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Liebe Leser*innen

Prof. Dr. Daniel Hürlimann ist Ende September 37-jährig verstorben. Der promovierte Jurist, ein Open-Access-Pionier in der Schweiz, wurde letztes Jahr zum ersten Professor für Rechtsinformatik der Schweiz ernannt. Nils Güggi, Thomas Stadelmann und Franz Kummer haben einen Nachruf verfasst.

Jörg Jeger bespricht das als BGE 148 V 49 ergangene Leiturteil des Bundesgerichts. Dabei stellt sich die Frage, ob das Gericht von einem medizinisch nachvollziehbaren Indizienbeweis zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung psychischer Erkrankungen abrückt. Der Autor kommt zum Schluss, dass das Bundesgericht rückfällig geworden ist.

Abolitionismus als philosophische und kriminalpolitische Theorie fordert die Abschaffung von Gefängnissen und Polizei. In seinem Aufsatz zeigt Stephan Bernard auf, dass die abolitionistische Kritik auch in der Schweiz wertvolle Anregungen hinsichtlich eines liberaleren Strafrechtsdenkens liefern kann.

Die Nutzung von Cloud-Diensten wird zunehmend kontrovers diskutiert. Im Fokus der Debatte steht der potenzielle Zugriff durch US-Behörden auf in der Cloud gespeicherte Daten. In seinem Essay weist Julian Powell darauf hin, dass dabei andere bedeutsame Auslagerungsrisiken (zu) wenig Beachtung erhalten.

Am 15. September 2022 wurde in Bern der 6. Schweizer Notariatskongress durchgeführt. Thema des Anlasses war der technische Fortschritt im Notariatswesen sowie ein Blick in die Zukunft. Roland Pfäffli liefert einen Tagungsbericht zum Kongress.

Wir wünschen eine lehrreiche und interessante Lektüre sowie einen guten Wochenstart!

Editions Weblaw

In eigener Sache:

Nachruf
Nils Güggi
jcr:6677163f-570d-41ff-ae8d-6ab854bd2122
Thomas Stadelmann
jcr:3653c0c3-af3b-4bbc-8347-e272d268718f
Franz Kummer
Abstract

Am 29. September 2022 ist Prof. Dr. Daniel Hürlimann mit 37 Jahren verstorben. Die Autoren ehren den Verstorbenen mit einem Nachruf.

Urteilsbesprechungen
Jörg Jeger
Abstract

Mit den Leiturteilen BGE 144 V 50, BGE 145 V 361 und BGE 148 V 49 ist viel von den Intentionen des indirekten Indizienbeweises zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung psychischer Erkrankungen (BGE 141 V 281) verloren gegangen. Das Bundesgericht ist rückfällig geworden: Es arbeitet wieder mit medizinisch unhaltbaren Vermutungen (generelle «Gesundheitsvermutung», Vermutung einer nicht invalidisierenden Wirkung von leicht- bis mittelgradigen Depressionen) und legitimiert schwer nachvollziehbare Eigeneinschätzungen durch medizinisch nicht geschultes Personal («Parallelüberprüfungen»). Der gute Geist von BGE 141 V 281 ist schwer bedroht.

Essay
Stephan Bernard
Abstract

Abolitionismus ist ein theoretischer Ansatz und eine politische und soziale Bewegung, die sich für die Überwindung staatlicher Gewaltinstitutionen wie Gefängnis und Polizei einsetzt. Während im deutschsprachigen Raum diese Position an Universitäten bisher kaum vertreten wird, hatte und hat sie insbesondere in den USA prominente Fürsprechende. Der Autor zeigt auf, dass die abolitionistische Kritik auch hierzulande wichtige Inputs gerade für ein liberales Strafrechtsdenken zu geben vermag.

