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Liebe Leserinnen und Leser
 
Wie in jedem Jahr beginnt der Monat Januar mit dem Königskuchen und endet mit der Schwerpunkt-Ausgabe zum Gesundheitsrecht, die erneut vom Institut de droit de la santé (IDS) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Thomas Gächter, Universität Zürich, vorbereitet und zusammengestellt wurde.
 
Auch zum 20-jährigen Jubiläum des IDS lässt die Kraft des Gesundheitsrechts nicht nach: Es gibt viele neue Gesetzesprojekte und Reformen alter Regelungen, Entscheidungen aus den Kantonen, von den Bundesgerichten und auf europäischer Ebene betreffen immer häufiger gesundheitsrechtliche Belange, Autoren haben immer mehr Material, um ihre Gedanken und Ausführungen anzureichern. Dies belegen auch die Beiträge dieser Schwerpunkt-Ausgabe.
 
Mehr als die Hälfte der Fälle, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zum Schweizer Recht beurteilt werden, betreffen die Sterbehilfe. Dr. Gregor Puppinck und Dr. Claire de la Hougue aus Frankreich analysieren die Entscheidungen und versuchen, diese Entwicklung zu entschlüsseln.
 
Unter dem provokanten Titel «Wieviel Evidenz für welche Objektivität?» kommentiert Evalotta Samuelsson das jüngste Urteil des Bundesgerichts zu somatoformen Schmerzstörungen im Zusammenhang mit Leistungen der Invalidenversicherung kritisch.
 
Auch Prof. Dr. Jörg Paul Müller widmet sich den somatoformen Schmerzstörungen und der damit verbundenen rechtlichen Vermutung des Bundesgerichts, dass bestimmte Patientengruppen Krankheitsfolgen mit etwas gutem Willen überwinden könnten. Er sieht darin einen Widerspruch zu den Rechtsschutzgarantien der Bundesverfassung und fordert mehr Verfahrensgerechtigkeit und weniger Belastung durch dogmatische Konstruktionen.
 
Die Monate nach dem Inkrafttreten des neuen Humanforschungsgesetzes betrachtet Prof. Dr. Max Baumann. Er tourt durch die Regelungen der Forschung am Menschen und beendet seine Ausführungen mit einen (Herz-)Schlag: «Forschung regulieren aber nicht strangulieren»!
 
Dr. Anne Decollogny und Prof. Dr. Valérie Junod  erklären zunächst in einfachen Worten, was generische Medikamente sind, um dann die komplexen Mechanismen der Preisbildung für Generika zu entschlüsseln.
 
Die Gleichwertigkeit der medizinischen Behandlung (die postuliert, dass ein Inhaftierter die gleichen Rechte hat wie ein in Freiheit lebender Bürger – soweit es um seine Gesundheit geht) ist ein hervorragender Slogan. Seine praktische Umsetzung erweist sich allerdings als schwierig. Sonia Zbinden Lopez skizziert mögliche Wege zur Verbesserung der Situation.
 
In einem englischsprachigen Beitrag stellen sich Stuart McLennan und Prof. Dr. med. Bernice Elger – auf Basis einer qualitativen Studie zur Kommunikation medizinischer Fehler – die Frage, ob die Strafbarkeit von Ärzten, die Regeln der medizinischen Kunst verletzen, ethisch, rechtlich und politisch sinnvoll ist.
 
«Zigarren, Whiskey und vor allem kein Sport» war das Motto von Sir Winston Churchill im Hinblick auf Gesundheit. Tatsächlich ist Sport eine risikoreiche Tätigkeit, z.B. kann sie zu einer Gehirnerschütterung führen. Alexandra Veuthey prüft die Antworten, die die Regelungen und Gesetze der Sportverbände im Umgang mit Gehirnerschütterungen geben.
 
Dr. Franziska Sprecher und Dr. Patricia Schiess Rütimann berichten – inzwischen traditionell – vom Symposium der Privaten Universität im Fürstentum Liechtenstein (www.ufl.li), welches im November 2013 zum Thema «Ökonomie und Gesundheit – Was darf uns unsere Gesundheit kosten?» stattfand.
 
Schliesslich rezensiert Jean Perrenoud das Werk «Gesundheitsrecht – Ein Grundriss für Studium und Praxis» von Thomas Gächter und Bernhard Rütsche, das bereits in der dritten Auflage erschienen ist, und empfiehlt den Kauf auch französischen Muttersprachlern.
 
