Liebe Leserinnen und Leser
 
Marken sind überall um uns herum. Als Konsumenten erkennen wir an der Marke das Produkt, haben vertrauen, identifizieren uns über die Marke mit einem Produkt. Jede Marke aber, die geschützt werden will, muss sich in der Schweiz einer Prüfung durch das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) unterziehen.
 
Die Frage der Geltung des Grundrechts der Rechtsgleichheit im Markenprüfungsverfahren scheint zentral. Trotz gewisser rechtlicher Unterschiede zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten ähneln sich die Probleme, die sich bei dieser Thematik stellen. Philipp Dannacher kommt nach einer Darstellung der Grundlagen und Würdigung der Rechtsprechung und Lehre zum Schluss, dass den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zur Rechtsanwendungsgleichheit bisher keine volle Beachtung geschenkt wurde.
 
Dr. David Rüetschi plädiert für eine Praxisänderung hinsichtlich der Folgen einer Verletzung der unverzüglichen Geltendmachung eines Aus­stands­begehrens anlässlich der zum 1. Januar 2011 in Kraft tretenden ZPO. Zu den Sanktionen bei verspätetem Stellen des Ausstands­begehrens sagt das Gesetz nämlich nichts. Die Praxis des Bundesgerichts zum geltenden Recht – Annahme einer Verwirkung – steht nach Ansicht des Autors im Widerspruch zu allgemein anerkannten prozessualen Grundsätzen und sollte vom Bundesgericht überdacht werden.
 
Durch Art. 7 der neuen ZPO können Kantone Streitigkeiten im Bereich der Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung einer einzigen kantonalen Instanz übertragen. Ueli Spitz erklärt, wie die Wahrnehmung dieser Möglichkeit in der Praxis funktionieren sollte und widmet sich insbesondere der Frage, ob einem solchen Verfahren ein Schlichtungsverfahren vorangehen muss.
 
Ebenfalls am 1. Januar 2011 tritt das revidierte Lugano Übereinkommen (LugÜ) in Kraft. Steht schweizerischen Verkehrsopfern nach einem Unfall im europäischen Ausland demnächst ein Gerichtstand an ihrem schweizerischen Wohnsitz zur Verfügung? Können schweizerische Motorfahrzeughaftpflichtversicherer von Verkehrsopfern im europäischen Ausland an deren Wohnsitz verklagt werden – unabhängig vom Unfallort? Patrik Eichenberger erklärt die Konsequenzen der Übertragung der Odenbreit-Praxis des EuGH auf das LugÜ.
 
Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 8. September 2010 aus Datenschutzgründen das Sammeln von IP-Adressen vermeintlicher Raubkopierer unterbunden (Logistep-Urteil). Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Recht­fertigungs­grundes für die festgestellte Verletzung der Daten­bearbeitungs­grundsätze wurden die Persönlichkeitsrechte der Anschlussinhaber höher als die Interessen der Urheberrechtsinhaber gewichtet. Dr. Andreas Glarner und Karin Rüfenacht betrachten die Urteilsbegründung kritisch und diskutieren möglich Auswirkungen.
 
Laut dem Entscheid des Bundesgerichts vom 8. Juni 2010 sollen Ehegatten, die Mitmieter sind, auch gemeinsam eine Mietzinserhöhung anfechten müssen. Prof. Dr. Laurent Bieri und Prof. Dr. Philippe Meier widmen sich der Frage der analogen Anwendung des Art. 273a OR auf die Anfechtung der Mietzinnserhöhung, prüfen die Problematik der Vertretung der ehelichen Gemeinschaft nach Art. 166 ZGB und kommen letztlich zu einem anderen Ergebnis als das Bundesgericht.
 
Dies ist die letzte Ausgabe von Jusletter im Jahr 2010. Wir bedanken uns herzlichst für Ihre Treue und wünschen Ihnen schöne Feiertage und einen guten Start in das Jahr 2011. Die erste Ausgabe im neuen Jahr erscheint am 10. Januar 2011.
 
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.
 
