Liebe Leserinnen und Leser

Insiderhandel beschreibt das Ausnützen der Kenntnis vertraulicher und kursrelevanter Tatsachen bei Börsentransaktionen. Insider können sich jedoch bereits durch die Weitergabe solcher Informationen an Dritte strafbar machen. Zur Vermeidung von Strafbarkeitsrisiken empfiehlt Damian K. Graf, Insiderinformationen nur verbunden mit den Bedingungen weiterzugeben; «(a) das Insiderwissen nicht auszunützen, (b) die Information oder darauf basierende Empfehlungen nicht gegen Entgelt weiterzugeben sowie (c) das Wissen anderen Personen nicht zur Verfügung zu stellen, ohne diesen dieselben Bedingungen aufzuerlegen.»
 
Das Urteil des EGMR Vukota gegen die Schweiz vom 18. Oktober 2016 schlug hohe Wellen. Es stellt grundsätzlich klar, dass es einer gesetzlichen Grundlage bedarf, um eine Person – im besagten Fall war es ein Unfallopfer – observieren zu lassen. Philip Stolkin untersucht, wie diese Rechtsprechung nun v.a. in der sozialversicherungs- und haftpflichtrechtlichen Praxis umgesetzt wird. Er weist darauf hin, dass der ausnahmslose Schutz der Privatsphäre respektive die Bindung staatlichen Handelns an die Grund- und Verfahrensrechte, wie auch an die Kompetenzordnung der Verfassung nicht im Wege des Sozialversicherungsrechts (Art. 43a ATSG) ausser Kraft gesetzt werden darf. Zudem ist eine private Observation durch die Versicherungsunternehmen als verbotene Eigenmacht  aufzufassen; die damit einhergehende Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 ZGB kann daher nicht gerechtfertigt werden.
 
Bei einer einvernehmlichen Regelung im Kartellrecht (EVR) über Massnahmen zur Beseitigung einer Wettbewerbsbeschränkung handelt es sich um eine Alternative zur behördlichen Anordnung von Geboten und Verboten durch die Wettbewerbsbehörden. Zur Diskussion steht, ob eine EVR ohne Verpflichtungszusagen von Seiten der Unternehmen möglich ist. Carla Beuret vertritt die Auffassung, dass es sich bei den Verpflichtungszusagen um das Kernstück der EVR handelt und die WEKO beim Vorliegen von direkt sanktionierbaren Wettbewerbsbeschränkungen behördliche Anordnungen zu treffen hat – falls es nicht zu einer EVR über die Anpassung des Verhaltens kommt.
 
Roland Pfäffli bietet uns eine Besprechung der aktuellen Dissertation von Fabrizio Andrea Liechti: «Der Rechtsgrundausweis für Eigentumseintragungen im Grundbuch unter besonderer Berücksichtigung der notariellen Sorgfaltspflichten».
 
Schliesslich gibt uns Michael Kunz im zweiten Teil seines Podcasts «Risikomanagement bei grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen» einen Überblick über die Schweizer Sicht bezüglich des Risikomanagements der Schweizer Banken für ihr grenzüberschreitendes Finanzdienstleistungsgeschäft. Hinweis in eigener Sache: Am 5. April 2017 findet das passende Webinar@Weblaw: FinTech – Evolution oder Revolution? statt.
 
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.
 
Leiterin Jusletter
Simone Kaiser
Verlagsleiterin Editions Weblaw

 

