Sehr geehrte Leserinnen und Leser

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung bieten immer mehr Unternehmen technologische Finanzinnovationen, sog. Fintech, an. Besonders in der aktuellen Lage, wo selbst natürliche Kundenberater auf die elektronischen Kanäle verwiesen werden, könnten Robo Advisor einen Aufschwung erleben. Lucie Fryzek und Pascal Zysset fügen diese in das zivil- und aufsichtsrechtliche Gefüge ein. Besonderes Augenmerk wird auf die neuen regulatorischen Grundlagen FIDLEG und FINIG gelegt.

In den letzten Jahren hat sich Soft Law zu einem Gestaltungsinstrument der internationalen Beziehungen entwickelt. Milène Hauri stellt den Bericht des Bundesrates «Konsultation und Mitwirkung des Parlaments im Bereich von Soft Law» vom 26. Juni 2019 vor und kritisiert insbesondere die Definition des Begriffs «Soft Law» durch den Bundesrat und die Ausarbeitung des Kriteriums der Wesentlichkeit betreffend den Einbezug des Parlaments bei Soft-Law-Vorhaben.

Das Coronavirus und die zur Bekämpfung von COVID-19 getroffenen Massnahmen stellen die Bevölkerung weiterhin vor grosse Herausforderungen und lassen viele juristische Fragen offen:

  • Irène Suter-Sieber geht dem Thema rund um Lohnzahlung, Kurzarbeitsentschädigung und deren Zusammenspiel während der Kurzarbeit nach: Ist der Lohn bei Betriebsschliessung überhaupt noch zu zahlen und welche Entschädigung schuldet die Arbeitgeberin und/oder die Arbeitslosenkasse bei Ferien- und Überstundenbezug, bei Krankheit und bei Kündigung oder wenn ein Arbeitnehmer zu den besonders gefährdeten Personen gehört?
  • Aufgrund der aktuellen Lage haben sich die Verhältnisse in Bezug auf zahlreiche Vertragsbeziehungen verändert. Benjamin V. Enz beschäftigt sich mit dem Anwendungsbereich der clausula rebus sic stantibus, der Unmöglichkeit nach Art. 119 OR und der Kündigung aus wichtigem Grund.
  • Sebastian Reichle und Bernhard Stehle analysieren, ob das Obligationenrecht Mietern von Geschäftsräumen eine Handhabe gibt, auch gegen den Willen des Vermieters eine Senkung oder gar den Erlass des Mietzinses für die Zeit durchzusetzen, während der sie ihre (reguläre) Geschäftstätigkeit aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschliessung nicht ausüben können. 
  • In den kantonalen Notunterkünften für abgewiesene Asylsuchende sind die Lebensbedingungen prekär. In diesem Zusammenhang sind in den vergangenen Wochen Medienberichte erschienen, die sich kritisch zum staatlichen Umgang mit der Pandemie in den Notunterkünften äussern. Aber liegt in diesem staatlichen Umgang auch eine Grundrechtsverletzung? Mei Yi Lew und Thomas Schaad gehen dieser Frage nach und versuchen konkrete Lösungen für einen grundrechtskonformen Umgang aufzuzeigen.
  • Die derzeit geltende ausserordentliche Lage ist für viele Familien mit grossen Herausforderungen verbunden. Tanja Ivanovic befasst sich mit den viele Familien betreffenden Veränderungen und analysiert, ob diese eine Abänderung der geltenden Besuchs-, Betreuungs- und Unterhaltsregelung zu rechtfertigen vermögen.
  • Simon Huwiler und Jonas Weber widmen sich strafprozessualen Fragen in Haftfällen, insbesondere dem Beschleunigungsgebot. Die Autoren unterbreiten sechs Vorschläge, mit denen die allgemeinen bundesrechtlichen und kantonalen Vorgaben in der Corona-Pandemie umgesetzt werden können.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die Woche. 

