Liebe Leserinnen und Leser

Die Vernehmlassungsvorlage zur geplanten Revision des Gleichstellungsgesetzes schlägt vor, dass Betriebe künftig ihr Lohnsystem im Hinblick auf Lohndiskriminierung mit strukturierten multi-criteria Methoden prüfen sollen. Fritz Dolder und Matthias Moelleney untersuchen in Teil 1 ihrer Studie die Funktionsweise der multiplen Regressionsanalyse zur Beurteilung von betrieblichen Lohnsystemen. Sie zeigen die Probleme des Einsatzes dieser Methode auf, sei es aufgrund mathematischer Vorgaben, aufgrund ihres beschränkten Informationswerts oder aufgrund von rechtlichen Schranken. Teil 2 der Studie folgt in Kürze in Jusletter.
 
Ist Art. 2 Abs. 2 Kartellgesetz (KG) unter Berücksichtigung der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung extensiv oder restriktiv auszulegen in Bezug auf dessen Anwendbarkeit auf ausländische Sachverhalte, die sich auf den Wettbewerb in der Schweiz auswirken? Philipp Haberbeck prüft die Tragweite der Anwendbarkeit zunächst nach völkerrechtlichen Kriterien. Anschliessend unterzieht er die Bestimmung einer Auslegung nach dem bewährten Methodenpluralismus, im Licht der Verfassung und mittels Rechtsvergleichung. Der Autor kommt zum Ergebnis, dass in Art. 2 Abs. 2 KG die Möglichkeit einer Erheblichkeitsprüfung einer ausländischen Wettbewerbsabrede, die sich auf den Wettbewerb in der Schweiz auswirkt, nicht vorgesehen ist.
 
Wann hat die Erzwingung unangemessener Preise als Folge missbräuchlichen Verhaltens eines marktbeherrschenden Unternehmens zu gelten und wann kann ein Preis gar nicht unangemessen sein, weil er verdienter Lohn für überlegene Leistungen darstellt? Adrian Raass geht dieser Frage nach, indem er die Entstehungsgeschichte der einschlägigen kartellrechtlichen Bestimmungen in der Schweiz und in der EU aufzeigt und den Begriff «unangemessene Preise» näher beleuchtet. Er plädiert für eine stärkere Differenzierung in Bezug auf die Ursachen der Marktbeherrschung und der daraus resultierenden – gegebenenfalls unangemessenen – Preise sowie für mehr Zurückhaltung der Behörden bei Eingriffen. Und der Autor geht noch weiter: Er fordert eine ersatzlose Streichung des einschlägigen Artikels aus dem Kartellgesetz.
 
Für die Mitgliedstaaten des Schengen/Dublin Acquis enthält die neue Dublin-III-Verordnung Vorgaben zur sogenannten Dublin-Haft, der Inhaftierung von Personen zur Sicherstellung der Überstellung in den erstaufnehmenden Dublin-Staat. Constantin Hruschka und Seraina Nufer zeigen auf, wie diese für die Mitgliedstaaten verpflichtenden Vorgaben im Schweizer Recht umgesetzt wurden und legen den Fokus auf die Analyse erster Fälle aus der Rechtsprechung. Dabei stellen sie sowohl hinsichtlich der Schweizer Regelung als auch der Praxis der Migrationsbehörden im Umgang mit der Dublin-Haft noch Anpassungsbedarf fest, sei dies in Bezug auf die Einhaltung grundrechtlicher Standards bei der Haftanordnung, bei der Prüfung milderer Massnahmen, der Haftüberprüfung oder auch beim Beschleunigungsgebot.
 
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.
 