Beiträge
Befugte Weitergabe von Insiderinformationen
Damian K. Graf
Damian K. Graf
Art. 154 Abs. 1 lit. b FinfraG stellt die Weitergabe von Insiderinformationen unter Strafe. In diversen praxisrelevanten Konstellationen ist eine Mitteilung von Insiderwissen jedoch nützlich oder gar unabdingbar, etwa um eine Tätigkeit überhaupt erst ordnungsgemäss ausüben zu können. Der Gesetzgeber hat es derweil auf Tatbestandsstufe versäumt, bloss die «unbefugte» oder «unrechtmässige» Offenbarung unter Strafe zu stellen; prima vista scheint eine jede Weitergabe strafbar. Vor diesem Hintergrund untersucht der Autor, ob und bejahendenfalls unter welchen Umständen eine Informationsweitergabe strafrechtlich nicht sanktioniert ist.
Observationen, Kompetenzen und Gesetze
Philip Stolkin
Philip Stolkin
Laut Strassburg ist eine Observation durch Privatdetektive ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre, von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt und durch ein Gesetz nach Abs. 2 EMRK zu legitimieren. Nun regelt Art. 148a StGB abschliessend den Versicherungsmissbrauch: Der als Rechtfertigung vorgesehene Art. 43a ATSG verstösst folglich gegen das Gewaltmonopol und die Kompetenzordnung des Bundes und liefe einer demokratischen Grundlage im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK zuwider. Er vermag den Eingriff in das Grundrecht nicht zu rechtfertigen. Gleichzeitig verstösst eine Observation gegen Art. 179quater StGB und Art. 52 Abs. 3 OR. Deswegen bleibt die Persönlichkeitsverletzung nach Art. 28 ZGB widerrechtlich und löst die Folgen des Art. 28a ff. ZGB aus. Eine Sichtweise, die dem positiven Schutz nach Art. 8 EMRK entspricht.
Die einvernehmliche Regelung im Kartellrecht
Carla Beuret
Carla Beuret
Die einvernehmliche Regelung im Kartellrecht (EVR) gewinnt weiterhin an Bedeutung. Ein Grossteil der kartellrechtlichen Untersuchungen der Wettbewerbskommission (WEKO) wird mit einer EVR abgeschlossen. Die Autorin erklärt kurz, worum es bei der EVR geht, diskutiert aktuelle Fragen, gibt einen Überblick über die Praxis der WEKO seit 2005 und verweist auf aktuelle Entwicklungen in der EU im Zusammenhang mit dem Vergleichsverfahren in Kartellfällen.
Rezension
Rezension: Der Rechtsgrundausweis für Eigentumseintragungen im Grundbuch unter besonderer Berücksichtigung der notariellen Sorgfaltspflichten
Roland Pfäffli
Roland Pfäffli
Täglich werden bei den Grundbuchämtern Anmeldungen zur Vornahme von Eintragungen, Änderungen und Löschungen im Grundbuch eingereicht. Bei einem wesentlichen Teil davon handelt es sich um auf Eigentumseintragung gerichtete Grundbuchanmeldungen. Die vorliegende Dissertation befasst sich mit den Ausweisen, die in diesem Zusammenhang beim Grundbuchamt einzureichen sind und den damit verbundenen Sorgfaltspflichten der Urkundspersonen.
Podcasts
Risikomanagement bei grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungsgeschäften – Teil 2
Michael Kunz
Michael Kunz
Grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen sind für den Schweizer Finanzplatz trotz grösseren Schwierigkeiten in den vergangenen Jahren weiterhin von grosser Bedeutung. International nimmt die Schweiz im Off-shore Private Banking weiterhin eine führende Marktposition ein. Die Rahmenbedingungen haben sich aber in den letzten 20 Jahren dramatisch verändert, mit bekannten Konsequenzen. Im Zentrum des Podcasts steht angesichts der unübersichtlichen und multipolaren Bedrohungslage das Risikomanagement der Banken für ihr grenzüberschreitendes Finanzdienstleistungsgeschäft aus der Schweiz heraus.
Aus dem Bundesgericht
Un ex-directeur d’UBS gagne son procès contre la Finma
Jurius
Jurius
BGer – Ein ehemaliges Kadermitglied der UBS gewann am 22. März 2017 den Prozess vor Bundesgericht gegen die FINMA. Dieser Ex-Direktor der Bank UBS erlangte die Löschung der Informationen auf einer grauen Liste durch die Finanzpolizei. (Urteil 1C_214/2016) (sts)
Beteiligung an krimineller Organisation
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht bestätigt die Schuldsprüche des Bundesstrafgerichts wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation gegen zwei irakische Männer, die als Zugehörige des «Islamischen Staats» (IS) für diese Terrororganisation aktiv waren. In Bezug auf die verhängten Freiheitsstrafen von je vier Jahren und acht Monaten muss das Bundesstrafgericht neu entscheiden. (Urteile 6B_1104/2016, 6B_1132/2016)
Kassenpflicht für opioid-haltige Medikamente
Jurius
Jurius
BGer – Die Behandlung einer somatoformen Schmerzstörung mit opioid-haltigen Medikamenten ist trotz Abhängigkeitsrisiko grundsätzlich von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen, soweit das Mittel (auch) zur Anwendung bei chronischen Schmerzen in die Liste der kassenpflichtigen Medikamente aufgenommen ist. Die Krankenkasse kann eine weitere Kostenübernahme verweigern, wenn die Behandlung nicht mehr wirksam und zweckmässig ist. (Urteil 9C_528/2016)
Aus dem Bundesstrafgericht
Auslieferung einer mutmasslichen Kriegsverbrecherin bestätigt
Jurius
Jurius
BStGer – Das Bundesstrafgericht hat grünes Licht für die Auslieferung einer mutmasslichen Kriegsverbrecherin an die Justiz Bosnien-Herzegowinas gegeben. Die Frau soll im Jugoslawienkrieg auf der Seite der bosnischen Armee gekämpft haben. Ihr wird vorgeworfen, 1992 einen 12-jährigen serbischen Jungen ermordet zu haben. (Urteil RR.2016.278)
Medienmitteilungen
WEKO büsst Galenica Gruppe
Jurius
Jurius
Die Wettbewerbskommission (WEKO) schliesst die Untersuchung betreffend die Kommerzialisierung von elektronischen Medikamenteninformationen mit einer Sanktion von gut CHF 4.5 Mio. gegen HCI Solutions AG, eine Tochtergesellschaft der Galenica Gruppe, ab.