Liebe Leserinnen und Leser

Mit Entscheid vom 13. Dezember 2016 bestätigte das Bundesgericht die Anwendung der sog. absoluten Empfangstheorie auf den Empfang der Kündigung eines Mietverhältnisses bei Ferienabwesenheit der Mieterin. Harald Bärtschi und Ruedi Ackermann analysieren das Urteil und erläutern die Vor- und Nachteile, welche sich für die Beteiligten daraus ergeben. Sie raten den Mietern, die diskutierte Rechtslage zur Kenntnis zu nehmen und den Erhalt von eingeschriebenen Sendungen auch bei Abwesenheit sicherzustellen.
 
Sind dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten? «Ja», entschied der EuGH am 19. Oktober 2016. IP-Adressen dürfen nur erhoben und verwendet werden, wenn es hierfür eine gesetzliche Erlaubnis oder eine Einwilligung des Betroffenen gibt. Philippe Meier und Nicolas Tschumy sprechen diesem Urteil insbesondere für die in der Praxis häufig vorkommende Auswertung und Nutzung von IP-Adressen – beispielsweise zu statistischen und marketingbezogenen Zwecken – eine grosse Relevanz zu. Denn hierfür bedarf es zukünftig einer datenschutzrechtlichen Erlaubnis (siehe auch Simon Roth, Die grenzüberschreitende Edition von IP-Adressen und Bestandesdaten im Strafprozess, in: Jusletter 17. August 2015).
 
Nachdem die letzte Revision des Kartellgesetzes am 17. September 2014 knapp gescheitert war, ist ein neuer Anlauf zur Revision in näherer Zukunft zu erwarten. Vor diesem Hintergrund plädieren Corinne Nacht und Herbert Wohlmann dafür, das Kartellsanktionsrecht den Regeln des Unternehmensstrafrechts (Art. 102 StGB) zu unterstellen. Hiernach müssten auch die in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der Bundesverfassung festgelegten Grundrechte des Angeklagten zur Anwendung kommen.

Hadi Mirzai präsentiert einen Bericht zur Veranstaltung der Studienvereinigung Kartellrecht e.V. (Arbeitsgruppe Schweiz) und des Instituts für Wirtschaftsrecht der Universität Bern vom 15. September 2016. Die diesjährige Veranstaltung beschäftigte sich unter anderem mit der aktuellen Entscheidpraxis zu den Vertikalabreden, Rabatten bei Marktbeherrschung und der Revision des Kartellgesetzes.
 
Schliesslich bietet uns Roland Pfäffli eine Besprechung des Buches: «Die Vergütung im Bauwerkvertrag», verfasst von Rainer Schumacher und Roger König.

 

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.
 
