«Les absents ont toujours tort – aussi quand on fait du droit du sport!»
Liebe Leserinnen und Leser
Wieder einmal widmet sich eine Ausgabe von Jusletter dem Sportrecht. Allen Autoren sei für Ihre Beiträge herzlich gedankt!
Diese Ausgabe kommt zu einem Zeitpunkt, in welchem die Aufmerksamkeit der sportlich interessierten Allgemeinheit nach Südafrika gerichtet ist. Wie alle vier Jahre, die FIFA WM besetzt unsere Abende, und die Schweizer Sportnation kann fühlen, wie für uns alle die «Nati» wichtig ist, wie froh in der Romandie das französische Débacle wahrgenommen wird, wie glücklich viele Tessiner das Desaster der Azzurri verfolgen, und wie gross die Argusaugen vieler Deutschschweizer gegenüber dem grossen Deutschen «Cousin» sind.
Und doch, sportrechtlich gesehen sind bislang alle FIFA WM völlig uninteressant gewesen. Zwar wurde an der FIFA WM 2002 in Korea und Japan die erste ad-hoc Chamber auf die Beine gestellt, sie blieb aber untätig, so wie es auch an der FIFA WM 2006 der Fall gewesen ist. Wird der TAS ad-hoc Chamber in Südafrika Arbeit anfallen?
Wenn ja, wird dies sicherlich eines der Themen, die an der 3. Lausanner Tagung, die der Schweizerische Anwaltsverband und der TAS, Tribunal Arbitral du Sport, im September 2010 durchführen (siehe www.tas-cas.org und www.swisslawyers.com), behandelt werden. Rund 250 Teilnehmer aus der ganzen Welt werden nach Lausanne kommen, mit der wohl berechtigten Hoffnung, hochstehende Vorträge zu den wichtigsten Themen zu hören. Die Publikationen der ersten zwei Tagungen («The Proceedings before the Court of Arbitration for Sport» und «Sport Governance, Football Disputes, Doping and CAS Arbitration») haben gezeigt, dass sich kaum ein anderer Rechtsbereich in den letzten 10 bis 15 Jahre so stark entwickelt hat, wie das Sportrecht.
Die erwähnte September-Tagung von TAS und SAV wird wenige Monate nach der 4. Sportrechtstagung der ASDS, Association Suisse de Droit du Sport, die vor wenigen Wochen in Magglingen stattfand (siehe www.asds.ch), durchgeführt. Auch an diesem traditionellen Anlass, aus welchem ein Teil der vorliegenden Beiträge stammt, konnte man buchstäblich spüren, dass Sportjuristinnen und Sportjuristen vor neuen Herausforderungen stehen:
So wird zum Beispiel die Organisation von Anlässen auch juristisch immer komplexer: Veranstalterverträge, Konzessions- und Sicherheitsfragen, Finanzierungsaspekte, usw. verursachen nicht nur Kopfzerbrechen, sondern auch juristischen Aufwand. Es mag diesbezüglich kein Zufall sein, dass die Unterlagen, die jedes Land, das sich für die FIFA WM 2018 bewerben will, bereits einen dicken, grossen Bundesordner an Unterlagen ausfüllen muss – und dies nur für die Berechtigung, ein «Bid», d.h. eine Veranstalterofferte zu unterbreiten.
Aber auch andere Themen wie die Nationalität der Athleten, die angepasste Schiedsordnung des TAS, die neuen Entwicklungen im Disziplinarrecht (Hockey-League...), die neuen Financial Fairplay Regeln der UEFA, die neuesten Dopingfällen und natürlich die Berichterstattung über die Rechtsprechung der TAS ad-hoc Kammer an den Olympischen Spielen in Vancouver sowie anderer Gerichte und Schiedsgerichte, haben die Aufmerksamkeit der rund 90 Teilnehmer der 4. ASDS Sportrechtstage auf sich gezogen – und gezeigt, dass Weiterbildung und reger Austausch für jede Juristin und jeden Juristen wichtig sind, für Sportjuristinnen und Sportjuristen um so mehr.
Daher der Titel dieser Einleitung: wer an einem der oben genannten Treffen nicht anwesend war bzw. sein wird, dem möge immerhin die Lektüre dieser spannenden Spezialausgabe dienen!
Sportrechtliche Grüsse
Michele Bernasconi
(Präsident ASDS, Mitglied Komitee Sportrecht SAV)
(Präsident ASDS, Mitglied Komitee Sportrecht SAV)
Die heutige Schwerpunktausgabe von Jusletter enthält sieben Beiträge zum Sportrecht: Yann Hafner gibt einen Überblick über die Regeln für die Spielberechtigung von Fussballern in einer Nationalmannschaft. Markus Natsch schreibt über die Kronzeugenregelung in Art. 10.5.3 Doping-Statut von Swiss Olympic und stellt die Frage, ob es sich dabei um einen zahnlosen Tiger handle. Martin Kaiser widmet sich der rechtlichen Zulässigkeit der «6+5»-Regel der FIFA und Nicolas Dutoit befasst sich mit dem Urteil Bernard des EuGH vom 16. März 2010, welches von der Zulässigkeit von Ausbildungsentschädigungen im Falle eines Transfers handelt. Antonio Rigozzi präsentiert den Doping-Fall der deutschen Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, in welchem das Bundesgericht vorläufigen Rechtsschutz gewährt hatte, sodass die Sportlerin an einem Qualifikationsrennen für die Olympischen Winterspiele 2010 teilnehmen konnte. Schliesslich enthält die aktuelle Ausgabe eine von Ulrich Haas verfasste Rezension der Dissertation «Die Rechtsprechung der Disziplinarkammer für Dopingfälle von Swiss Olympic unter dem Gesichtspunkt der Unschuldsvermutung» von Markus Natsch sowie einen von Studenten der Universität Neuenburg erarbeiteten Schiedsspruch.
Und zu guter Letzt ein Hinweis in eigener Sache: Jusletter macht eine zweiwöchige Sommerpause: Am 5. und 12. Juli 2010 wird kein Jusletter erscheinen. Wir freuen uns, Sie am 19. Juli 2010 zur nächsten Ausgabe von Jusletter begrüssen zu dürfen.
Nils Güggi | Daniel Hürlimann |