Jusletter

Liebe Leserinnen und Leser

Am Samstag, 7. Juni 2008, findet das Eröffnungsspiel der Euro 2008 statt. Jusletter widmet daher die heutige Ausgabe dem Thema «Euro 2008» und veröffentlicht damit die dritte Schwerpunkt-Ausgabe zum Sportrecht.

Die juristische Diskussion rund um diesen wohl grössten Anlass, der jemals in unserem Land stattgefunden hat, fokussiert auf zwei Hauptthemen: der Schutz der mit dem Anlass verbundenen wirtschaftlichen Rechte (Stichwort: Ambush Marketing) sowie die Sicherheit, im Speziellen im Zusammenhang mit Hooliganismus. Der ersten Problematik ist nach dem Entscheid des Schweizer Parlaments, kein eigenes Gesetz für diesen Anlass zu schaffen, ein wenig die Luft ausgegangen, aber die Frage der Sicherheit ist umso aktueller und wichtiger.

Die vorliegende Schwerpunkt-Ausgabe von Jusletter geht das Thema Sicherheit von drei verschiedenen Gesichtspunkten an. Patrick von Han zeichnet ein Portrait der möglichen polizeilichen Kooperationsformen während der Euro 2008. Richter François Vouilloz greift etwas über den Rahmen der Euro hinaus, befasst sich ganz grundsätzlich mit dem Rayonverbot gemäss BWIS und untersucht insb. ähnliche Massnahmen, die ein Gericht nach Art. 44 Abs. 2 StGB ergreifen kann. Schliesslich widmet sich Nicolas Dutoit, Richter der Sicherheitskammer der Disziplinarkommission der Swiss Football League, den von der Swiss Football League erlassenen Regeln im Bereich der Sicherheit in Stadien.

Masterstudierende der Rechtsfakultät der Universität Neuenburg, die dort das Seminar «Sportrecht» besuchten, haben im Rahmen der Lehrveranstaltung einen fiktiven Prozess vor der Ad hoc-Kammer des TAS (Tribunal Arbitral du Sport) für die Euro 2008 durchgespielt. Der Prozess portraitiert die naheliegende Problematik der Repression von rassistischem Fanververhalten und namentlich die Frage, ob sich die Kausalhaftung der Verbände (oder der Clubs) für das Verhalten ihrer Fans legitimieren lässt.

Es ist damit zu rechnen, dass es für die Ad hoc-Kammer des TAS am ehesten Arbeit im Bereich des Dopings geben wird. Im Rahmen des Antidoping-Programms der UEFA EURO 2008 ist vorgesehen, dass bei jedem der 31 Begegnungen, die vom 7. bis 29. Juni in der Schweiz und in Österreich ausgetragen werden, Urin- und Bluttests stattfinden. Zudem werden alle 16 Mannschaften auch vor dem Wettbewerb Tests unterzogen (jede Mannschaft wurde mindestens einmal unangekündigt besucht und dabei wurden 10 Spieler getestet). RA Rainer Cherkeh und Gunars Urdze stellen uns das System vor und beschäftigen sich insb. mit Art. 12quater des UEFA-Disziplinarreglements. Dieser Artikel sieht vor, dass wenn mehr als ein Spieler ein Dopingvergehen begeht, «the team in question may be disqualified from the competition in progress and/or future competitions».

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob und wie weit die vereinssportlichen Regeln mit dem staatlichen Recht kompatibel sind. RA Cédric Aguet untersucht die Zulässigkeit und Tragweite der zwingenden Rechtswahlklausel der UEFA gegenüber den Spielern, welche die Rechtswahl im Sportrecht und v.a. vor dem TAS einschränken.

Eine andere mögliche Rechtsstreitigkeit im Rahmen der Euro 08 ist die Frage der Disziplinarverfahren gestützt auf Fernsehbilder, wie dies 2004 in Portugal nach einer beispielhaft unsportlichen Handlung des Captains unserer Nationalmannschaft der Fall war. RA Philippe Frésard untersucht diese Problematik anhand einer vergleichenden Analyse der Praxis von der Swiss Football League mit jener der schweizerischen Eishockey-Nationalliga. Die vom Autor ins Feld geführte These des Rückgriffs auf Software, welche zur Rechtfertigung von Sanktionen eine systematische Prüfung von Fernsehbildern zur Suche nach schwerwiegenden Verstössen erlauben soll, bringt zwangsläufig auch die Grundsatzdebatte innerhalb der UEFA hinsichtlich der Verwertung von Videobildern bei Fussballspielen auf den Tisch. Hier geht es um eine kommerziell-juristische Sichtweise des Sports, die der traditionellen Auffassung widerspricht, wobei erstere durch die Wahl Michel Platinis zum UEFA-Präsidenten wieder prominente Kritik erfährt.

Dieselbe unterschiedliche Grundauffassung äussert sich ebenfalls in den beiden anderen heiss diskutierten aktuellen Fussballthemen: Einerseits im Konflikt zwischen dem Europäischen Parlament und der FIFA um die umstrittene «6+5-Regel». Die Regel verpflichtet eine Klubmannschaft, jedes Spiel mit mindestens sechs Spielern zu beginnen, die für das Nationalteam des Landes, in dem der Klub seinen Sitz hat, spielberechtigt sind. Andererseits bei den Folgen des nunmehr berühmten Urteils Webster des TAS vom 31. Januar 2008, welche im Beitrag von Grégoire Mangeat und Nicolas Bulle aus Sicht der Bewegungsfreiheit der Spieler kommentiert werden.

Im Moment, wo der offizielle Countdown auf der Webseite der UEFA Euro 2008 noch 5 Tage, 2 Stunden und 13 Minuten zählt, bleibt zu hoffen, dass die Fussball-Europameisterschaft in einer festlichen Atmosphäre, ohne Gewalt und Rassismus über die Bühne geht.

Wir wünschen uns und Ihnen einen von Fairplay geprägten und dopingfreien Wettkampf, wo die in vorliegender Schwerpunkt-Ausgabe behandelten Probleme rein juristische bleiben.

Antonio Rigozzi

Rechtsanwalt, Lévy Kaufmann-Kohler, Genf,
Lehrbeauftragter an der Universität Neuenburg,
Leiter Jusletter-Ressort «Sportrecht».

Nils Güggi

Lic. iur.,
Verlagsleiter Weblaw