Simone Kaiser
Verlagsleiterin Editions Weblaw
Beiträge
Betriebliche Lohnanalyse mit Hilfe der multiplen Regression – Teil 1
Fritz Dolder
Fritz Dolder
Matthias Moelleney
Matthias Moelleney
Die Vernehmlassungsvorlage für die geplante Revision des Gleichstellungsgesetzes schlägt unter anderem vor, dass die Betriebe verpflichtet werden, ihr Lohnsystem im Hinblick auf die Lohndiskriminierung (Art. 3 GlG) mit Hilfe von strukturierten multi-criteria Instrumenten zu beurteilen. Die für diese Aufgabe diskutierte Methode der multiplen Regressionsanalyse OLS weist verschiedene technische Problembereiche auf, welche auf mathematische Vorgaben, auf den beschränkten Informationswert der Methode und auf rechtliche Rahmenbedingungen zurückzuführen sind.
Zur Auslegung von Art. 2 Abs. 2 KG: Lausanne locuta, causa finita
Philipp Haberbeck
Philipp Haberbeck
Der Beitrag diskutiert – unter Berücksichtigung des neuen bundesgerichtlichen Leiturteils 2C_180/2014 – die umstrittene Frage, ob Art. 2 Abs. 2 KG in dem Sinne extensiv und ohne Einschränkung zu verstehen ist, dass das Kartellgesetz grundsätzlich auf sämtliche ausländischen Sachverhalte anwendbar ist, die sich auf den Wettbewerb in der Schweiz auswirken, oder ob die erwähnte Bestimmung vielmehr dahingehend restriktiv zu interpretieren ist, dass sie nur bei qualifizierten Inlandsauswirkungen zu einer Anwendung des Kartellgesetzes auf im Ausland begründete Sachverhalte führt.
Unangemessene Preise – Zu Theorie und Praxis einer problematischen Bestimmung
Adrian Raass
Adrian Raass
Laut Kartellgesetz ist die Erzwingung unangemessener Preise eine missbräuchliche Verhaltensweise eines marktbeherrschenden Unternehmens. Ein erfolgreiches Unternehmen muss die Früchte seines Erfolgs ernten können. Also darf es nicht unangemessener Preise bezichtigt werden. Die fragliche Bestimmung dürfte somit nur auf Unternehmen angewendet werden, welche ihre Markstellung nicht durch bessere Leistung errungen haben, sondern sie Behinderungsmissbrauch oder regulatorischer Bevorteilung verdanken. Diese Unterscheidung machen die Wettbewerbsbehörden in ihrer Praxis nicht, was Wirtschaft und Wettbewerb schaden dürfte.
Erste Erfahrungen mit der neuen Dublin-Haft
Constantin Hruschka
Constantin Hruschka
Seraina Nufer
Seraina Nufer
Die neuen Regeln zur Dublin-Haft gelten in der Schweiz seit Juli 2015. Erste Erfahrungen mit den Neuregelungen zeigen einen erheblichen Anpassungsbedarf in der Praxis. Neben gesetzlichem Anpassungsbedarf stellt die vorliegende Analyse fest, dass Haft regelmässig ohne die notwendige Einzelfallprüfung und unter Verkennung der anwendbaren Standards angeordnet wird. Insbesondere anhand der bisher zur Dublin-Haft ergangenen bundesgerichtlichen Grundsatzurteile werden die konventionsrechtlichen Grenzen des Freiheitsentzugs ebenso in den Blick genommen wie die assoziations- und verfassungsrechtlichen Implikationen der aktuellen Haftpraxis.
Aus dem Bundesgericht
Trennung der Eltern von minderjährigem Kind unverhältnismässig
Jurius
Jurius
BGer – Die Anordnung von ausländerrechtlicher Dublin-Haft gegen Eltern, unter gleichzeitiger Fremdplatzierung deren Kleinkinder, ist angesichts der Bedeutung des Kindeswohls nur als ultima ratio und nach gründlicher Prüfung weniger einschneidender Massnahmen zulässig. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde eines Ehepaares aus Afghanistan gut. (Urteile 2C_1052/2016, 2C_1053/2016)
Kind entzogen weil Pflegevater wegen Pornographie vorbestraft ist
Jurius
Jurius
BGer – Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Bezirks Brig (VS) hat ein vierjähriges Pflegekind zurecht umplatziert, weil der Pflegevater zwei Mal wegen Pornographie verurteilt wurde. Dies hat das Bundesgericht am 18. Mai 2017 entschieden. (Urteil 5A_444/2016)
Messerattacke von Oftringen (AG): Beschuldigter bleibt in U-Haft
Jurius
Jurius
BGer – Der geständige Beschuldigte, der im September 2016 einen Nebenbuhler auf dem Aussenparkplatz eines Einkaufszentrums in Oftringen (AG) mit einem Messer attackierte, bleibt in Untersuchungshaft. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde des Mannes gegen die zweite Haftverlängerung abgewiesen. (Urteil 1B_149/2017)
Einbürgerung im Kanton Bern erst nach Rückzahlung von Sozialhilfe
Jurius
Jurius
BGer – Einer irakisch-pakistanischen Familie ist die Einbürgerung im Kanton Bern zu Recht verwehrt worden, weil sie die bezogene Sozialhilfe nicht zurückbezahlt hatte. Dies hat das Bundesgericht entschieden und eine Beschwerde des Ehepaares abgewiesen. (Urteil 1D_4/2016)
Freispruch für Zürcher Stadtpolizisten bestätigt
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat den Freispruch für zwei Zürcher Stadtpolizisten bestätigt, die von einer Ex-Kollegin beschuldigt wurden, ihr verschiedene Verletzungen zugefügt zu haben. Die Polizisten waren von ihrer Einsatzzentrale zur Frau geschickt worden, weil diese Suiziddrohungen geäussert hatte. (Urteil 6B_1333/2016)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
SRG – Radio-Werbetrailer: Ungenügende Abgrenzung zu redaktionellem Teil
Jurius
Jurius
BVGer – Auf Radio SRF ist 2015 ein Trailer im Vorfeld der TV-Sendung «Die grössten Schweizer Talente» ausgestrahlt worden, ohne dass dieser akustisch vom redaktionellen Teil abgetrennt war. Damit hat die SRG gegen das Radio- und Fernsehgesetz verstossen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. (Urteil A-7471/2016)