Liebe Leserinnen und Leser
 
Es freut uns sehr, Ihnen mit dieser Jusletter Schwerpunkt-Ausgabe eine breite Auswahl von Beiträgen zu verschiedenen Aspekten des Gesundheitsrechts vorstellen zu dürfen.
 
Eine Reihe von Beiträgen beschäftigt sich mit aktuellsten sozialversicherungsrechtlichen Fragen, die je einen engen Bezug zum Gesundheitsrecht aufweisen. Der Beitrag von David Ionta ist einer Übersicht über die am 1. Januar 2017 in Kraft getretene 1. UVG-Revision gewidmet. Ebenfalls mit unfallversicherungsrechtlichen Fragen beschäftigen sich Stéphanie Perrenoud, die anhand eines aktuellen Bundesgerichtsentscheids den unfallversicherungsrechtlichen Begriff des Zahnschadens erläutert, sowie Jean-Louis Duc, der sich mit der Übernahme der Behandlungskosten von Invalidenrentnern der Unfallversicherung beschäftigt. Der immer wieder aufkommenden Diskussion rund um die Kostenübernahmepflicht von sehr teuren Medikamenten in der Krankenversicherung widmen sich schliesslich Dominik und Felix H. Sennhauser. Auch sie nehmen eine jüngst entschiedene Rechtsstreitigkeit zum Anlass für ihre Ausführungen.
 
Rechtsfragen rund um Entscheidungen am Lebensende gehören zu den zentral behandelten Gegenständen des Medizin- und Gesundheitsrechts. Auch in der aktuellen Ausgabe finden sich gleich zwei Beiträge hierzu: Stefanie Haussener fasst in ihrem Beitrag die Ergebnisse ihrer jüngst erschienenen Dissertation hierzu zusammen. Christian Crocetta dagegen stellt einen belgischen Entscheid zur aktiven Sterbehilfe an einem Minderjährigen vor. Die deutlich andere Akzentsetzung in der ausländischen Diskussion dieser Fragen vermag gegebenenfalls auch die schweizerische Auseinandersetzung zu befruchten.
 
In Ergänzung zum Beitrag von Valérie Junod (Dommages causés par des médicaments dans le cadre de recherches médicales, in: Jusletter 17. Oktober 2016) äussert sich nun auch Franziska Sprecher kritisch zum Urteil des Bundesgerichts vom 27. Juni 2016, konkret zur Aufklärung über die Deckung von Schäden bei der Forschung mit Versuchspersonen.
 
Der Beitrag von Coralie Tavel behandelt die Informationspflicht des Anbieters von direct-to-consumer Gentests unter dem Gesichtspunkt des Vorentwurfs zum GUMG und unterzieht die vorgesehenen Neuerungen einer kritischen Würdigung.
 
Neben der – zur Tradition gewordenen – aktuellen Bibliographie gesundheitsrechtlicher Entscheide und Publikationen findet sich zudem eine Rezension der Festgabe zum schweizerischen Juristentag 2016, die, wie der Juristentag selbst, dem Gesundheitsrecht gewidmet war.
 
Auch im Namen des Institut de droit de la santé (IDS) der Universität Neuenburg und meiner Kollegen und Redaktionsmitglieder, wünsche ich Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre.
 
