Liebe Leser*innen
In dieser Jusletter-Ausgabe untersuchen Brigitte Tag und Martin Wyss die strafrechtliche Einordnung von pornografischen Deepfakes. Sie klären zunächst, was «Deepfakes» überhaupt sind, und widmen sich anschliessend der Frage, wie die mithilfe generativer künstlicher Intelligenz erstellten pornografischen Darstellungen de lege lata strafrechtlich eingeordnet werden können. Zudem befassen sie sich mit einzelnen Aspekten des am 1. Juli 2024 in Kraft tretenden revidierten Sexualstrafrechts.
Ralph Trümpler und Gregori Werder besprechen das Urteil 9C_135/2022 des Bundesgerichts, das sich mit den Krankenversicherungen und dem «Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Behandlung» (Art. 56 KVG), an dem sich die Leistungserbringer zu orientieren haben, befasst. Bezogen auf die Screening-Methode hat das Bundesgericht darin klargestellt, dass der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu erbringen ist.
Mit dem Verfahren zur Aufhebung der Siegelung gemäss Art. 248 und 248a StPO beschäftigt sich Christian Roten in seinem Beitrag. Die per 1. Januar 2024 neu in Kraft getretenen Artikel führen den Begriff des «Inhabers bzw. der Inhaberin, der oder die nicht mit der berechtigten Person identisch» ist, ein – dafür schlägt der Autor eine Definition vor, die er auf die Gesetzgebungsarbeiten, die Rechtsprechung und die Lehre stützt.
Nevin Dobmann und Nic Frei berichten schliesslich von der 8. Basler Arbeitsrechtstagung, besprechen die Referate zu Themen von der Durchsetzung von Lohnansprüchen über die Massenentlassung bis zum Recht auf Offline und bieten nicht zuletzt eine Rechtsprechungsübersicht für die Jahre 2022 und 2023.
Wir wünschen eine anregende und interessante Lektüre!
Editions Weblaw
Abstract
Mittels generativer künstlicher Intelligenz können alltägliche Fotos oder Videos von Menschen in einen pornografischen Kontext eingebracht werden. Personen werden unfreiwillig nackt oder bei der Vornahme sexueller Handlungen abgebildet, denen sie nie zugestimmt haben. Solche Deepfakes sind teilweise kaum noch als Fälschungen erkennbar und deren Verbreitung zeitigt auf das Leben der Betroffenen – überwiegend Frauen, Kinder und Jugendliche – oft gravierende Auswirkungen. Der Artikel nimmt eine strafrechtliche Einordnung des Umgangs mit pornografischen Deepfakes de lege lata vor und bezieht Erwägungen de lege ferenda in die Analyse mit ein.
Abstract
Das Bundesgericht hat sich in einem neuen Leiturteil erstmals eingehend zur zwischen den Leistungserbringern und Krankenversicherern gestützt auf Art. 56 Abs. 6 KVG vereinbarten Screening-Methode geäussert. Es stellt klar, dass die mit der Screening-Methode ermittelte Statistik keinen Nachweis der Unwirtschaftlichkeit erbringt. Die Wirtschaftlichkeitskontrolle erfordert Einzelfallprüfungen. Wie die Krankenversicherer diese Einzelfallprüfungen jedoch methodisch durchzuführen haben und welchen Anforderungen die entsprechenden Feststellungsverfahren genügen müssen, lässt das Bundesgericht weitgehend offen.