Julian Powell
Abstract

Die zunehmende Nutzung von Cloud-Diensten ist ein ebenso aktuelles wie umstrittenes Thema. Im Fokus der datenschutzrechtlichen Diskussion steht der potenzielle Zugriff durch US-Behörden auf Daten, die Schweizer Behörden und Private in den Clouds von US-Tech-Giganten speichern. Dabei wird aber anderen – eigentlich altbekannten – Risiken nur wenig Beachtung geschenkt. Denn jede Auslagerung birgt einen Kontrollverlust und ein Abhängigkeitsrisiko. Wo besonders sensible Daten und kritische Infrastrukturen betroffen sind, ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesen Gefahren erforderlich.

Tagungsberichte
Roland Pfäffli
Abstract

Der 6. Schweizer Notariatskongress fand am 15. September 2022 in Bern statt. Er befasste sich mit dem technischen Fortschritt (Digitalisierung) im Zusammenhang mit dem Tagesgeschäft des Notars. Der gleichzeitig erschienene Tagungsband enthält die Referate bzw. die Links zu den Foliensätzen.

Aus dem Bundesgericht
Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht hat ein Tierhalteverbot für eine Thurgauerin bestätigt, bei der das kantonale Veterinäramt wiederholt kranke und verwahrloste Katzen und weitere Tiere feststellte. Ein Teil der vorgefundenen Katzen musste eingeschläfert werden. (Urteil 2C_576/2021)

Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines Mannes teilweise gutgeheissen, der unter anderem wegen wiederholter versuchter Anstiftung zu Mord und schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe und einer zehnjährigen Landesverweisung verurteilt wurde. (Urteil 6B_1029/2021)

Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht lehnt eine Beschwerde der Bank Mirabeau ab, die dazu verurteilt wurde, vier belgischen Kunden, die Mitglieder einer Erbengemeinschaft waren, mehr als 140'000 Euro zurückzuzahlen. Die Bank hatte ohne die üblichen Überprüfungen einen per Post versandten Überweisungsauftrag ausgeführt, der von Betrügern entwendet und gefälscht worden war. (Urteil 4A_425/2021) (el)

Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht lässt die Beschwerde eines Franzosen, der von der Genfer Justiz wegen Verleumdung verurteilt wurde, teilweise zu. Die Äusserungen eines Mandanten gegenüber seinem Anwalt müssen angesichts des strittigen Kontexts und des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant zurückhaltend beurteilt werden. (Urteil 6B_1287/2021) (el)

Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht hat entschieden: Der Grosse Rat des Kantons Wallis muss über das von der Gemeinde Sembrancher eingereichte Gesuch um Ausstand des Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten entscheiden. Das Büro des Grossen Rates teilte am Freitag mit, dass es den Entscheid zur Kenntnis nimmt. (Urteil 1C_36/2021) (el)

Jurius
Abstract

BGer – Ein erwerbsloser Neuenburger muss keine Taggelder zurückerstatten, obwohl er sich vor seiner Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung nicht um eine neue Stelle bemühte. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Die Arbeitslosenkasse versäumte, dem Mann die entsprechende Sanktion innerhalb der sechsmonatigen Frist rechtsgültig zuzustellen. (Urteil 8C_233/2022)

Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht hat die Verurteilung eines Portugiesen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen vorsätzlicher Tötung bestätigt. Er wird zudem für 15 Jahre des Landes verwiesen. Der Mann erdrosselte seine Lebensgefährtin im Mai 2018 nach einem Streit. (Urteil 6B_283/2022)

Rechtsprechungsübersicht
Jurius
Abstract

Die Rechtsprechungsübersicht führt die zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteile des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. August bis und mit 16. September 2022 sowie die Urteile des EGMR mit Beteiligung der Schweiz auf. Neben Dossiernummer, Urteilsdatum, Abteilung/Kammer, Prozessgegenstand und Vorinstanz wird ein Hyperlink zum Originalentscheid und – sofern vorhanden – zur jeweiligen Mitteilung bzw. Besprechung in Jusletter und im dRSK wiedergegeben.