Liebe Leserinnen und Leser

Guillaume Braidi und Laurent Schmidt untersuchen die geplanten Änderungen der Bankengesetzgebung mit Augenmerk auf FinTech-Unternehmen. Sie begrüssen die Neuerungen sowie den Willen, den Marktzugang für solche Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich zu erleichtern. Kritischer wird der Investorenschutz beurteilt, welcher bei einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die FinTech-Unternehmen nicht geschwächt werden darf.

Als neue «Depressionspraxis» identifiziert Eva Slavik die Rechtsprechung des Bundesgerichts, nach der bei einer leichten bis mittelschweren Depression regelmässig eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit und damit der Invalidenrentenanspruch verneint werden. Das Gericht stützt sich dabei auf die gute Therapierbarkeit. Die Autorin setzt sich kritisch mit dieser Praxis auseinander und macht zahlreiche medizinische und rechtliche Schwächen aus.

Unter welchen Voraussetzungen darf Amtshilfe in Steuersachen bei Gruppenersuchen geleistet werden? Das Bundesgericht hat in BGE 143 II 136 eine solche, gestützt auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden, als zulässig erachtet. Daniel Holenstein stellt das Urteil von grundsätzlicher Bedeutung vor und würdigt es kritisch.  Der Autor hält in casu die völkerrechtliche Rechtsgrundlage für unzureichend und das Gruppenersuchen somit für unzulässig.

Mit der Rechtsfigur des virtuellen Erben muss der übergangene Pflichtteilserben seine Erbenstellung erst gerichtlich erstreiten und gilt nicht mehr kraft Gesetzes als der Erbengemeinschaft angehörig. Artur Terekhov kritisiert diese jüngere Lehre, welche nun auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Niederschlag findet. Sie verstösst nach Ansicht des Autors nicht nur gegen den Gesetzeswortlaut, sondern stiftet auch Verwirrung bei den erbrechtlichen Auskunftsansprüchen.

Sylvain Métilles  Einschätzung zur Zukunft von offenen WLAN-Netzwerken in der Schweiz fällt positiver aus als diejenige von Christa Hofmann in der Jusletter-Ausgabe vom 3. Juli 2017. Er erkennt zwar auch Grenzen der geplanten neuen Normen zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, etwa die Gefahr der Erschwerung des einfachen und schrankenlosen Internetzugangs durch die Pflicht der Telekommunikationsdienstleistungs-Anbieterinnen, von ihren WLAN-Nutzenden eine Identifikation zu verlangen. Die offenen WLAN-Netzwerke sieht er aber nicht gefährdet. (Vgl. Christa Hofmann, Ende des open WLAN in der Schweiz?, in: Jusletter 3. Juli 2017)

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.
 
