Liebe Leser*innen
Mit dem per 1. Januar 2024 revidierten Art. 231 Abs. 2 StPO und damit der Sicherheitshaft und deren Fortsetzung nach dem erstinstanzlichen Urteil befassen sich Daniel Jositsch und Arik Röthlisberger: Sie diskutieren die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR und untersuchen, wie der revidierte Artikel vor diesem Hintergrund auszulegen und zukünftig anzuwenden ist.
Fabia Stöcklin widmet sich dem «Milchschäumerentscheid» und der seither ergangenen Rechtsprechung – und damit der Praxis zur Lizenzanalogie (einer Methode, den Schaden im Immaterialgüterrecht zu berechnen). Angesichts der Verschärfung der Praxis durch besagten Entscheid würdigt sie die aktuelle Situation zum Nachweis eines Schadens im Immaterialgüterrecht kritisch und sieht als mögliche Lösung eine Gesetzesanpassung.
Die Anfangsmietzinsanfechtung schliesslich ist Gegenstand der Urteilsbesprechungen von Boris Grell, der sich vom «Samichlausentscheid» vom 6. Dezember 2012 ausgehend zwei neueren Bundesgerichtsentscheiden zuwendet, die Ersteren konkretisieren, welche Indizien seitens Vermieter*in eingebracht werden müssen, um die vermutete Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses zu widerlegen.
Zudem gibt es neu den im Jusletter vom 27. Mai 2024 publizierten Artikel von Stéphanie Beuriot, Valérie Junod und Carole-Anne Baud zur Suizidhilfe und der von ihnen untersuchten Frage, ob das Strafgesetzbuch in seiner jetzigen Form ausreicht, auch auf Deutsch übersetzt.
Wir wünschen eine anregende und interessante Lektüre!
Editions Weblaw
PS in eigener Sache: Herzlichen Dank für die bisherigen wertvollen Inputs in unserer Abonnent*innen-Umfrage. Machen auch Sie bei unserer Umfrage mit und lassen Sie uns wissen, zu welchen Themen und Inhalten Sie zukünftig gern mehr in Jusletter lesen würden.
Abstract
Im Rahmen der jüngsten Revision der StPO hat die Bundesgesetzgebung unter anderem auch den Art. 231 Abs. 2 aStPO überarbeitet. In dem vorliegenden Beitrag wird zuerst auf die frühere bundesgerichtliche Rechtsprechung, das Urteil des EGMR in Sachen I.S. gegen die Schweiz und die im Zug der Revision angestellten Erwägungen eingegangen. Danach wird unter Berücksichtigung derselben untersucht, wie Art. 231 Abs. 2 StPO, der seit dem 1. Januar 2024 in Kraft steht, auszulegen und anzuwenden ist. Die auf der Untersuchung gründenden Erkenntnisse werden schliesslich in einem Fazit zusammengefasst.
Abstract
Die Lizenzanalogie diente ursprünglich als Schadenberechnungsmethode, welche es dem Inhaber eines Immaterialgüterrechts erlaubte, seinen konkret kaum nachweisbaren Schaden abstrakt als entgangenen Gewinn im Sinne eines nicht abgeschlossenen Lizenzvertrags zu berechnen. Im Jahr 2005 hat das Bundesgericht im sogenannten «Milchschäumerentscheid» die bisher geltende Praxis zur Lizenzanalogie erheblich verschärft. Der folgende Beitrag analysiert die Konsequenzen dieses Entscheids anhand der seither ergangenen Rechtsprechung.
Abstract
In der Schweiz wird die Beihilfe zum Suizid hauptsächlich durch Art. 115 des Strafgesetzbuches erfasst. Darüber hinaus wird die Strafbestimmung durch zahlreiche gesetzgeberische oder normative «Schichten» ergänzt. Diese werden hier zusammengefasst und analysiert, wobei nacheinander das MedBG, das HMG, das BetmG und das kantonale Recht untersucht werden. Wir untersuchen auch die Berichte, die von den Schweizer Sterbehilfeorganisationen zur Verfügung gestellt wurden. Am Ende unserer Analyse kommen wir zu dem Schluss, dass die derzeitige Regelung auf der Grundlage des Strafgesetzbuches ausreichend ist.
Abstract
Das Bundesgericht hat in seinem aktuellen Entscheid weitere Klarheit geschaffen, welche Indizien die Vermieterschaft in das Gerichtsverfahren einbringen kann und mit welchem Prüfungsmassstab die Gerichte diese Indizien würdigen müssen, damit die Vermieterschaft eine bloss vermutete Missbräuchlichkeit eines angefochtenen Anfangsmietzinses erschüttern kann. Damit wird indirekt und zugunsten der Vermieterschaft auch endlich die praxisferne Rechtsprechung des Bundesgerichts in BGE 139 III 13 relativiert, die – wegen des Urteilsdatums vom 6. Dezember 2012 – als «Samichlausentscheid» für andauerndes Kopfschütteln in der Immobilienbranche sorgte.
