Liebe Leserinnen und Leser

Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) u.a. Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen sowie für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Marina Fahrni untersucht anhand der Grundlage von Art. 429 und 431 StPO, wie die Verhängung von Untersuchungshaft anstatt Ersatzmassnahmen mit einer widerrechtlichen Freiheitsentziehung verglichen werden kann und dem daraus resultierenden Anspruch auf Entschädigung.

Die Nachricht vom 15. Januar 2015, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Mindestkurs zum Euro aufgegeben hat, schockte die Schweizer Bevölkerung. Corinne Zellweger-Gutknecht beleuchtet vor diesem Hintergrund die aktuelle Bilanzsituation der SNB und beruhigt, dass selbst nach einer massiven Frankenaufwertung eine mögliche Überschuldung der SNB gar nicht droht.

Bürokratie statt Bürgernähe? Nach der Kindstötung von Flaach wurde die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) für das Drama verantwortlich gemacht. Dabei spielten die sozialen Medien eine wesentliche Rolle. Fernsehen, Radio und Printmedien widmeten sich dem Thema mit noch nie dagewesener Aufmerksamkeit. Christoph Häfeli analysiert das vor zwei Jahren in Kraft getretene Kindes- und Erwachsenenschutzrecht hinsichtlich der von verschiedenen Seiten aktuell geäusserten Kritik (siehe auch Christoph Häfeli, Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht – Eine Zwischenbilanz und Perspektiven, in: Jusletter 9. Dezember 2013). Kindes- und Erwachsenenschutz kann seiner Ansicht nach nur durch Respekt und durch die von gegenseitigem Vertrauen getragene Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren gelingen.

Auch Peter Breitschmid greift die Problematik rund um die KESB auf. Er weist darauf hin, dass selbst «Fachpersonen» und «Behörden» «Menschen» sind, die zwar fachlich, aber auch einmal falsch entscheiden können. Gerade Menschen werden aus Fehlern klüger.

Caroline Walser Kessel und Peter Breitschmid schliesslich führen eine Diskussion zum idealen «Case-Management» im Familien bzw. Kindes- und Erwachsenenschutzrecht.

Mit Hilfe von Illustrationen versucht Caroline Walser Kessel, die Beiträge «Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) und Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) unter Dauerbeschuss» von Christoph Häfeli und «Arena oder Schachbrett?» von Caroline Walser Kessel und Peter Breitschmid bildlich darzustellen.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche. 

Simone Kaiser
Verlagsleiterin Editions Weblaw

Sandrine Lachat
Leiterin Jusletter Suisse Romande

  

