bereich sollen bis 2040 Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um 57% und bis zur Mitte des Jahrhunderts um 100% reduziert werden. Die Elektrifizierung des Verkehrssektors wird daher eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Klimaziele spielen. Die Entwicklung einer ausreichenden Ladeinfrastruktur ist dann unerlässlich. David Sifonios untersucht die rechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Einführung von Ladestationen, insbesondere das Lademanagement und die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Verteilungsnetzen und den notwendigen Schritten für die Installation von Ladestationen in Mietwohnungen und Stockwerkeigentum.

Mathieu Simona widmet sich in seinem Beitrag den Modellen des kollektiven Eigenverbrauchs von Strom, insbesondere im Lichte des in Kürze in Kraft tretenden neuen Rechts. Dieses fügt den Modellen der Eigenverbrauchsgemeinschaften (EVG) und den Zusammenschlüssen zum Eigenverbrauch (ZEV) ein drittes Modell hinzu, das sich auf das gesamte Gebiet einer Gemeinde erstrecken kann: die lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG). Das neue Recht verspricht darüber hinaus, die interne Verrechnung der Stromkosten zu verbessern.

Wir wünschen Ihnen eine anregende und interessante Lektüre!

Brigitta Kratz, Thierry Largey
Co-Redaktoren der Schwerpunktausgabe Energierecht

Beiträge
Wasserstoff und andere erneuerbare Gase im «Mantelerlass»
Markus Schreiber
Markus Schreiber
«Grüner» Wasserstoff und andere Gase aus erneuerbaren Energieträgern könnten dazu beitragen, die Schweizer Klimaziele zu erreichen. Im Rahmen des «Mantelerlasses» (im Abstimmungskampf zuletzt auch «Stromgesetz» genannt), der im Juni 2024 vom Stimmvolk in der Referendumsabstimmung angenommen wurde, wird erstmals unmittelbar die Produktion von Wasserstoff, Methan und anderen erneuerbaren Gasen energiemarktregulatorisch adressiert. Der Beitrag stellt die diesbezüglichen Vorschriften vor und beleuchtet, welche Fragestellungen bislang noch nicht hinreichend geregelt werden.
Bewilligungsverfahren von Wärmepumpen
Fabian Klaber
Fabian Klaber
Jamie Lee Mancini
Jamie Lee Mancini
Die Anzahl Wärmepumpen in Schweizer Haushalten hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als vervierfacht. Trotz der grossen Beliebtheit von Wärmepumpen stellen diese die Bauherrschaft regelmässig vor rechtliche Herausforderungen. Die Autoren beleuchten die Bewilligungsvoraussetzungen von Wärmepumpen und die kantonalen Unterschiede an den Beispielen der Kantone Zürich, Schwyz und Bern. Weiter werden zwei Beispiele wiederkehrender rechtlicher Fragen sowie die einschlägige Fördergeldpraxis untersucht.
Electricité : Power Purchase agreement (PPA) en droit de la concurrence et des marchés publics
Gilles Robert-Nicoud
Gilles Robert-Nicoud
Zwischen den Vor- und Nachteilen aus Sicht des Wettbewerbs haben die Veränderungen auf den Strommärkten in den letzten Jahren die Waagschale zugunsten von langfristigen Verträgen kippen lassen. Auf vielen nunmehr reifer gewordenen Märkten haben sich die wettbewerbswidrigen Auswirkungen verringert. Ausserdem erfordert die Dekarbonisierung erhebliche Investitionen, die durch langfristige Verträge gefördert werden können. Schliesslich hat die Energiekrise die Notwendigkeit von Strategien zur Risikoabsicherung für Erzeuger, Lieferanten und Verbraucher aufgezeigt, die ein gemeinsames Interesse an langfristigen Verträgen haben. (xf)
Le déploiement des bornes de recharge pour véhicules électriques
David Sifonios
David Sifonios
Die Elektrifizierung des Verkehrs wird eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Kohlenstoffneutralität bis 2050 spielen. Der Autor erläutert die Herausforderungen, die der massive Einsatz von Ladestationen für die Entwicklung und das Management der Netze mit sich bringt, sowie die neuen Instrumente, die zur Verfügung stehen (Flexibilität, dynamische Tarife). Dabei analysiert er die Einschränkungen im Zusammenhang mit den erforderlichen Genehmigungen, insbesondere bei Eigentumswohnungen und Mietgebäuden, sowie die zu treffenden Entscheidungen und zu regelnden Vertragselemente, um das Thema optimal anzugehen. Schliesslich werden die Entwicklungstendenzen der Gesetzgebung in diesem Bereich bewertet. (xf)
Loi sur l’électricité : nouveautés en matière d’autoconsommation collective
Mathieu Simona
Mathieu Simona