Prof. Dr. Thomas Gächter
Universität Zürich
Redaktor Jusletter 
 
Wissenschaftliche Beiträge
Entscheidungen am Lebensende im Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdbestimmung, Patientenwillen und -wohl
Stefanie Haussener
Stefanie Haussener
Das Thema, dem sich dieser Beitrag zuwendet, ist in seiner existenziellen Bedeutung für alle von uns nicht hoch genug zu werten: Die Frage danach, wer über das Lebensende eines Menschen bestimmen darf und wie eine solche Entscheidung getroffen werden soll. Entscheidungsprozesse bei Urteilsunfähigkeit eines Patienten stellen Betroffene und Beteiligte vor besondere Herausforderungen, weshalb diese im Fokus der Betrachtung stehen. Nach einer kritischen Gegenüberstellung von Rechtslage und Realität im Kontext von Lebensendentscheidungen werden Anregungen für die Weiterentwicklung von rechtlicher Regelung und medizinischer Praxis präsentiert.
Entscheidungen am Lebensende im Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdbestimmung, Patientenwillen und -wohl
Stefanie Haussener
Stefanie Haussener
Das Thema, dem sich dieser Beitrag zuwendet, ist in seiner existenziellen Bedeutung für alle von uns nicht hoch genug zu werten: Die Frage danach, wer über das Lebensende eines Menschen bestimmen darf und wie eine solche Entscheidung getroffen werden soll. Entscheidungsprozesse bei Urteilsunfähigkeit eines Patienten stellen Betroffene und Beteiligte vor besondere Herausforderungen, weshalb diese im Fokus der Betrachtung stehen. Nach einer kritischen Gegenüberstellung von Rechtslage und Realität im Kontext von Lebensendentscheidungen werden Anregungen für die Weiterentwicklung von rechtlicher Regelung und medizinischer Praxis präsentiert.
Urteilsbesprechungen
La notion d’accident dentaire – quelques considérations à la lumière de l’arrêt du Tribunal fédéral 8C_53/2016 du 9 novembre 2016
Stéphanie Perrenoud
Stéphanie Perrenoud
Das Bundesgericht wird regelmässig angerufen, über den unfallbedingten Charakter von Zahnschäden, die während der Nahrungsaufnahme auftreten, zu entscheiden. Zuletzt galt es festzustellen, ob eine Zahnschädigung aufgrund des Kontakts mit einem Sandkorn oder einem kleinen Kieselstein im Innern einer Morchel, als unfallbedingt gilt oder nicht. Falls die Richter diese Frage verneint haben, bietet dieses Urteil eine Gelegenheit den Begriff des Zahnunfalls zu überdenken – insbesondere bezüglich der aussergewöhnlichen Natur des Ursprungs der Verletzung und den spezifischen Anforderungen an die Beweismittel. (sts)
Beiträge
Révision de la loi fédérale sur l’assurance-accidents : résumé et commentaires des modifications les plus importantes
David Ionta
David Ionta
Seit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1984 hat das Bundesgesetz über die Unfallversicherung, im Gegensatz zu den Gesetzen der meisten anderen Sozialversicherungen, keine grundlegende Änderung erfahren. Nach heftigen Kontroversen zwischen 2008 und 2010 in der Kommission des Nationalrates und Rückweisung des Revisionsentwurfs an den Bundesrat im Frühjahr 2011 wurde die Revision des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung in der Schlussabstimmung am 25. September 2015 in beiden Räten angenommen. Der Beitrag zeigt einige der wichtigsten Änderungen im Gesetz und in der Verordnung auf, die am 1. Januar 2017 in Kraft getreten sind. (bak)
Hospitalisation dans l'assurance-accidents obligatoire
Jean-Louis Duc
Jean-Louis Duc
Das Bundesgericht hat mit Urteil 26. Oktober 2016 seine Rechtsprechung bestätigt, wonach Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung – gegen den Wortlaut des UVG und im Gegensatz zum Gesetz immer – zeitlich zu begrenzen sind, wenn im Fall einer Hospitalisierung und neben einer Rentenleistung eine Hilflosenentschädigung an einen hospitalisierten Versicherten bezahlt wird. (bak)