Wissenschaftliche Beiträge
L’indemnisation dans le contexte des mesures de substitution
Marina Fahrni
Marina Fahrni
Die Strafprozessordnung sieht verschiedene Staatshaftungsgründe vor, die spezifisch das Strafverfahren betreffen. Deren Anwendung ist zwar im Rahmen der Untersuchungshaft, aber nicht in Bezug auf andere Zwangsmassnahmen weit entwickelt. Der Beitrag konzentriert sich daher zunächst auf die Entschädigung der beschuldigten Person, die Ersatzmassnahmen nach Art. 429 ff. StPO erdulden musste. Er untersucht weiter, wie die Verhängung von Untersuchungshaft und nicht von Ersatzmassnahmen mit einer widerrechtlichen Freiheitsentziehung verglichen werden kann – wenn die Bedingungen dazu gegeben sind – und damit einen Anspruch auf Entschädigung begründet. (bk)
Beiträge
«Negativzins» und Bilanzsituation der SNB aus monetärrechtlicher Sicht
Corinne Zellweger-Gutknecht
Corinne Zellweger-Gutknecht
Seit Kurzem erhebt die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf gewissen bei ihr geführten Guthaben einen sog. «Negativzins» und der Mindestkurs zum Euro ist aufgehoben. Vor diesem Hintergrund wird zum einen die Bilanzsituation der SNB näher beleuchtet und gezeigt, dass trotz der Frankenaufwertung eine (derzeit) scheinbar mögliche Überschuldung der SNB effektiv gar nicht droht. Zum andern werden die Grundlagen und Schranken des «Negativzinses» analysiert. Ein Blick in die Vergangenheit belegt ausserdem, dass er mit den in den 1970er Jahren erhobenen «Negativzinsen» nicht vergleichbar ist – weder im Hinblick auf ihre rechtliche Natur, noch was ihre mögliche Umgehung betrifft.
Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) und Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) unter Dauerbeschuss
Christoph Häfeli
Christoph Häfeli
Zwei Jahre nach Inkrafttreten stehen das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht und namentlich die professionellen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden der Deutschschweiz in der Kritik von Gemeinden, Politik, Fachleuten, Betroffenen und Medien. Nach der Kindstötung von Flaach hat die Kritik einen neuen Höhepunkt erreicht, der im Ruf nach Rückkehr zum alten System gipfelte. Der richtige Zeitpunkt, sich mit der Kritik auseinanderzusetzen, den Stand der Umsetzung der Revision zu beleuchten um den unbestrittenen Optimierungsbedarf zu benennen.
Essay
Menschen, Behörden und Professionelle …
Peter Breitschmid
Peter Breitschmid
Menschen leben und arbeiten. Die meisten arbeiten professionell. Einige arbeiten in Behörden, viele andere anderswo, und einige haben keine richtige Arbeit. Richtige und riesige Arbeit wird auch in Familien und weitern Netzwerken erbracht. Auch Freiwillige arbeiten. Manchmal sind sie Laien, mit höchsten Ansprüchen an ihre Profession, die sie engagiert und kompetent bewältigen. Selbst in professionell arbeitenden Behörden arbeiten Menschen, die ihre Profession professionell – d.h. menschlich und fachlich engagiert und kompetent – ausüben.
Arena oder Schachbrett?
Caroline Walser Kessel
Caroline Walser Kessel
Peter Breitschmid
Peter Breitschmid
Der Beitrag möchte aufzeigen, in welchem Dilemma Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte oft stecken, wenn sie Klienten in persönlich hochsensiblen Rechtsgebieten begleiten wie das Familienrecht oder das KESR. Die jüngsten Ereignisse, welche sich im Umfeld von Erwachsenenschutzbehörden und Sozialämtern abgespielt haben, waren der äussere Anlass zu diesen Überlegungen.
Aus dem Bundesgericht
Erleichterter Schutz bei ungerechtfertigter Betreibung
Jurius
Jurius
BGer – Zu Unrecht betriebene Personen können ihre Kredit- und Vertrauenswürdigkeit unter erleichterten Bedingungen schützen. Das Bundesgericht lockert die formellen Voraussetzungen für eine gerichtliche Feststellung, dass die Forderung gar nicht besteht. Dritte erhalten in diesem Fall keine Auskunft über die Betreibung. (Urteil 4A_414/2014)
Augenarzt muss 520’000 Franken an Krankenkassen zurückzahlen
Jurius
Jurius
BGer – Ein Augenarzt aus der Ostschweiz muss wegen Überarztung von den 2006 erbrachten Leistungen eine halbe Million Franken an total 47 Krankenkassen zurückzahlen. Diese hatten geklagt, weil der Arzt weit mehr verrechnet hatte als vergleichbare andere Ärzte. (Urteil 9C_535/2014)
Personenfreizügigkeit von EU-Bürgern garantiert kein Bleiberecht