Leiterin Jusletter
Simone Kaiser
Verlagsleiterin Editions Weblaw
Beiträge
FinTech : une déréglementation innovante
Guillaume Braidi
Guillaume Braidi
Laurent Schmidt
Laurent Schmidt
Um die Entwicklung der FinTech-Unternehmen zu erleichtern, haben Bundesrat und Parlement eine Erneuerung des Bankengesetzes und seiner Ausführungsverordnung – im Sinne einer Deregulierung – eingeleitet. Der Beitrag untersucht die vorgeschlagenen Erleichterungen, nämlich die Verlängerung der Frist für Abwicklungskonten (Art. 5 Abs. 3 Bst. c BankV), die Schaffung einer Schwelle für Einlagen, unter welcher keine Bankbewilligung nötig ist (Art. 6 Abs. 2 BankV), sowie die Einführung einer erleichterten Bewilligungskategorie im BankG (Art. 1b BankG). Die Autoren bieten zudem eine kurze Zusammenfassung dieser Änderungen in Form einer Übersichtstabelle an.
Invalidenrentenanspruch bei depressiven Erkrankungen
Eva Slavik
Eva Slavik
Seit einiger Zeit urteilt das Bundesgericht regelmässig, dass therapierbare, leicht bis mittelschwer ausgeprägte Depressionen nie invalidisierend seien und verneint den Rentenanspruch von versicherten Personen mit diesen Diagnosen. Depressive Erkrankungen und daraus folgende Erwerbsausfälle sind sehr häufig. Diese Rechtsprechung hat daher eine erhebliche sozialpolitische Tragweite und weckt zahlreiche medizinische und rechtliche Bedenken. Sie wird mit dem Beitrag deshalb kritisch hinterfragt.
«Netzroller» zugunsten der ESTV
Daniel Holenstein
Daniel Holenstein
Im Beitrag setzt sich der Autor mit dem Urteil des Bundesgerichts vom 12. September 2016 auseinander, in welchem dieses die Zulässigkeit von Amtshilfe gestützt auf ein Gruppenersuchen bejahte. Er stellt die Prozessgeschichte und die wesentlichen Erwägungen des Bundesgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts als Vorinstanz dar. Unter den Bemerkungen kritisiert der Autor den Entscheid des Bundesgerichts. Ausserdem geht er auf Aspekte ein, welche bisher zwar vom Bundesverwaltungsgericht, nicht aber vom Bundesgericht beurteilt worden sind.
Gegen die Rechtsfigur des virtuellen Erben – ein Plädoyer
Artur Terekhov
Artur Terekhov
Für den gänzlich übergangenen Pflichtteilserben schuf die jüngere Lehre die Rechtsfigur des virtuellen Erben. Der virtuelle Erbe soll sich dabei neu mittels Herabsetzungsklage die Erbenstellung erst erstreiten müssen, um der Erbengemeinschaft anzugehören. Auch das Bundesgericht scheint nun dieser Sichtweise zu folgen. Der Autor lehnt die Rechtsfigur des virtuellen Erben klar ab – nicht bloss um der wortlautgetreuen Rechtsanwendung willen, sondern auch mit Blick auf nicht hinzunehmende Widersprüche und Verwirrungen bei erbrechtlichen Auskunftsansprüchen sowie zivilprozessualen Rahmenbedingungen. Er plädiert dafür, auf die frühere Lehre und Praxis zurückzukommen.
Essay
Le wifi ouvert a encore de l’avenir en Suisse
Sylvain Métille
Sylvain Métille
In der Ausgabe von Jusletter vom 3. Juli 2017 verlieh Christa Hofmann ihren Befürchtungen Ausdruck, die offenen WLAN-Netzwerke in der Schweiz könnten verschwinden mit dem Inkrafttreten des revidierten BÜPF. Der Beitrag geht auf diese Befürchtungen ein und erklärt, warum diese nicht eintreffen müssen. (as)
Aus dem Bundesgericht
Verlängerung der Untersuchungshaft gegen Ex-Innenminister von Gambia
Jurius
Jurius
BGer – Das Bundesgericht weist die Beschwerde des früheren Innenministers der Republik Gambia gegen eine Verlängerung der gegen ihn verhängten Untersuchungshaft ab. Das Bundesstrafgericht hat aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse zu Recht einen dringenden Tatverdacht auf Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit bejaht. (Urteil 1B_271/2017)
Remous judiciaires après un suicide aux HUG
Jurius
Jurius
BGer – Nach dem Selbstmord einer jungen Frau muss die Genfer Justiz auf ihren Entscheid zurückkommen, mit dem sie den Eltern die Parteistellung in einem Verfahren gegen das Universitätsspital Genf (HUG) abgesprochen hat. Die Patientin stürzte sich am Tag nach ihrem Eintritt ins HUG aus dem Fenster. (Urteil 2C_278/2017) (as)
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Rückkehr nach Eritrea zulässig und zumutbar
Jurius
Jurius
BVGer – Eritreer, die ihre Dienstpflicht geleistet haben, müssen bei der Rückkehr ins Heimatland nicht generell mit erneuter Einberufung in den Nationaldienst oder mit Bestrafung rechnen. Damit droht den Betroffenen keine menschenrechtswidrige Behandlung. Dies hält das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 17. August 2017 fest. (Urteil D-2311/20161)
Aus dem Bundesstrafgericht
Mutmassliche Mafiosi bleiben in Auslieferungshaft
Jurius
Jurius
BStGer – Neun mutmassliche Mitglieder der Frauenfelder Zelle der ’Ndrangheta bleiben in Auslieferungshaft. Dies hat das Bundesstrafgericht in Bellinzona entschieden. Sie warten in der Haft auf einen Entscheid des Bundesgerichts zu ihrer Auslieferung an Italien. (Urteile RH.2017.7, RH.2017.8 und RH.2017.10)
Medienmitteilungen
Wählbare Anlagestrategien in der 2. Säule und erleichterte Rückzahlung
Jurius
Jurius
Ab dem 1. Oktober 2017 werden Versicherte mit höheren Einkommen, die bei ihrer Pensionskasse zwischen mehreren Anlagestrategien auswählen können, beim Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung nicht nur einen höheren Anlageertrag mitnehmen, sondern werden auch einen allfälligen Verlust selber tragen. Auf das gleiche Datum wird ausserdem die Rückzahlung von Vorsorgegeldern erleichtert, die für den Erwerb von Wohneigentum vorbezogen wurden. Die Inkraftsetzung dieser beiden Änderungen auf Oktober hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 30. August 2017 beschlossen.
Neue Vorränge im grenzüberschreitenden Stromnetz
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 30. August 2017 die von der Bundesversammlung am 17. März 2017 beschlossene Änderung des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) per 1. Oktober 2017 in Kraft gesetzt. Damit werden die Vorränge für Stromlieferungen über die Grenze neu geregelt: Vorrang haben nur noch Lieferungen aus vor dem 31. Oktober 2002 abgeschlossenen Langfristverträgen sowie aus Grenzwasserkraftwerken. Der Vorrang für Stromlieferungen an Endverbraucher in der Grundversorgung und Lieferungen aus erneuerbaren Energien wird aufgehoben.
Gesetzgebungsübersicht
Verzeichnis der auf September 2017 in Kraft getretenen Erlasse des Bundes
Jurius
Jurius
Die Zusammenstellung beinhaltet alle schweizerischen Bundesgesetze, Bundesbeschlüsse, Bundesrats- und Departementsverordnungen sowie einzelne Artikel, die im September 2017 in Kraft treten. Die einzelnen Erlasse und Änderungen können via Links direkt abgerufen werden.