Kostenübernahmepflicht bei teuren Arzneimitteln
Dominik Sennhauser
Dominik Sennhauser
Felix H. Sennhauser
Felix H. Sennhauser
Mit Urteil 9C_730/2015 vom 16. September 2016 schützte das Bundesgericht eine Klage des Kantonsspitals St. Gallen gegen die KPT und verpflichtete diese, als Grundversicherung die Kosten für die Behandlung mit dem Arzneimittel Myozyme© zu übernehmen. Die Kosten belaufen sich auf rund CHF 370‘000 während der ersten zwölf Monate der Behandlung. Die Autoren beleuchten in Bezug auf die Kostentragungspflicht der Grundversicherungen die rechtliche Situation de lege lata, werfen aber auch volkswirtschaftliche und gesellschaftspolitische Fragen bezüglich der Kostentragungspflicht bei teuren Arzneimitteln auf.
Euthanasie active sur un mineur : quels droits sont-ils en jeu ?
Christian Crocetta
Christian Crocetta
In Belgien wurde 2014 die Möglichkeit der Sterbehilfe auf Minderjährige ausgeweitet. Dies hat «bio-juristischen Überlegungen» über die Bedürfnisse und Rechte welche auf dem Spiel stehen, geweckt. Gibt es im eigentlichen Sinn ein «Recht auf Sterben»? Oder sollte nicht das Bedürfnis/das Recht des Kranken nicht zu leiden und nicht in den letzten Momenten seines Lebens alleine gelassen zu werden, im Vordergrund stehen? (sts)
Forschung mit Versuchspersonen – Aufklärung über die Deckung von Schäden
Franziska Sprecher
Franziska Sprecher
Der Beitrag befasst sich mit den Anforderungen an die Aufklärung von Versuchspersonen über die Deckung von Schäden bei Forschungsvorhaben. Ausgangspunkt ist das Urteil 4A_549/2015 des Bundesgerichts vom 27. Juni 2016, in welchem es die Genugtuungsforderung eines Mannes ablehnte, der als Teilnehmer an einer Medikamentenstudie bleibende Lähmungen erlitt. Neben der Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Forschung mit Personen, will der Beitrag das Bewusstsein für die Besonderheiten des Arzt-Patienten-Verhältnisses im Rahmen von Forschungsvorhaben wecken und regt die Verbesserung der Humanforschungsgesetzgebung und weitere Massnahmen an.
Informationspflicht des Anbieters von direct-to-consumer Gentests nach dem Vorentwurf zum GUMG
Coralie Tavel
Coralie Tavel
Der Beitrag befasst sich mit der Informationspflicht des Anbieters von direct-to-consumer Gentestes (DTC GT) unter dem Gesichtspunkt des Vorentwurfes zum Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (VE-GUMG). Hierbei erfolgt aufgrund einer geplanten Erweiterung der Zulassung von DTG GT eine Darstellung des vorgeschlagenen Rechtsrahmens.
Kostenübernahmepflicht bei teuren Arzneimitteln
Dominik Sennhauser
Dominik Sennhauser
Felix H. Sennhauser
Felix H. Sennhauser
Mit Urteil 9C_730/2015 vom 16. September 2016 schützte das Bundesgericht eine Klage des Kantonsspitals St. Gallen gegen die KPT und verpflichtete diese, als Grundversicherung die Kosten für die Behandlung mit dem Arzneimittel Myozyme© zu übernehmen. Die Kosten belaufen sich auf rund CHF 370‘000 während der ersten zwölf Monate der Behandlung. Die Autoren beleuchten in Bezug auf die Kostentragungspflicht der Grundversicherungen die rechtliche Situation de lege lata, werfen aber auch volkswirtschaftliche und gesellschaftspolitische Fragen bezüglich der Kostentragungspflicht bei teuren Arzneimitteln auf.
Euthanasie active sur un mineur : quels droits sont-ils en jeu ?
Christian Crocetta
Christian Crocetta
In Belgien wurde 2014 die Möglichkeit der Sterbehilfe auf Minderjährige ausgeweitet. Dies hat «bio-juristischen Überlegungen» über die Bedürfnisse und Rechte welche auf dem Spiel stehen, geweckt. Gibt es im eigentlichen Sinn ein «Recht auf Sterben»? Oder sollte nicht das Bedürfnis/das Recht des Kranken nicht zu leiden und nicht in den letzten Momenten seines Lebens alleine gelassen zu werden, im Vordergrund stehen? (sts)