Jurius
Jurius
BGer – Die Personenfreizügigkeit hat ihre Grenzen. Sie erlaubt es EU-Bürgern nicht, in der Schweiz ein Bleiberecht auf unbestimmte Zeit zu erhalten, wenn sie keine Arbeitsstelle mehr finden. Zu diesem Schluss kommt das Bundesgericht. (Urteil 2C_195/2014)
Unvereinbar: Ein Anwalt in drei verschiedenen Rollen
Jurius
Jurius
BGer – Ein Zürcher Anwalt hat bei der Vertretung eines Profifussballers drei Hüte getragen: den des Anwalts, des Kreditgebers des Fussballers und des Verwaltungsrats der Firma, mit welcher der Kicker eine Prozessfinanzierungsvereinbarung geschlossen hatte. Das Bundesgericht hat nun eine Busse wegen Verletzung der Berufsregeln bestätigt. (Urteil 2C_814/2014)
Student wegen gefälschtem E-Mail von Universität ausgeschlossen
Jurius
Jurius
BGer – Mit einem E-Mail mit gefälschtem Absender versuchte ein Student der Geisteswissenschaften der Universität Lausanne zu Credits für ein angeblich besuchtes Seminar zu kommen. Der Coup flog auf. Den Ausschluss von der Universität hat das Bundesgericht mit einem Urteil bestätigt. (Urteil 2C_918/2014)
Willkürliches Tätigkeitsverbot für einen Zahnarzt
Jurius
Jurius
BGer – Gemäss Bundesgericht ist einem Zahnarzt aus dem Kanton St. Gallen gestützt auf einen offensichtlich mangelhaften Arztbericht die Bewilligung zur Berufsausübung entzogen worden. Das Bundesgericht hat das Urteil des kantonalen Verwaltungsgerichts deshalb aufgehoben und an dieses zurückgewiesen. (Urteil 2C_504/2014)
Klare Grenze für Auflösung der Vaterschaft
Jurius
Jurius
BGer – Im Glauben, die Tochter seiner Lebensgefährtin sei auch die seinige, hat ein Mann aus dem Kanton Schwyz ein Mädchen als Vater anerkannt. Obwohl ein DNS-Test beweist, dass das Kind nicht von ihm stammt, kann die Vaterschaft nicht mehr aufgehoben werden, hat das Bundesgericht entschieden. (Urteil 5A_619/2014)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
IV-Stelle wahrt Anonymität eines Informanten
Jurius
Jurius
BVGer – Die Namen von Dritten, die den Einrichtungen der IV Informationen zu Gesuchstellern weitergeben, müssen nicht in allen Fällen den Betroffenen bekannt gegeben werden. Das Bundesverwaltungsgericht stützt einen entsprechenden Entscheid eines Waadtländer IV-Büros. (Urteil A-5430/2013)
Aus dem Bundesstrafgericht
Lange Strafuntersuchung
Jurius
Jurius
BStGer – Ein seit März 2010 inhaftierter Georgier ist auf Geheiss des Bundesstrafgerichts freigelassen worden, weil die Bundesstaatsanwaltschaft auch im zweiten Anlauf Fehler in der Untersuchung begangen hat. 2012 war der Mann wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation und weiteren Delikten verurteilt worden. (Urteil BH.2014.18)
Ringkampf zwischen Bundesanwaltschaft und Bundesstrafgericht
Jurius
Jurius
BStGer – Die Bundesanwaltschaft muss auf Weisung des Bundesstrafgerichts ein Strafverfahren gegen amtierende und ehemalige Finma-Mitglieder mit einem Strafbefehl oder einer Anklage abschliessen. Den drei Männern wird Amtsmissbrauch und Veruntreuung vorgeworfen. (Urteil BB.2014.84)
Medienmitteilungen
Doppelbesteuerungsabkommen
Jurius
Jurius
Die Schweiz und Liechtenstein haben am 2. Februar 2015 in Bern die Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. In beiden Staaten beginnen nun die vorgeschriebenen Verfahren zur Unterzeichnung, die im kommenden Sommer erfolgen soll. Das Doppelbesteuerungsabkommen soll ab dem 1. Januar 2017 gelten.
Stiftungsaufsicht setzt Sachwalter für Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte ein
Jurius
Jurius
Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht ESA setzt für die Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) einen Sachwalter ein. Damit wird die geordnete Fortführung der Stiftungstätigkeiten gewährleistet.
Rechtsprechungsübersicht
Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR (Dezember 2014 – Januar 2015)
Jurius
Jurius
Die Rechtsprechungsübersicht führt die zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteile des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. Dezember 2014 bis und mit 16. Januar 2015 sowie die Urteile des EGMR mit Beteiligung der Schweiz auf. Neben Dossiernummer, Urteilsdatum, Abteilung/Kammer, Prozessgegenstand und Vorinstanz wird ein Hyperlink zum Originalentscheid und – sofern vorhanden – zur jeweiligen Mitteilung bzw. Besprechung in Jusletter und im dRSK wiedergegeben.