Liebe Leserinnen und Leser

Im Schweizerischen Zwangsvollstreckungsrecht kann jeder jeden betreiben – ob eine gerechtfertigte Forderung besteht, wird grundsätzlich nicht überprüft. Stellt sich aber heraus, dass eine Betreibung rechtsmissbräuchlich erfolgte, so ist sie von Gesetzes wegen nichtig und daher im Betreibungsregister gegenüber Dritten zu löschen. Daniel Hunkeler und Dominique Disler verdeutlichen anhand eines aktuellen Bundesgerichtsurteils die Notwendigkeit einer Regelung, um ungerechtfertigte Zahlungsbefehle rascher und einfacher zu löschen.

Immer mehr Länder, welche multinationalen Firmen günstige Rahmenbedingungen für ihre Geschäfte in der Rohstoffbranche ermöglichen kommen in Bedrängnis. Chloé Carrupt stellt sich die Frage, welche Regulierungsmassnahmen hinsichtlich des Geldwäschereigesetzes (GwG) ergriffen werden können, um die Geschäftspraktiken vieler multinationaler Rohstofffirmen transparenter zu machen (vgl. Francesco Naef / Michele Clerici, Steuerstraftaten als Vortaten der Geldwäscherei: Der Weg in la Terreur, in: Jusletter 7. April 2014). Die Autorin fordert neben der nationalen Implementation eine Internationalisierung dieser Massnahmen, wobei auch das Abwanderungsrisiko von Schweizer Rohstofffirmen minimiert werden kann.

Ronny Fischer und Jürg M. Tiefenthal beschäftigen sich mit verfassungsrechtlichen Gedanken zur laufenden Zollgesetzrevision, insbesondere mit der Zuständigkeitsordnung im Bereich der inneren Sicherheit und der Übertragung kantonspolizeilicher Aufgaben an den Bund. Den Autoren erscheint die Ausarbeitung von verfassungskonformen Lösungen durch die Gesetzgeber von Bund und Kantonen als dringend angezeigt.

Einzig eine diskriminierungsfreie, strenge und lückenlose Identifizierung und Rüge missbräuchlichen Verhaltens seitens aller Marktteilnehmer in jeglicher Marktstruktur kann einen wirksamen Wettbewerb aufrechterhalten, kommentieren Franz Böni und Alex Wassmer. Die Autoren analysieren kritisch, ob die Nachfragemacht im Verhältnis zur Angebotsmacht sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene privilegiert wird (siehe dazu Herbert Wohlmann, Die (fast) fehlende Evaluation der Marktbeherrschung bzw. ihres Missbrauchs, in: Jusletter 10. Mai 2010).

Eine Verzichtshandlung im Ergänzungsleistungsrecht ist nach Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG zu bejahen, wenn einmal vorhandene Vermögenswerte ohne rechtliche Verpflichtung oder ohne adäquate Gegenleistung aufgegeben werden. Anjushka Früh untersucht Fallkonstellationen in denen die Verzichtsregeln zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis führen. Sie zeigt auf, dass eine Ergänzung der kantonalen und kommunalen Zusatzleistungsgesetze die vorhandenen Fehlanreize verkleinern würden.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.

 

Simone Kaiser
Verlagsleiterin Editions Weblaw

Sandrine Lachat
Leiterin Jusletter Suisse Romande

    