Abstract
Die Art. 248 Abs. 2 und 248a Abs. 2 StPO, die das Siegelungsverfahren regeln und am 1. Januar 2024 in Kraft getreten sind, räumen der Person, die an den sichergestellten Dokumenten berechtigt, aber nicht deren Inhaber ist, ausdrücklich Verfahrensrechte ein. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, eine genaue Definition dieses Begriffs des nicht-besitzenden Berechtigten vorzuschlagen – was bislang noch nie unternommen wurde –, und zwar auf der Grundlage einer Untersuchung, die sowohl auf Gesetzgebungsarbeiten, die Rechtsprechung und die Lehre gestützt ist. (xf)
Abstract
Anspruch und Durchsetzung von Lohn & Bonus, Herausgabepflichten und Spesen, Betriebsübergang und Sozialplan, Massenentlassung, Recht auf Offline, Rechtsprechungsübersicht
Abstract
BGer – Beim Entscheid über einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose muss anders als bei Ergänzungsleistungen unberücksichtigt bleiben, wenn die betroffene Person zuvor ihr Vermögen übermässig verbraucht hat. Das Bundesgericht weist eine Beschwerde der Ausgleichskasse des Kantons Tessin ab. (Urteil 8C_438/2023)
Abstract
BGer – Das Bundesgericht hat eine Busse von CHF 5’000 gegen einen Zürcher Anwalt wegen der Verletzung von Berufsregeln bestätigt. Dieser äusserte sich in einem Ausstandsgesuch gegen einen verfahrensleitenden Bezirksrichter «unnötig polemisch und herablassend». (Urteil 2C_83/2023)
Abstract
BGer – Die Freiheitsstrafe von 17 Jahren für einen Polen und die anschliessende Landesverweisung von 15 Jahren sind rechtskräftig. Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Mannes abgewiesen. Dieser hatte seine Freundin derart geschlagen, dass sie am Folgetag im Spital verstarb. (Urteil 6B_88/2024)
Abstract
BGer – Ein Richter des Bezirksgerichts Zürich darf definitiv nicht mehr über Klimaschützer urteilen. Das Bundesgericht hat ihn für befangen erklärt. Er habe sich mit ihnen solidarisiert. Richter müssten aber unvoreingenommen sein. (Urteil 7B_601/2023)
Abstract
BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde von drei Telekommunikationsunternehmen gegen das Baureglement der Gemeinde Sufers GR teilweise abgewiesen. Mit diesem Entscheid präzisiert es die Kompetenzen von Gemeinden in diesem Bereich. (Urteil 1C_547/2022)
Abstract
BVGer – Das Bundesamt für Strassen (Astra) darf die Kosten für die Sanierung der Fussgängerbrücke Rütihard über der Autobahn nicht vollumfänglich auf die Gemeinde Muttenz BL überwälzen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Die Sache geht nun zur Berechnung der jeweiligen Anteile zurück an den Bund. (Urteil A-3793/2022)
Abstract
BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde eines Konsortiums gegen eine Ausschreibung von Arbeiten für die Infrastruktur des neuen SBB-Werks in Arbedo-Castione gutgeheissen. Laut Informationen der SBB hat der Entscheid keine Auswirkungen auf den Zeitplan der Bauarbeiten. (Urteil B-6847/2023)
Abstract
Das Impulsprogramm des Bundes zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung soll bis Ende 2026 verlängert werden. Der Bundesrat hat sich an seiner Sitzung vom 24. April 2024 für die parlamentarische Initiative 23.478 «Verlängerung der Bundesbeiträge an die familienergänzende Kinderbetreuung bis Ende des Jahres 2026» der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats ausgesprochen. In seiner Stellungnahme erachtet der Bundesrat die Verlängerung als vertretbar, da die Dauer der Befristung kurz und angemessen ist.
Abstract
Der Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf bei der alternierenden Obhut: Die geltende Gesetzgebung ist ausreichend. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in einem Bericht, den er an seiner Sitzung vom 24. April 2024 gutgeheissen hat. Die meisten Eltern können sich nach einer Trennung oder Scheidung über die Aufteilung der Kinderbetreuung einigen. Wie diese Aufteilung aussieht, hängt primär von den familiären Rahmenbedingungen und Lebensumständen ab.
Abstract
Anleger von Anlagestiftungen können ab dem 1. Juli 2024 virtuelle Anlegerversammlungen abhalten. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 24. April 2024 eine entsprechende Verordnungsänderung beschlossen. Für die virtuellen Versammlungen der Anlagestiftungen gelten dieselben Bestimmungen wie für Aktiengesellschaften bei der Durchführung von Generalversammlungen.
Abstract
Swisscom hat mit ihrer geänderten Netzbaustrategie Konkurrentinnen den Zugang zum Glasfasernetz verunmöglicht und damit gegen Kartellrecht verstossen. Die WEKO sanktioniert Swisscom dafür mit rund 18 Mio. Franken und macht Auflagen zum Bau des Netzes.
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