   
Simone Kaiser Sarah Montani
Leiterin Jusletter Mitinhaberin Weblaw AG
Wissenschaftliche Beiträge
Philipp Dannacher
Philipp Dannacher
Abstract

In dem Beitrag soll untersucht werden, welche Bedeutung dem Grundrecht der Rechtsgleichheit für das schweizerische Markenprüfungsverfahren zukommt. Trotz gewisser rechtlicher Unterschiede stellen sich dabei in der Schweiz ähnliche Probleme wie in den EU-Mitgliedstaaten. Der Autor kommt insbesondere zu dem Schluss, dass den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zur Rechtsanwendungsgleichheit in der markenrechtlichen Rechtsprechung und Lehre bisher keine volle Beachtung geschenkt worden ist.

David Rüetschi
David Rüetschi
Abstract

Die Schweizerische Zivilprozessordnung, die am 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, enthält in den Art. 47–51 auch eine Regelung zum Ausstand von Gerichtspersonen. Art. 49 ZPO verpflichtet dabei die Parteien, einen Ausstandsgrund «unverzüglich nach Kenntnis» geltend zu machen. Das Gesetz sagt freilich nicht, welche Sanktion eine Partei zu befürchten hat, wenn sie das Ausstandsbegehren verspätet stellt, wobei die Praxis des Bundesgerichts zum geltenden Recht in einem solchen Fall eine Verwirkung des Anspruchs annimmt. Der Beitrag legt dar, dass diese Praxis im Widerspruch zu allgemein anerkannten prozessualen Grundsätzen steht. Das Bundesgericht sollte deshalb das Inkrafttreten der ZPO zum Anlass nehmen, seine Praxis zu überdenken.

Urteilsbesprechungen
Andreas Glarner
Andreas Glarner
Karin Rüfenacht
Karin Rüfenacht
Abstract

Mit Urteil vom 8. September 2010 hat das Bundesgericht aus Datenschutzgründen das Sammeln von IP-Adressen vermeintlicher Raubkopierer unterbunden (Logistep-Urteil). Das Datenschutzgesetz sei anwendbar, da IP-Adressen zwar nicht generell, aber im konkreten Fall als Personendaten zu qualifizieren seien. Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes für die festgestellte Verletzung der Datenbearbeitungsgrundsätze wurden indes die Persönlichkeitsrechte der Anschlussinhaber höher als die Interessen der Urheberrechtsinhaber gewichtet. Die Autoren führen kritisch durch die Urteilsbegründung und diskutieren mögliche Auswirkungen.

Laurent Bieri
Laurent Bieri
Philippe Meier
Philippe Meier
Abstract

Laut dem Entscheid des Bundesgerichts vom 8. Juni 2010 (BGE 136 III 431) müssen Ehegatten, die Mitmieter sind, auch gemeinsam eine Mietzinserhöhung anfechten. Der Beitrag untersucht nun die Argumentation des Bundesgerichts, auf die sich der Entscheid stützt. Die Autoren widmen sich zuerst der Frage der analogen Anwendung des Art. 273a OR auf die Anfechtung der Mietzinnserhöhung und prüfen danach die Problematik der Vertretung der ehelichen Gemeinschaft nach Art. 166 ZGB. Sie gelangen in diesem Fall zu einem anderen Ergebnis als das Bundesgericht. (bb)

Beiträge
Ueli Spitz
Ueli Spitz
Abstract

Art. 7 der ab 1. Januar 2011 geltenden eidgenössischen ZPO ermöglicht es den Kantonen, Streitigkeiten im Bereich der Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung einer einzigen kantonalen Instanz zu übertragen. Wie erfolgt die Anwendung der ZPO-Bestimmungen, wenn die Kantone von dieser Möglichkeit Gebrauch machen? Der folgende Beitrag konzentriert sich insbesondere auf die Frage, ob solchen Verfahren ein Schlichtungsverfahren vorangehen muss.