Leiterin Jusletter
Simone Kaiser
Verlagsleiterin Editions Weblaw
Urteilsbesprechungen
Empfang der Wohnungskündigung bei Ferienabwesenheit
Harald Bärtschi
Harald Bärtschi
Ruedi Ackermann
Ruedi Ackermann
Das Bundesgericht bestätigt in seinem zur Publikation vorgesehenen Urteil 4A_293/2016 vom 13. Dezember 2016 die Anwendung der sog. absoluten Empfangstheorie auf den Empfang der Kündigung des Mietverhältnisses. Wegen einer zehntägigen Ferienabwesenheit konnte die Mieterin die eingeschrieben zugestellte Kündigung nicht auf der Poststelle abholen. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist wurde sie von der nochmals zugesandten Kündigung überrascht. Der Entscheid wirkt unbillig. Die konsequente Haltung des Bundesgerichts dient jedoch der Rechtssicherheit und wirkt unangemessenen Folgen bei einer missbräuchlichen Nichtentgegennahme von Sendungen entgegen.
L'adresse IP : une donnée personnelle ? Ou quand la CJUE rejoint le TF !
Philippe Meier
Philippe Meier
Nicolas Tschumy
Nicolas Tschumy
In seinem Urteil C-582/14 Patrick Breyer gegen Deutschland vom 19. Oktober 2016 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union die Gelegenheit, die schwierige Frage der rechtlichen Einordnung von «dynamischen» IP-Adressen als personenbezogene Daten zu präzisieren. Diese Entscheidung erlaubt es uns, auf diese Debatte – auch im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten des schweizerischen und des europäischen Datenschutzrechts – zurück zu kommen. Dies auch unter der Berücksichtigung der zukünftigen Schwierigkeiten durch das sog. IPv6 (Internet Protocol Version 6). (sts)
Beiträge
Plädoyer für die Unterstellung der Kartellsanktionen unter das Unternehmensstrafrecht
Corinne Nacht
Corinne Nacht
Herbert Wohlmann
Herbert Wohlmann
Die beiden Autoren plädieren aufgrund einer historischen und funktionalen Analyse für eine Überführung des Kartellsanktionsrechts ins Unternehmensstrafrecht. Damit wird die Konsistenz des Rechts hergestellt, die grundlegenden Prinzipien des Strafrechts auch im Kartellrecht angewendet, die «best-practice» Compliance als Schuldbefreiungsgrund anerkannt, die individuellen Täter zur Rechenschaft gezogen und gleichzeitig eine echte Abschreckungswirkung herbeigeführt.
Tagungsberichte
Aktuelle Fragen des Schweizer Kartellrechts
Hadi Mirzai
Hadi Mirzai
Am 15. September 2016 luden die Studienvereinigung Kartellrecht e.V. (Arbeitsgruppe Schweiz) und das Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Bern zu einer Veranstaltung an der Universität Bern. Referenten und Teilnehmer aus Lehre und Praxis diskutierten eine Reihe aktueller Entwicklungen im schweizerischen Kartellrecht.
Rezension
Rezension: Die Vergütung im Bauwerkvertrag
Roland Pfäffli
Roland Pfäffli
Die Vergütung der Bauunternehmer ist ein zentrales Thema des privaten Baurechts. Rechtzeitig zur Freiburger Baurechtstagung ist zur Vergütung im Bauwerkvertrag eine aktualisierte Fassung des vor rund zwanzig Jahren erschienenen Standardwerks erschienen. Es befasst sich eingehend mit der Grundvergütung und der Mehrvergütung, welche der Bauherr zu entrichten hat.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Invalidenrente: Schweiz hat Recht auf ein faires Verfahren verletzt
Jurius
Jurius
EGMR – Ein invalider Mann hatte vor dem Sozialversicherungsgericht Zürich keine Gelegenheit, zu den Eingaben der Pensionskasse Stellung zu nehmen, gegen welche er eine Klage eingereicht hatte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat nun entschieden, dass damit sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde. (Urteil 7318/09)
Aus dem Bundesgericht
Antirassismusgesetz: Nicht jeder Betroffene kann Privatkläger sein
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Basler Musikers David Klein abgewiesen, der sich in einem Verfahren wegen Rassendiskriminierung gegen den Kabarettisten Massimo Rocchi als Privatkläger konstituieren wollte. Das höchste Schweizer Gericht schliesst damit aus, dass sämtliche Angehörige einer Gruppe als Privatkläger bei einer Gruppendiskriminierung auftreten können. (Urteil 1B_320/2015)
Kostenauflage bei Kundgebungen mit Gewaltausübung
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht heisst eine Beschwerde gegen die neuen Regelungen im Polizeigesetz des Kantons Luzern teilweise gut, welche bei Kundgebungen mit Gewaltausübung unter bestimmten Voraussetzungen die Auferlegung von Polizeikosten an Veranstalter und Teilnehmer vorsehen. Die Bestimmung zur Gebührenerhebung bei Veranstaltern lässt sich verfassungskonform anwenden. Die Regelung betreffend die Kostenverteilung gegenüber Kundgebungsteilnehmern hebt das Bundesgericht auf. (Urteil 1C_502/2015)
Tödlicher Verkehrsunfall erneut vor Obergericht
Jurius
Jurius
BGer – Das Aargauer Obergericht muss sich zum dritten Mal mit dem Verkehrsunfall befassen, bei dem ein 17-Jähriger auf einem Fussgängerstreifen in Dottikon (AG) tödlich verletzt wurde. Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines Autofahrers teilweise gutgeheissen, der in den Unfall involviert gewesen war. (Urteil 6B_262/2016)
Beschwerde gegen Umbaubewilligung für Kurtheater abgewiesen
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines Anwohners gegen den Umbau und die Erweiterung des Kurtheaters Baden abgewiesen. Der Betroffene rügte vor allem, dass der geplante Erweiterungsbau die Gesamthöhe von 22,6 Meter des bestehenden Bühnenturms erreichen darf. (Urteil 1C_240/2016)