Mit der Verabschiedung des Elektrizitätsgesetzes am 29. September 2023 hat der Gesetzgeber durch die Erweiterung des für den kollektiven Eigenverbrauch zugelassenen Perimeters der Entwicklung des kollektiven Eigenverbrauchs einen neuen Impuls verliehen. In naher Zukunft, die noch nicht feststeht (2025 oder 2026), wird es im Schweizer Recht neben dem EVG und der ZEV ein drittes Modell geben, die lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG), die sich auf das gesamte Gebiet einer Gemeinde erstrecken können. Der Perimeter der ZEV wird durch die Möglichkeit erweitert, virtuelle Messpunkte (virtuelle ZEV) vorzusehen und dafür die Anschlussleitungen der VNB zu nutzen. (xf)
Aus dem Bundesgericht
Verbotene Kundgebung auf Kantonsstrasse während WEF 2023: Beschwerden gutgeheissen
Jurius
Jurius
BGer – Die Bündner Behörden haben die Benützung der Kantonsstrasse zwischen Küblis und Klosters für eine Marschkundgebung während des Weltwirtschaftsforums 2023 in Davos zu Unrecht gänzlich verwehrt. Zumindest abschnittsweise und unter Auflagen hätte die Route auf der Kantonsstrasse bewilligt werden können. Das Bundesgericht heisst die Beschwerden des Organisators gut. (Urteile 1C_28/2024, 1C_32/2024, 1C_33/2024 und 1C_34/2024)
Medienmitteilungen
Massnahmen gegen Heiraten von Minderjährigen treten Anfang 2025 in Kraft
Jurius
Jurius
Minderjährig verheiratete Personen sollen künftig besser geschützt und Minderjährigenheiraten noch effizienter bekämpft werden. Im Ausland geschlossene Minderjährigenheiraten werden generell nicht mehr anerkannt, sofern mindestens einer der Ehegatten bei der Eheschliessung seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 entschieden, die entsprechenden Gesetzesänderungen auf den 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen.
Bundesrat erhöht Gebühren der Schweizerischen Akkreditierungsstelle
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat am 23. Oktober 2024 entschieden, die Gebühren für Dienstleistungen der Schweizerischen Akkreditierungsstelle nach mehr als einem Jahrzehnt zu erhöhen, um sie den Kostensteigerungen anzupassen. Die entsprechende Verordnung wurde deshalb revidiert und tritt auf den 1. Januar 2025 in Kraft.
Der Bundesrat will den Werterhalt der Schutzbauinfrastruktur sicherstellen
Jurius
Jurius
Angesichts der veränderten globalen Sicherheitslage sind die Schutzbauten für den Bundesrat von grosser Bedeutung. Er will darum die bestehende Schutzbauinfrastruktur erhalten und hat dazu an seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 eine Revision der Zivilschutzverordnung (ZSV) in die Vernehmlassung geschickt. Kernpunkte sind der Ersatz alternder Schutzbaukomponenten, die Anpassung der Schutzraumbaupflicht sowie die Erhöhung der Ersatzbeiträge. Damit soll die Widerstandsfähigkeit der Schweiz im Falle eines bewaffneten Konflikts gewährleistet werden.
Botschaft zur Witwen- und Witwerrente der AHV
Jurius
Jurius
Der Bundesrat will die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei den AHV-Hinterlassenenrenten beseitigen und das System an die gesellschaftliche Entwicklung anpassen. An seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 hat er die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) zur Kenntnis genommen und die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die Vorlage sieht unter anderem vor, dass der hinterlassene Elternteil bis zum vollendeten 25. Altersjahr des jüngsten Kindes eine Hinterlassenenrente erhält, unabhängig vom Zivilstand der Eltern. Die Vorlage geht auch auf den Finanzierungsbedarf der AHV und den Auftrag zur Sanierung der Bundesfinanzen ein.
SEM schliesst neun temporäre Bundesasylzentren
Jurius
Jurius
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) schliesst neun temporäre Bundesasylzentren (BAZ) mit insgesamt 1'735 Unterbringungsplätzen. Grund dafür sind die Asylgesuchzahlen, die im Herbst 2024 bisher tiefer ausgefallen sind als erwartet. Dem SEM stehen daher für die kommenden Monate voraussichtlich ausreichend Unterbringungskapazitäten zur Verfügung.
Bericht über den Stand der Umsetzung des humanitären Völkerrechts durch die Schweiz
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 den zweiten freiwilligen Bericht über die Umsetzung des humanitären Völkerrechts (HVR) durch die Schweiz verabschiedet. Seit der Veröffentlichung des ersten Berichts hat sich der internationale Kontext stark verändert. Die Umsetzung des HVR ist eine Grundvoraussetzung, um in bewaffneten Konflikten ein Mindestmass an Menschlichkeit zu wahren. Unabhängig vom Wandel der Zeit hält die Schweiz an ihrem Engagement fest.