Schwerpunkt-Ausgabe «Kartellrecht»
Liebe Leserinnen und Leser
Nach dem In-Kraft-Treten der revidierten Bestimmungen am 1. April 2004 und dem Ablauf der Übergangsfrist am 31. März 2005 strebt das schweizerische Kartellrecht und dessen Anwendung durch die Wettbewerbsbehörden wieder dem «courant normal» zu. Dieser pendelt sich jedoch mit der Einführung von direkten Sanktionen (für unzulässige harte Kartelle und Missbräuche marktbeherrschender Unternehmen) und der Bonusregelung (Belohnung für die Aufdeckung eines Kartells in Form einer verminderten Sanktion) auf wesentlich höherem Niveau ein. Das schweizerische Kartellrecht und die den Behörden zur Verfügung gestellten Instrumente sind nun auf gleicher Höhe wie die entsprechenden Rechtsordnungen unserer Nachbarstaaten und der EU. Die präventive Wirkung des Kartellgesetzes hat massiv zugenommen. Dies wurde von der internationalen Kartellrechts-Community (ICN, OECD, etc.) denn auch lobend zur Kenntnis genommen.
Je komplexer der zu normierende Vorgang ist, desto schwieriger ist es für den Gesetzgeber, eine einfache und klare Gesetzesformulierung zu finden, die in der Umsetzung durch die zuständige Behörde keine Fragen mehr offen lässt. Dies zeigt sich auch bei den im Kartellgesetz zu normierenden wirtschaftlichen Vorgängen. Die neuen und revidierten Bestimmungen im Kartellgesetz lassen viele Fragen offen und bedürfen der Auslegung. Sie haben in ihrer praktischen Anwendung zudem (nicht vorgesehene) Wirkungen auf andere Rechtsinstitute oder werfen diesbezügliche Fragen auf, die der Gesetzgeber nicht vorhergesehen und deshalb nicht beantwortet hat.
Die vorliegende Schwerpunkt-Ausgabe ist zu einem wesentlichen Teil dem Ziel gewidmet, einige dieser noch offenen Fragen zu beantworten oder mindestens Anhaltspunkte einer Antwort zu liefern. Dies betrifft sowohl verfahrensrechtliche (siehe die Beiträge von Patrick Sommer, Christian Brauchlin und Stefan Brunnschweiler/Marquard Christen) sowie materielle Fragestellungen (siehe die Beiträge von Marcel Meinhardt, Stefan Renfer und Christoph Tagmann/Beat Zirlick). Neben diesen direkt oder indirekt mit der Revision von 2003 verbundenen Beiträgen behandeln weitere Autorinnen und Autoren aktuelle und wichtige Fragen aus dem kartellrechtlichen «Alltag»: Alain Raemy/Monique Luder behandeln Abgrenzungskriterien zwischen horizontalen und vertikalen Abreden, Jürg Simon/Roland Fischer beurteilen Nichtangriffsklauseln in Marken- und Patentlizenzverträgen aus kartellrechtlicher Sicht und Silvio Venturi/Pascal G. Favre äussern sich zur Beschwerdelegitimation Dritter im Zusammenschlussverfahren.
Den Autorinnen und Autoren danke ich herzlich für ihre spannenden und wertvollen Beiträge. Den geschätzten Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Vergnügen bei der Lektüre.
Dr. Patrik Ducrey
Rechtsanwalt, Stv. Direktor und Leiter Dienst Infrastruktur im Sekretariat der Wettbewerbskommission, Lehrbeauftragter für schweizerisches und europäisches Kartellrecht an der Universität Bern. Leiter Jusletter-Ressort «Wettbewerbsrecht».