Daphne Röösli
Produktmanagerin Jusletter

In eigener Sache: Am 28. Mai 2020 findet das 6. Weblaw Forum LegalTech «Recht 4.0» als Online-Tagung statt. Wir freuen uns auf Sie. 

Alles zum Thema Coronavirus:

  • In der siebten Folge unserer Reihe «Praxisfragen aus rechtlicher Sicht» haben Expertinnen und Experten zum Thema Solidarbürgschaftsverordnung, Banken, Strafbestimmungen referiert. Die Aufzeichnung dieses Webinars und der vorangegangenen Webinare finden Sie auf unserer Themenseite.
  • In der Webinar-Reihe geht es weiter mit dem Thema Coronavirus und Miete (27. Mai). Die Teilnahme ist kostenlos und Sie haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
  • Unser Jusletter Coronavirus-Blog wächst – mit neuen Beiträgen und Kommentaren. 
Wissenschaftliche Beiträge
Rechtlicher Rahmen für Robo Advisor
Lucie Fryzek
Lucie Fryzek
Pascal Zysset
Pascal Zysset
Die Corona-Krise verhilft dem Zeitalter der Digitalisierung zu Hochkonjunktur. Bargeldzahlungen werden selbst für kleine Beträge nur noch ungern geduldet. Der natürliche Kundenberater ist zwar noch erreichbar, aber meist nur noch per E-Mail oder Telefon. Spätestens jetzt könnte auch für Finanzdienstleistungen eine nächste Ära eingeläutet werden: Diejenige des bis anhin diskret auftretenden Robo Advisor. Die Autoren geben einen Überblick über die privatrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für Robo Advisor.
Beiträge
Soft law international : Rapport du Conseil fédéral
Milène Hauri
Milène Hauri
Die Autorin stellt den Bericht des Bundesrates vom 26. Juni 2019 in Erfüllung des Postulates 18.4104, Aussenpolitische Kommission SR, 12. November 2018, über die «Konsultation und Mitwirkung des Parlaments im Bereich von Soft Law» vor. Dabei hebt sie einige Unstimmigkeiten des Berichts hervor, insbesondere die bundesrätliche Definition des Begriffs «Soft Law» sowie die Behandlung des Kriterium der Wesentlichkeit, das betreffend den Einbezug des Parlaments bei Soft-Law-Vorhaben angewendet werden kann. (el)
Lohn und Kurzarbeitsentschädigung während Kurzarbeit
Irène Suter-Sieber
Irène Suter-Sieber
Die Autorin kommt in ihrem Beitrag zum Ergebnis, dass die Risikosphäre der Arbeitgeberin nicht unbeschränkt ist und insbesondere bei Betriebsschliessungen zufolge COVID-19 der Grundsatz «ohne Arbeit kein Lohn» regelmässig greift. In der Folge geht die Autorin verschiedenen Fragen rund um Lohnzahlung, Kurzarbeitsentschädigung und deren Zusammenspiel während der Kurzarbeit nach: Welche Entschädigung schuldet die Arbeitgeberin und/oder die Arbeitslosenkasse bei Ferien- und Überstundenbezug durch den Arbeitnehmer, bei Krankheit und bei Kündigung des Arbeitnehmers und wenn ein Arbeitnehmer zu den besonders gefährdeten Personen gehört?
Risikozuordnung in Verträgen und die COVID-19 Situation: Teil 1
Benjamin V. Enz
Benjamin V. Enz
Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie sah sich der Bundesrat gezwungen, mittels Notrecht zahlreiche Schutzmassnahmen zu ergreifen. Die bundesrätlichen Massnahmen bewirkten eine Veränderung der Verhältnisse, deren Folgen sich auf zahlreiche Vertragsbeziehungen auswirken. In dem ersten Teil dieses Beitrags gilt es, eine dogmatische Herleitung der Grundstrukturen der clausla rebus sic stantibus, der nachträglichen Unmöglichkeit und der Kündigung aus wichtigem Grund in Bezug auf die COVID-19 Situation herauszuarbeiten. Auf dieser Basis sollen in einem zweiten Teil des Beitrages die sich abzeichnenden Leistungsstörungen und Lieferverzögerungen im Werkvertragsrecht unter der Rechtslage des OR und der SIA Norm 118 beleuchtet werden.