Wie gewohnt finden Sie auch in dieser Schwerpunkt-Ausgabe eine von den Mitarbeitern des IDS zusammengestellte Bibliografie der neuesten Gesetze, Entscheidungen und wissenschaftlichen Publikationen im Gesundheitsrecht. Nach einigen Überlegungen ist das IDS zum Schluss gekommen, dass die Bibliografie der jüngsten Publikationen im Gesundheitsrecht auf Schweizer und europäische Publikationen begrenzt werden sollte. Informationen anderer Länder findet man häufig auf den Internetseiten der Forschungszentren, z.B. auf der Seite des Instituts für Gesundheitsrecht von Prof. Dr. Anne Laude der Universität Paris V Descartes (http://www.institutdroitsante.com).
 
Gerne erinnere ich auch daran, dass eine Auswahl der im vergangenen Jahr in Jusletter erschienenen Beiträge zum Gesundheitsrecht in Kürze in der Revue suisse de droit de la santé/Schweizerische Zeitschrift für Gesundheitsrecht 2014 erscheinen wird (RSDS/SZG). Exemplare der RSDS/SZG 2014 können bereits jetzt bei Editions Weblaw bestellt werden.
 
Ich wünsche Ihnen ein gesundes Jahr und eine spannende Lektüre.
 
Prof. Dr. Olivier Guillod
Universität Neuchâtel, Redaktor Jusletter
Wissenschaftliche Beiträge
Grégor Puppinck
Claire de la Hougue
Abstract

Der EGMR hat ein Recht auf Beihilfe zur Selbsttötung entworfen, welches sich aus dem Verständnis der Selbsttötung als Ausdruck der individuellen Selbstbestimmung ableiten lässt. Dieses «Recht» ist damit nicht im Leiden, sondern in der Freiheit des Einzelnen begründet, unabhängig davon, ob eine Person bettlägerig ist oder nicht. Die alleinige Aufgabe des Staates ist es, den Missbrauch des Todeswillens durch Qualitätssicherung zu verhindern. Der EGMR hat so den Individualismus und zeitgenössischen Materialismus transkribiert und damit eine Grundlage der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten revolutioniert: Die Menschenwürde wäre demnach nicht inhärent, sondern relativ und reflexiv, und würde durch die persönliche Freiheit absorbiert. (sk)

Urteilsbesprechungen
Evalotta Samuelsson
Abstract

Mit Urteil vom 31. Oktober 2013 präzisierte das Bundesgericht die Überwindbarkeitspraxis zu den somatoformen Schmerzstörungen im Rahmen des Invalidenversicherungsgesetzes. Dieses Urteil gibt Anlass zu einigen medico-legalen Bemerkungen.

Beiträge
Jörg Paul Müller
Abstract

Für den Nachweis der Invalidität und damit der Rentenberechtigung hat das Bundesgericht bei einer bestimmten Patientengruppe die rechtliche Vermutung aufgestellt, die Krankheitsfolgen könnten bei gutem Willen in der Regel überwunden werden. Damit vermindert das Gericht Möglichkeiten und Relevanz fachärztlicher Begutachtungen. Dies widerspricht den Rechtsschutzgarantien der BV, dem Untersuchungsgrundsatz und dem Prinzip der freien Beweiswürdigung, die im IV-Verfahren gelten. Trotz Kritik hält das Bundesgericht bis heute an der strengen Praxis fest. Gefordert wird mehr Verfahrensfairness und weniger Belastung durch dogmatische Konstruktionen.

Max Baumann
Abstract

Am 18. Dezember 2013 ist der Bericht Massnahmen des Bundes zur Stärkung der biomedizinischen Forschung und Technologie erschienen (www.bag.admin.ch/themen/medizin). Im Kapitel «Humanforschungsrechtliche Rahmenbedingungen» heisst es (S. 93), dass «die Regulierung in der Schweiz bisher unvollständig (ist) und insgesamt ein unübersichtliches Bild (ergibt)». Wie unübersichtlich die Lage wirklich ist, und welche weiteren Fragen der Rechtsstaatlichkeit dieser Regulierungen sich daraus ergeben, bleibt aber offen. Im Beitrag wird versucht, eine Auslegeordnung zu erstellen, um (wenigstens ansatzweise) einen Überblick zu gewinnen.