Urteilsbesprechungen
Rechtsmissbräuchliche Betreibung: Urteil des Bundesgerichts 5A_508/2014 vom 19. September 2014 – und aktuelle Rechtsentwicklung
Daniel Hunkeler
Daniel Hunkeler
Dominique Disler
Dominique Disler
Im Beitrag wird das soeben im Internet publizierte Urteil des Bundesgerichts 5A_508/2014 vom 19. September 2014 besprochen. Hernach wird ein kurzer Blick auf die laufenden Gesetzgebungsarbeiten zur Bekämpfung rechtsmissbräuchlicher Betreibungen geworfen.
Beiträge
La lutte contre le blanchiment d’argent dans le négoce des matières premières : la Suisse dispose-t-elle d’un arsenal juridique suffisant ?
Chloé Carrupt
Chloé Carrupt
In den letzten mehr als zehn Jahren haben sich viele internationale Handelsunternehmen in der Schweiz niedergelassen, vor allem entlang des Genfer Sees und des Kantons Zug. Gründe dafür sind insbesondere Steuervorteile, die wirtschaftliche Stabilität der Schweiz und das Know-how der Banken in der Handelsfinanzierung. Der Beitrag befasst sich mit dem Thema des Rohstoffhandels im Zusammenhang mit dem Geldwäschereigesetz (GwG). Die gewissen Finanzintermediären auferlegten Sorgfaltspflichten haben die Geldwäscher veranlasst, neue Mittel einzuführen und zu diversifizieren, um die Erträge krimineller Herkunft zu verbergen. Die Menge der gehandelten Rohstoffe und die Komplexität der mit diesem Handel verbundenen Geschäfte können einen fruchtbaren Boden für die Verschleierung von aus einer Straftat stammenden Vermögenswerten darstellen. (bk)
Die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben im Grenzraum
Ronny Fischer
Ronny Fischer
Jürg M. Tiefenthal
Jürg M. Tiefenthal
Seit Inkrafttreten des Zollgesetzes (ZG) im Jahr 2007 sind in der Praxis einige Mängel und Lücken festgestellt sowie Anliegen formuliert und Erkenntnisse gewonnen worden, die einer gesetzlichen Neuregelung bedürfen. Die Teilrevision des Zollgesetzes betrifft insbesondere auch die Wahrnehmung sicherheitspolizeilicher Aufgaben durch die Eidgenössische Zollverwaltung (Art. 96 ZG) und die Präzisierung der Bestimmung über die Übernahme kantonaler polizeilicher Aufgaben (Art. 97 ZG). Die Autoren untersuchen Art. 96 f. VE-ZG auf ihre Verfassungsmässigkeit und setzen sich mit der in Art. 97 VE-ZG vorgesehenen vertraglichen Rückübertragung von kantonalen Zuständigkeiten an den Bund auseinander.
Die Bedeutung von Nachfragemacht anhand ausgewählter Märkte in der Schweiz
Franz Böni
Franz Böni
Alex Wassmer
Alex Wassmer
Die Quellen der Literatur und Rechtsprechung bieten lediglich einen marginalen Fundus an Informationen zu der Materie des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Nachfrageseite. Dies manifestiert, welche geringe Bedeutung der Nachfragemacht bisher beigemessen wurde. Doch darf die Tragweite der marktbeherrschenden Stellung auf Nachfrageseite keinesfalls unterschätzt werden. Der vorliegende Beitrag zeigt die aktuelle Bedeutung der Nachfragemacht anhand ausgewählter liberalisierter, teilliberalisierter und monopolisierter Märkte in der Schweiz sowie der Europäischen Union auf. Gleichermassen soll die Privilegierung der Nachfragemacht lösungsorientiert kritisiert werden.
Anrechnung eines Vermögensverzichts im Ergänzungsleistungsrecht: Problemstellungen, Fehlanreize und Lösungsansätze
Anjushka Früh
Anjushka Früh
Die Anrechnung eines Vermögensverzichts im Ergänzungsleistungsrecht kann in vielen Fällen einen ungerechtfertigten Bezug von Ergänzungsleistungen verhindern – dennoch existieren Fallkonstellationen, in denen die Verzichtsregeln zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis führen. Insbesondere bei Kapitalauszahlungen aus beruflicher und freier Vorsorge und anschliessenden Vermögenshingaben entgegen dem Vorsorgezweck erscheint eine Anpassung von Gesetz und Rechtsprechung wünschenswert.
Aus dem Bundesgericht
Frist verpasst
Jurius
Jurius
BGer – Die Suva hat eine Verfügung falsch datiert. Diesen Fehler muss sie sich nicht anrechnen lassen, auch wenn die Rechtsvertreterin des Adressaten dadurch die Frist für eine Beschwerde verpasst hat. Dies hat das Bundesgericht in einer öffentlichen Beratung entschieden. (Urteil 8C_84/2014)
Steuern: Umverteilungssteuer
Jurius
Jurius
BGer – Über eine einmalige Steuer-Umverteilungsaktion von reich zu weniger begütert wird im Kanton Zürich definitiv nicht abgestimmt. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen den Beschluss des Zürcher Kantonsrates abgewiesen. (Urteil 1C_586/2013)
Fall Kneubühl
Jurius
Jurius
BGer – Die Beschwerde von Peter Hans Kneubühl gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 20. November 2013 wird vom Bundesgericht abgewiesen. Es bleibt damit bei der angeordneten stationären therapeutischen Massnahme. (Urteil 6B_286/2014)
Polizistin darf innerorts nicht 117 km/h fahren
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde einer Aargauer Kantonspolizistin abgewiesen, welche die Tempolimite innerorts um über 60 km/h überschritten hatte, um einen Raser zu identifizieren. Dies rechtfertige eine straffreie Dienstfahrt nicht. (Urteil 6B_1006/2013)
Aus Kränkung Ehefrau überfahren und getötet
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht bestätigt ein Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen, das einen Kosovaren zu einer 19-jährigen Haftstrafe verurteilt hat. Der Mann hatte seine Frau aus Eifersucht überfahren und danach auf sie eingeschlagen. (Urteil 6B_592/2014)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Weiteres Urteil im Tarifstreit
Jurius
Jurius
BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht hat abermals eine Beschwerde gegen den Taxpunktwert von 0,97 Franken für frei praktizierende Physiotherapeuten im Kanton Thurgau gutgeheissen. Die Regierung ist mit ihrer Berechnungsweise rechtswidrig vorgegangen. (Urteil C-7322/2013)
Aus dem Bundesstrafgericht
Ex-Manager bleibt in Auslieferungshaft
Jurius
Jurius
BStGer – Der am 1. Oktober wegen Geldwäscherei verurteilte kanadisch-tunesische Geschäftsmann kommt nicht frei. In Kanada ist der Mann wegen Bestechung und Korruption angeklagt.
Medienmitteilungen
Kollektivanlagenverordnung-FINMA
Jurius
Jurius
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA setzt am 1. Januar 2015 die totalrevidierte Kollektivanlagenverordnung der FINMA in Kraft.
Wirtschaftliche Beteiligung an Radio 32
Jurius
Jurius
Die AZ Medien AG darf sich indirekt am Solothurner Radio 32 beteiligen, wie das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) entschieden hat.
Der Risikoausgleich wird weiter verfeinert
Jurius
Jurius
Künftig werden für den Risikoausgleich in der Grundversicherung auch hohe Medikamentenkosten erfasst. Der Bundesrat setzt die Änderung der Verordnung über den Risikoausgleich auf den 1. Januar 2015 in Kraft.
Verständigung zur Unternehmensbesteuerung
Jurius
Jurius
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Vertreter der 28 EU-Mitgliedstaaten haben am 15. Oktober 2014 in Luxemburg eine gemeinsame Verständigung in Form eines Joint Statement zur Unternehmensbesteuerung unterzeichnet.