Coronavirus und Geschäftsraummiete
Sebastian Reichle
Sebastian Reichle
Bernhard Stehle
Bernhard Stehle
In den vergangenen Wochen ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob und wie sich die gestützt auf Notrecht angeordneten Betriebsschliessungen zur Eindämmung der Ausbreitung und Übertragung des Coronavirus in der Schweiz auf laufende Geschäftsmietverhältnisse auswirken. Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob das Obligationenrecht Mietern (und Pächtern) von Geschäftsräumen (z.B. Ladengeschäfte oder Restaurants) eine Handhabe gibt, auch gegen den Willen des Vermieters eine Senkung oder gar den Erlass des Mietzinses für die Zeit durchzusetzen, während der sie ihre (reguläre) Geschäftstätigkeit aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschliessung nicht ausüben können.
Abgewiesene Asylsuchende während der COVID-19-Pandemie
Thomas Schaad
Thomas Schaad
Mei Yi Lew
Mei Yi Lew
In den kantonalen Notunterkünften für abgewiesene Asylsuchende sind die Lebensbedingungen prekär und gestalten sich aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie noch schwieriger. In diesem Zusammenhang sind in den vergangenen Wochen Medienberichte erschienen, die sich kritisch zum staatlichen Umgang mit der Pandemie in den Notunterkünften äussern. Aber liegt in diesem staatlichen Umgang mit der Pandemie in den Notunterkünften auch eine Grundrechtsverletzung? Dieser Frage geht der Beitrag nach und versucht konkrete Lösungen für einen grundrechtskonformen Umgang aufzuzeigen.
Coronavirus SARS-CoV-2: Klärung familienrechtlicher Fragen
Tanja Coskun-Ivanovic
Tanja Coskun-Ivanovic
Die derzeit geltende ausserordentliche Lage ist für viele Familien mit grossen Herausforderungen verbunden. Die rasche Reorganisation des Alltags hat zu zahlreichen Fragen rund um die Weitergeltung bzw. Abänderbarkeit der aktuellen Besuchs-, Betreuungs- sowie Unterhaltsregelung von Kindern getrennt lebender Eltern geführt. Die Autorin befasst sich vor diesem Hintergrund in ihrem Beitrag mit den derzeit am häufigsten anzutreffenden, viele Familien betreffenden Fragen rund um das Obhuts-, Besuchs- und Unterhaltsrecht und analysiert, ob die aktuelle Situation eine Abänderung der geltenden Regelung zu rechtfertigen vermag.
Corona-Pandemie: Dringliche strafprozessuale Fragen in Haftfällen
Simon Huwiler
Simon Huwiler
Jonas Weber
Jonas Weber
Trotz Corona-Pandemie ist das strafprozessuale Beschleunigungsgebot zu beachten. Die Strafbehörden sind gehalten, z.B. mit dem Einsatz von Videotelefonie auf die besonderen Umstände zu reagieren und trotz Einhaltung aller Schutzvorschriften die Strafverfahren ohne Verzögerung zu führen. Dazu unterbreiten die Autoren sechs Vorschläge, mit denen die allgemeinen bundesrechtlichen und kantonalen Vorgaben umgesetzt werden können.
Aus dem Bundesgericht
Getrennte Verfahren für schwere Straftaten eines Minderjährigen
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines heute 19-Jährigen Genfers gutgeheissen, dem mehrfacher versuchter Mord und vorsätzliche Tötung vorgeworfen werden. Weil sich die erste Tat vor seinem 18. Geburtstag ereignete, muss entgegen der Ansicht der Genfer Justiz das Jugendgericht darüber befinden. (Urteil 1B_573/2019)
Töchter jahrelang missbraucht: Neun Jahre Freiheitsstrafe für Vater
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für einen Mann aus dem Kanton Zürich bestätigt, der seine drei Töchter über Jahre hinweg sexuell und körperlich schwer misshandelte. Die unterdessen volljährigen jungen Frauen leiden bis heute an den Folgen. (Urteil 6B_1186/2019)