Abstract
BGer – Die Zürcher Behörden und die Justiz haben eine 2008 geschlossene Ehe zwischen einem Kosovaren und einer Schweizerin mit Wurzeln in Brasilien als Scheinehe qualifiziert – ohne die Betroffenen mündlich zu befragen. Dies muss das Zürcher Verwaltungsgericht nun nachholen. (Urteil 2C_343/2023)
Abstract
BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines Mannes teilweise gutgeheissen, der eine später bei einem Raubüberfall verwendete Waffe verkauft hatte. Die Aargauer Vorinstanz begründete die Verurteilung wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht ausreichend. (Urteil 6B_885/2023)
Abstract
BGer – Eine Beschwerde im Zusammenhang mit der Vermietung von Business Apartments in der Stadt Zürich erhält aufschiebende Wirkung. Das Bundesgericht hat das entsprechende Begehren von vier Beschwerdeführern gutgeheissen. (Verfügung 1C_401/2024)
Abstract
BGer – Das Bundesgericht hat das Zürcher Migrationsamt zurückgepfiffen: Eine türkische Mutter erhält nun doch noch eine Aufenthaltsbewilligung. Ausser einer «restriktiven Einwanderungspolitik» gebe es keinen Grund, die Frau von der Schweiz fernzuhalten. (Urteil 2C_273/2023)
Abstract
BGer – Der Verdächtige im Fall des Brands eines Bauernhofs in Bottens VD im Dezember 2023 wird nicht aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Bundesgericht stützt die Sicht der Waadtländer Justiz, wonach ein grosses Risiko für die Wiederholung einer vergleichbaren Tat besteht. Beim Brand wurden ein Angestellter und 400 Rinder getötet. (Urteil 7B_716/2024)
Abstract
BGer – Der Ausbau der Schaffhauserstrasse im Hardwald bei Bülach kann wie geplant weitergeführt werden. Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines unterlegenen Mitbieters gegen die Vergabe der Arbeiten abgewiesen. (Urteil 2C_512/2023)
Abstract
BGer – Das Bundesgericht hat die Landesverweisung für einen in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Italiener aufgehoben und zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Der heute 52-jährige Mann wurde vom Zürcher Obergericht wegen mehrfacher Schändung und mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind verurteilt. (Urteil 6B_855/2023)
Abstract
BGer – Bei einem über 80 Jahre alten Mann wurde zu Recht eine Untersuchung der Fahreignung angeordnet. Dies ist laut Bundesgericht nicht aufgrund des Alters geschehen. Grund dafür war das nicht erklärbare Verhalten des Seniors, der nach einer Kollision mit einem parkierten Auto die Fahrt zu seinem Zahnarzttermin fortsetzte. (Urteil 1C_434/2023)
Abstract
BGer – Wer sich wegen Interventionen von privaten Akteuren im Wahlkampf beschweren will, kann die Bekanntgabe des Wahlresultats abwarten. Die im konkreten Fall erhobene Beschwerde im Zusammenhang mit kritischen Medienberichten über einen Kandidaten für die Genfer Staatsratswahlen 2023 weist das Bundesgericht ab. (Urteil 1C_266/2023)
Abstract
BGer – Die Zürcher Justiz hat die von «Brian» geforderte Genugtuung für die rechtswidrigen Haftbedingungen während 20 Tagen Einzelhaft im Jahr 2017 mit 50 CHF pro Tag zu tief angesetzt. Das Bundesgericht heisst seine Beschwerde teilweise gut. Die Sache wird zu neuem Entscheid ans Zürcher Obergericht zurückgewiesen. (Urteil 2C_900/2022)
Abstract
BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde von 22 Personen gegen den Neubau einer Mobilfunkanlage in Kreuzlingen TG gutgeheissen. Die Behörden gingen davon aus, dass sich die für das Projekt vorgesehene Parzelle im Baugebiet befindet. Dem ist jedoch nicht so. (Urteil 1C_22/2023)
Abstract
BGer – Das Bundesgericht hat eine Beschwerde des russischen Oligarchen Semjon Winokurow abgewiesen. Winokurow ist der Schwiegervater der Tochter des russischen Aussenministers Sergej Lawrow. Er ist zu 50 Prozent an der Genfer Pharmafirma Genfa Global beteiligt. Mit seinem Partner liegt er seit Jahren im Streit. (Urteil 4A_508/2023)
Abstract
BStGer – Die Schweiz darf der Ukraine in einem Strafverfahren wegen Veruntreuung und Amtsmissbrauchs Rechtshilfe leisten. Dies hat die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts entschieden. Ein Guthaben von rund 3 Millionen Euro eines Beschuldigten auf einem Schweizer Bankkonto wird blockiert und die Bankdaten werden weitergeleitet. (Entscheid RR.2024.6)
Abstract
Die Versorgung mit oralen Opioiden hat sich in der Schweiz stabilisiert. Zudem konnten die Lagerbestände der Pflichtlager aufgefüllt werden. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) hebt deshalb die Verordnung über die Freigabe der Opioide-Pflichtlager per 1. August 2024 auf.
Abstract
Das neue bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Indonesien ist am 1. August 2024 in Kraft getreten. Die eidgenössischen Räte haben dem Abkommen im Dezember 2023 zugestimmt. Das Abkommen schliesst die Vertragslücke, welche seit dem Ausserkrafttreten des früheren Abkommens im Jahr 2016 bestand.
Abstract
Im ersten Halbjahr 2024 war die Zuwanderung in die Schweiz leicht rückläufig, während die Auswanderung zunahm. Die Nettozuwanderung in die ständige ausländische Wohnbevölkerung ging gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 um 6'237 Personen auf 40'963 Personen zurück. Die meisten Personen kamen in die Schweiz, um zu arbeiten. Ende Juni 2024 lebten 2'338'710 Ausländerinnen und Ausländer dauerhaft in der Schweiz.
Abstract
Die Rechtsprechungsübersicht führt die zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteile des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. Mai bis und mit 16. Juli 2024 sowie die Urteile des EGMR mit Beteiligung der Schweiz auf. Neben Dossiernummer, Urteilsdatum, Abteilung/Kammer, Prozessgegenstand und Vorinstanz wird ein Hyperlink zum Originalentscheid und – sofern vorhanden – zur jeweiligen Mitteilung bzw. Besprechung in Jusletter und im dRSK wiedergegeben.
Jusletter