Patrik Eichenberger
Patrik Eichenberger
Abstract

Am 1. Januar 2011 tritt das neue Lugano Übereinkommen in Kraft. Unter Geschädigtenvertretern und Haftpflichtversicherern dominiert eine Frage: Wird die Odenbreit-Praxis des EuGH auf das LugÜ übertragen? Falls ja, steht schweizerischen Verkehrsopfern nach einem Unfall im europäischen Ausland demnächst ein Gerichtstand an ihrem schweizerischen Wohnsitz zur Verfügung und die schweizerischen Motorfahrzeughaftpflichtversicherer können von Verkehrsopfern im europäischen Ausland an deren Wohnsitz verklagt werden – unabhängig vom Unfallort.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Jurius
Jurius
Abstract

EGMR – Die Schweiz soll drei Paare aus dem Kanton Waadt entschädigen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist der Ansicht, dass das Bundesgericht die prozessuale Waffengleichheit in einer Streitigkeit zwischen Eltern von Schülern und dem kantonalen Departement für Ausbildung nicht respektiert habe. (Urteil 12573/06) (bb)

Aus dem Bundesgericht
Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Die Dauer eines erfolglosen Asylverfahrens zählt laut Bundesgericht nicht als «ordnungsgemässer» Aufenthalt in der Schweiz. Ein Tamile, der 1992 in die Schweiz gekommen ist, muss deshalb ausreisen. Er hatte den Behörden seine «Zweitfamilie» in der Heimat verschwiegen. (BGE 2C_478/2010)

Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Die Westschweizer Anti-Tabak-Organisation Oxyromandie ist in ihrem Kampf gegen die TV-Übertragung des Basler Tennisturniers «Davidoff Swiss Indoors» vor Bundesgericht erfolglos geblieben. Das Gericht ist auf die Beschwerde gegen den UBI-Entscheid nicht eingetreten. (BGE 2C_844/2009)

Jurius
Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht hat die Verurteilung eines Physiotherapeuten wegen Schändung bestätigt. Er hatte zwei Unihockey-Spielerinnen während dem Massieren an die Scheide gegriffen. Laut dem Gericht waren sie bei den Übergriffen trotz Rückenlage wehrlos. (Urteil 6B_436/2010)

Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Jurius
Jurius
Abstract

BVGer – Das Raucher-Entwöhnungsmedikament «Champix» des US-Pharmamultis Pfizer kann laut Bundesverwaltungsgericht nicht auf Kosten der Krankengrundversicherung bezogen werden. Laut dem Gericht ist Nikotinabhängigkeit als solche keine Krankheit. (Urteil C-2979/2008)

Aus dem Bundesstrafgericht
Jurius
Jurius
Abstract

BStGer – Der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) bleibt es laut Bundesstrafgericht verwehrt, Vermögenswerte zu beschlagnahmen, um eine Nachforderung für hinterzogene Steuern sicherzustellen. Das Gericht hat die Beschwerde eines Ehepaars gutgeheissen. (Urteil BV.2010.56)

Medienmitteilungen
Jurius
Jurius
Abstract

Die Wettbewerbskommission büsst die SIX-Gruppe mit rund sieben Mio. Franken. Gemäss der Behörde hat das Gruppenunternehmen SIX Multipay seine dominante Stellung im Zahlungsverkehr mit Kredit- und Debitkarten missbraucht. Der Konzern weist den Vorwurf zurück.

Jurius
Jurius
Abstract

Die FINMA vereinheitlicht die drei bisherigen Geldwäschereiverordnungen und führt diese in einer einzigen Verordnung zusammen. Die neue Verordnung tritt per 1. Januar 2011 in Kraft. Sie richtet sich an alle Finanzintermediäre, die dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind und legt fest, wie die Finanzintermediäre die Bestimmungen zur Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung umsetzen müssen. Für die Umsetzung der neuen Bestimmungen sind Übergangsfristen vorgesehen.

Jurius
Jurius
Abstract

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat am 9. Dezember 2010 das Kreisschreiben Nr. 29 zum Kapitaleinlageprinzip bekannt gegeben.

Aus der Wintersession 2010
Jurius
Jurius
Abstract

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der in der Wintersession 2010 verabschiedeten Schlussabstimmungstexte. Die Vorlagen der Redaktionskommission sind im Format PDF abrufbar.

Jurius
Jurius
Abstract

Nachfolgend wird eine nach Tagen geordnete Auflistung der wichtigsten Entscheide des Parlaments in der Woche vom 13. Dezember bis 17. Dezember 2010 wiedergegeben.