Überfürsorgliche Mutter: KESB weist Jungen zu Recht in Heim ein
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde einer Mutter abgewiesen, deren 16-jähriger Sohn durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bern in einem Kinderheim untergebracht wurde. Die Frau hatte ihren Sohn völlig isoliert und ihn mit 14 Jahren erstmals zur Schule geschickt. (Urteil 5A_218/2020)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Familiennachzug für minderjährigen Neffen aus Syrien abgewiesen
Jurius
Jurius
BVGer – Ein aus Syrien stammendes Ehepaar kann seinen Neffen nicht im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz holen, auch wenn er bei ihnen aufgewachsen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen entsprechenden Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM) bestätigt. (Urteil F-3408/2019)
Medienmitteilungen
COVID-19 Kredite: Konzept zur Missbrauchsbekämpfung verabschiedet
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat am 3. April 2020 die Eckwerte zur Missbrauchsbekämpfung bei der COVID-19 Überbrückungshilfe gutgeheissen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO hat auf Grundlage der Eckwerte ein Prüfkonzept über die Aktivitäten zur Missbrauchsbekämpfung erlassen und am 15. Mai 2020 verabschiedet.
Grosszügigere Lösung bei Passagierrechten im öffentlichen Verkehr
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 13. Mai 2020 die Verordnungen zur Vorlage «Organisation der Bahninfrastruktur» verabschiedet. Bei den Passagierrechten hat er aufgrund der Vernehmlassung eine grosszügigere Lösung beschlossen: Der Mindestbetrag, ab dem die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs den Passagieren bei Verspätungen eine Entschädigung zahlen müssen, beträgt fünf statt wie zuerst vorgesehen zehn Franken. Zudem verlangt der Bundesrat von der öV-Branche eine ausgewogene Lösung für Abonnementsbesitzer. Die neuen Passagierrechte gelten ab Anfang 2021.
Verordnung für Proximity-Tracing-App verabschiedet
Jurius
Jurius
In den nächsten Wochen wird die Schweizer Proximity-Tracing App getestet, welche die Eindämmung des Coronavirus unterstützen soll. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 13. Mai 2020 für diese Pilotphase eine befristete Verordnung verabschiedet. Er hat zudem die Unterstützung des Kultursektors um vier Monate bis zum 20. September verlängert.
Keine Vereinfachung der Vorschriften über die Preisbekanntgabe
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat den Bericht zur Prüfung einer Vereinfachung der Vorschriften über die Preisbekanntgabe am 13. Mai 2020 gutgeheissen. Im Bericht wurde geprüft, ob für die Vorschriften über die irreführende Preisbekanntgabe sowie deren Durchsetzung von Amtes wegen eine Vereinfachung möglich und angezeigt ist. Er gelangt zum Ergebnis, dass sich die geltenden Vorschriften bewährt haben und Rechtssicherheit gewährleisten. Die Preisbekanntgabeverordnung (PBV) soll nicht geändert werden.
Rechtsprechungsübersicht
Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR (März – April 2020)
Jurius
Jurius
Die Rechtsprechungsübersicht führt die zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteile des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. März 2020 bis und mit 16. April 2020 sowie die Urteile des EGMR mit Beteiligung der Schweiz auf. Neben Dossiernummer, Urteilsdatum, Abteilung/Kammer, Prozessgegenstand und Vorinstanz wird ein Hyperlink zum Originalentscheid und – sofern vorhanden – zur jeweiligen Mitteilung bzw. Besprechung in Jusletter und im dRSK wiedergegeben.