Valérie Junod
Anne Decollogny
Abstract

Die Kosten für Generika werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen, wenn sie die Bedingungen erfüllen, die das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) und dessen Verordnungen vorgeben. Zu diesen Bedingungen gehören die Festsetzung eines Fabrikationspreises und die Festsetzung eines Maximalverkaufspreises. Diese Preise werden dann regelmässig über mehrere Jahre hinweg überprüft. Mehrere Revisionen der genannten Regelungen führten zu niedrigeren Preisen für Generika. Diese Preise sind allerdings umstritten, da sie immer noch höher sind als in den europäischen Nachbarländern. Der Beitrag beleuchtet die Regelungen des KVG für Generika. (sk)

Sonia Zbinden Lopez
Abstract

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung für Inhaftierte unterscheidet sich deutlich von dem für freie Bürger. Der Beitrag untersucht die Reichweite der besonderen Rechtsbeziehung zwischen Inhaftiertem und Staat im Hinblick auf die spezifischen Fragen des Zugangs zur Gesundheitsversorgung im Gefängnis. Der Staat spielt hierbei eine wichtige Rolle und muss die notwendigen Ressourcen und benötigte Infrastruktur zur Gewährleistung einer angemessenen medizinischen Versorgung im Gefängnis bereitstellen. (sk)

Stuart McLennan
Bernice Elger
Abstract

Im Rahmen einer breit angelegten Studie zur Fehlerkommunikation in der Schweiz wurden 23 Schweizer Schlüsselpersonen aus der medizinischen und juristischen Praxis interviewt. Ein Hauptthema, das die Befragten beschäftigte, war die strafrechtliche Haftung bei medizinischen Fehlern. Der Artikel präsentiert die Resultate der Studie und wägt ab, ob das derzeitige Schweizer System unter theoretischen und ethischen Gesichtspunkten moralisch sinnvoll und gerecht mit Schuld und Haftung umgeht.

Alexandra Veuthey
Abstract

Verletzungen im Profisport kommen häufig vor. Sowohl Einzelverletzungen als auch wiederholt zugezogene Verletzungen können dabei zu ernsthaften und langfristigen Folgen führen. Das am häufigsten auftretende Risiko – und wohl auch die umstrittenste Verletzung – im Zusammenhang mit Sport ist die Gehirnerschütterung. Der Umgang damit erfordert Antworten von Seiten der Sportverbände und gesetzliche Regelungen. Zuletzt hat der Skandal, der sich in der National Football League ereignete, für Aufsehen gesorgt. Aber auch andere Sportarten und Länder sehen sich mit der Problematik konfrontiert; die Schweiz ist keine Ausnahme. (sk)

Tagungsberichte
Franziska Sprecher
Patricia M. Schiess Rütimann
Abstract

Am 22. November 2013 führte die Private Universität im Fürstentum Liechtenstein (UFL) bereits zum vierten Mal ihr jährliches Symposium zum Gesundheitsrecht durch. Es war dem Thema «Ökonomie und Gesundheit – Was darf uns unsere Gesundheit kosten?» gewidmet. In Triesen (FL) trafen sich Fachleute aus Liechtenstein und der Schweiz, um verschiedene Facetten der Finanzierung des Gesundheitssystems interdisziplinär zu erörtern und mit einem kritischen Publikum zu diskutieren.

Rezension
Jean Perrenoud
Abstract

Wenn Sie ein aktuelles Handbuch zum Gesundheitsrecht benötigen, ist jetzt die Zeit gekommen, etwas Geld in die Hand zu nehmen und sich selbst mit der gerade erschienen dritten Auflage des Werkes «Gesundheitsrecht – Ein Grundriss für Studium und Praxis» von Thomas Gächter und Bernhard Rütsche zu belohnen. (sk)

Bibliografie
Daniel Kraus
Jean Perrenoud
Dominique Sprumont
Laura Amey
Cédric Baume
Charlotte Boulay
Nathalie Brunner
Natacha Cavaleri
Rachel Christinat
Olivier Guillod
Abstract

Diese Rubrik gibt Hinweise auf Neuerscheinungen im Gesundheitsrecht. Sie wird auf der Grundlage von nahezu hundert juristischen und medizinischen Zeitschriften aus der Schweiz und dem Ausland zusammengestellt. Umfasst ist die Periode vom 1. Juli 2013 bis zum 1. Dezember 2013.