Jurius
Jurius
Abstract

Das Volk wird nicht über die Notwendigkeit eines Bundesgesetzes gegen gefährliche Hunde abstimmen. Der Ständerat hat am 17. Dezember 2010 den damit verbundenen Verfassungsartikel mit 30 zu 3 Stimmen in der Schlussabstimmung abgelehnt. Der Nationalrat ist dem Ständerat mit 122 zu 54 gefolgt. (bb)

Jurius
Jurius
Abstract

Manche Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes sollen weiterhin nicht ans Bundesgericht weitergezogen werden können – auch dann, wenn es um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung geht. Der Nationalrat hat am 17. Dezember 2010 eine Motion aus dem Ständerat abgelehnt.

Jurius
Jurius
Abstract

Bis 2018 sollen 16'800 IV-Rentnerinnen und IV-Rentner wieder zurück in den Arbeitsmarkt finden. Der Nationalrat hat am 16. Dezember 2010 den ersten Teil der 6. IV-Revision durchberaten und gutgeheissen. Behinderten-Quoten für Unternehmen lehnte der Nationalrat ab.

Jurius
Jurius
Abstract

Die Verstümmelung der Genitalien von Frauen und Mädchen soll in der Schweiz ausdrücklich verboten werden. Der Nationalrat war sich einig, ein Signal zu setzen und hiess am 16. Dezember 2010 die nötigen Änderungen des Strafgesetzbuches mit 162 gegen 2 Stimmen gut.

Jurius
Jurius
Abstract

Der Ständerat hat sich am 16. Dezember 2010 für eine Bonussteuer ausgesprochen. Nach seinem Willen sollen Unternehmen künftig Boni über drei Millionen Franken versteuern müssen. In Verlustjahren sollen so hohe Boni zudem unzulässig sein.

Jurius
Jurius
Abstract

Es wird keinen Einheitssatz für die Mehrwertsteuer geben. Die Vorlage geht mit dem Auftrag an den Bundesrat zurück, ein System mit zwei Sätzen und Ausnahmen auszuarbeiten. Der Nationalrat erteilte der Regierung diesen Auftrag am 15. Dezember 2010 mit 106 zu 62 Stimmen.

Jurius
Jurius
Abstract

Die Kantone erhalten bei der Eindämmung des Zweitwohnungsbaus nicht mehr oder weniger freie Hand. Der Nationalrat ist am 15. Dezember 2010 mit 121 zu 53 Stimmen der Einigungskonferenz gefolgt. Nicht nur muss das Verhältnis von Erst- und Zweitwohnungen ausgewogen sein, es sind auch Massnahmen dazu zu ergreifen.

Jurius
Jurius
Abstract

Der Ständerat hat in der Vorlage zur Förderung von medizinischen Versorgungsnetzen gewichtige Differenzen zum Nationalrat geschaffen. Er will Krankenkassen nicht zwingen, Managed Care anzubieten. Zudem will er Patienten mit einem tieferen Selbstbehalt belohnen, die sich solchen Modellen anschliessen.

Jurius
Jurius
Abstract

Von der indirekten staatlichen Presseförderung sollen nur Zeitungen profitieren, die nicht einem Kopfblattverbund mit einer Gesamtauflage von über 100'000 Exemplaren angehören. Der Ständerat hat in der Differenzbereinigung zum Postgesetz diesem Vorschlag des Nationalrats zugestimmt.

Jurius
Jurius
Abstract

Der Ständerat hat am 14. Dezember 2010 den indirekten Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative verabschiedet. Er verzichtete darauf, die Vorlage seiner Kommission aufzuweichen. Ob er sie mit einer Bonussteuer anreichert, ist noch offen.

Jurius
Jurius
Abstract

Ein Mieter soll eine Kündigung nicht nur deshalb anfechten können, weil der Vermieter die Wohnung jemand anderem teurer vermieten will. Mit 116 zu 57 Stimmen hat der Nationalrat am 13. Dezember 2010 entschieden, der parlamentarischen Initiative von Anita Thanei (PS/ZH) nicht zu folgen. (bb)