Forschung mit Versuchspersonen – Aufklärung über die Deckung von Schäden
Franziska Sprecher
Franziska Sprecher
Der Beitrag befasst sich mit den Anforderungen an die Aufklärung von Versuchspersonen über die Deckung von Schäden bei Forschungsvorhaben. Ausgangspunkt ist das Urteil 4A_549/2015 des Bundesgerichts vom 27. Juni 2016, in welchem es die Genugtuungsforderung eines Mannes ablehnte, der als Teilnehmer an einer Medikamentenstudie bleibende Lähmungen erlitt. Neben der Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Forschung mit Personen, will der Beitrag das Bewusstsein für die Besonderheiten des Arzt-Patienten-Verhältnisses im Rahmen von Forschungsvorhaben wecken und regt die Verbesserung der Humanforschungsgesetzgebung und weitere Massnahmen an.
Hospitalisation dans l'assurance-accidents obligatoire
Jean-Louis Duc
Jean-Louis Duc
Das Bundesgericht hat mit Urteil 26. Oktober 2016 seine Rechtsprechung bestätigt, wonach Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung – gegen den Wortlaut des UVG und im Gegensatz zum Gesetz immer – zeitlich zu begrenzen sind, wenn im Fall einer Hospitalisierung und neben einer Rentenleistung eine Hilflosenentschädigung an einen hospitalisierten Versicherten bezahlt wird. (bak)
Rezension
Rezension: Réflexions romandes en droit de la santé
Thomas Gächter
Thomas Gächter
Der Juristentag 2016 in Crans-Montana war dem Thema «Der Mensch, seine Gesundheit und das Recht» gewidmet, d.h. dem Gesundheitsrecht im weiteren Sinn. Die Festgabe zu diesem Juristentag stammt diesmal nicht etwa (nur) von Juristinnen und Juristen des Gastgeberkantons (Wallis), sondern gleich von der ganzen Romandie. Die von Anne-Sylvie Dupont und Olivier Guillod sowie dem Neuenburger Institut du droit de la Santé (IDS) offerierte Festgabe vereint Beiträge aus der ganzen Westschweiz und beeindruckt sowohl durch die Breite wie auch die Tiefe der Themenbearbeitung.
Bibliografie
Bibliografie der jüngsten Publikationen im Gesundheitsrecht
Charlotte Boulay
Charlotte Boulay
Nathalie Brunner
Nathalie Brunner
Frédéric Erard
Frédéric Erard
Olivier Guillod
Olivier Guillod
Laura Amey
Laura Amey
Cédric Baume
Cédric Baume
Ekaterina Kastrati
Ekaterina Kastrati
Daniel Kraus
Daniel Kraus
Anaïs Rossi
Anaïs Rossi
Dominique Sprumont
Dominique Sprumont
Songül Yavavli
Songül Yavavli
Diese Rubrik gibt Hinweise auf Neuerscheinungen im Gesundheitsrecht. Sie wird auf Grund von nahezu hundert juristischer und medizinischer Zeitschriften aus der Schweiz und dem Ausland zusammengestellt. Diese Nummer umfasst grundsätzlich die Periode vom 30. Juni 2016 bis zum 19. Dezember 2016.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Schweiz hat mit Wegweisung eines Tamilen Folterverbot verletzt
Jurius
Jurius
EGMR – Die Schweiz hat mit der Ausschaffung eines Tamilen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgehaltene Folterverbot gemäss Artikel 3 verletzt. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden. (Urteil 16744/14)
Aus dem Bundesgericht
Bordell kann gebaut werden
Jurius
Jurius
BGer – Der im Zürcher Seefeld geplante Sexclub kann gebaut werden. Das Bundesgericht hat Beschwerden gegen die vorgesehene Umnutzung bisheriger Büroräumlichkeiten zu 14 Zimmern, einem Barbereich, einer Lounge und einem Wellnessbereich abgewiesen. (Urteil 1C_283/2016)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Geschwindigkeit auf 100 km/h begrenzt
Jurius
Jurius
BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde mehrerer Bürgerinnen und Bürger abgewiesen, mit welcher sie eine Erhöhung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf dem Abschnitt der N13 zwischen Bellinzona Nord und Roveredo Sud erreichen wollten. (Urteil A-6362/2015)