Aus dem Bundesgericht
Jurius
Abstract

BGer – Das Freiburger Kantonsgericht muss die Anweisung zu Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen im Zeitraum von April bis Oktober einer Migros-Filiale in Murten überprüfen. Das Bundesgericht hat das Verbot aufgehoben. (Urteil 2C_10/2013) (sk)

Jurius
Abstract

BGer – Die Gattin eines Kosovaren muss die Schweiz zusammen mir ihrem straffälligen Ehemann verlassen. Das Bundesgericht hat es abgelehnt, die Sonderregelung für Migrantinnen in Problemsituationen auch bei Frauen in einer intakten Ehe anzuwenden. (Urteil 2C_536/2013)

Jurius
Abstract

BGer – Das Waffenverbot für türkische Staatsangehörige in der Schweiz ist nicht diskriminierend. Laut Bundesgericht besteht dafür mit dem schwelenden PKK-Konflikt ein sachlicher Grund. (Urteil 6B_722/2013)

Jurius
Abstract

BGer – Das Verfahren in der Zigarettenschmuggel-Affäre hat für die Eidgenossenschaft weitere finanzielle Konsequenzen. Laut Bundesgericht müssen fünf freigesprochene Personen die Verfahrens- und Anwaltskosten nicht selber tragen und haben Anspruch auf Haftentschädigung. (Urteil 6B_239/2013)

Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht bestätigte die Fortdauer der Untersuchungshaft gegen einen jungen Vater nach dem Tod eines 26-jährigen Franzosen infolge einer Schlägerei. Die Auseinandersetzung fand am Ausgang eines öffentlichen Gebäudes am 19. Oktober 2013 in Sion statt. (Urteil 1B_455/2013) (sk)

Jurius
Abstract

BGer – Der «Blick» hat einen Prozess gegen Michael von der Heide verloren. Das Bundesgericht entschied, dass die deutschsprachige Tageszeitung die Persönlichkeit des Sängers verletzte, indem sie eine Fotomontage veröffentlichte, die ihn «in der Wahrnehmung des Durchschnittsbetrachters als das abgebildet, was salopp und auch abwertend unter dem Begriff ‹Tunte› verstanden werden kann». (Urteil 5A_376/2013) (sk)

Medienmitteilungen
Jurius
Abstract

Für Angestellte im öffentlichen Verkehr gilt ein spezielles Arbeitszeitgesetz. Es soll einen sicheren und effizienten Betrieb von Bahnen, Trams, Bussen, Seilbahnen und Schiffen gewährleisten. Der Bundesrat hat am 22. Januar 2014 beschlossen, dieses Gesetz den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Der Kreis der Betroffenen wird präzisiert. Zudem werden die Vorschriften zu Pausen, Ruhesonntagen und Nachtarbeit neu gefasst.

Jurius
Abstract

Der Bundesrat geht weiter gegen ein übermässiges Wachstum auf den Immobilien- und Hypothekarmärkten vor. Er hat dem Antrag der Nationalbank stattgegeben, den antizyklischen Kapitalpuffer zu erhöhen. Danach werden die Banken ab dem 30. Juni 2014 verpflichtet, die Eigenmittel für Wohnbauhypotheken von 1 auf 2 Prozent zu erhöhen.

Jurius
Abstract

Der Bundesrat will die Unternehmensnachfolge für Einzelunternehmen, Kollektiv-, Kommandit- und Kommanditaktiengesellschaften erleichtern. Er hat am 22. Januar 2014 eine entsprechende Anpassung der Vorschriften über die Bildung des Firmennamens in die Vernehmlassung geschickt.

Jurius
Abstract

Die grössten Potenziale zur Reduktion von CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 bestehen im Sektor Verkehr und bei den Wohngebäuden. Reduktionsmassnahmen würden je nach Sektor zwischen 150 und 320 Franken pro reduzierter Tonne CO2 kosten. Das zeigt der Bericht «Kosten und Potenzial der Reduktion von Treibhausgasen in der Schweiz» des Bundesrates. Ein Postulat des Nationalrats hatte die Erarbeitung einer entsprechenden Studie verlangt.