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Liebe Leserinnen und Leser
 
Die ZPO ist nun zehn Monate «alt» – Zeit für ein kurzes Resümee:
 
Sind die Gerichte auf dem Weg zu einer gefestigten Rechtsprechung? Welche Besonderheiten hat das vereinfachte Verfahren? Welche bringt das ordentliche Verfahren mit sich? Welche (neuen) Rechte und Pflichten treffen die Parteien im Einzelnen? In welchen Fällen bleibt das Handelsgericht zuständig? In acht Beiträgen werden allgemeine und einzelne Probleme sowie Besonderheiten der neuen ZPO herausgegriffen und erste Erfahrungen in Rechtsprechung und Praxis beschrieben.
 
Einen Einstieg in die Thematik bietet die Rechtsprechungsübersicht von PD Dr. Peter Reetz und Sarah Hilber. Sie haben die Judikatur im Kanton Zürich als Beispiel der gerade stattfindenden Entwicklung zur neuen ZPO zusammengestellt und kommentiert.
 
Beat Gut beschreibt die ersten Erfahrungen aus Richtersicht und bietet einen kurzen Überblick zu aktuellen Fragestellungen. Er kommt zum Schluss, dass das Ideal der einheitlichen schweizerischen Prozessordnung noch nicht verwirklicht ist.
 
Fehlt die schriftliche Begründung beim vereinfachten Verfahren, verläuft das Verfahren vorwiegend mündlich ab. Myriam Grütter beleuchtet einige der besonderen prozessrechtlichen und praktischen Fragen dieses Verfahrens.
 
Der Klageänderung und dem Novenrecht im ordentlichen Verfahren widmet sich Dr. Nadine Mayhall. Sie geht der Frage nach, welche Vorbringen der Parteien zu einer Klageänderung im Sinne von Art. 227 Abs. 1 ZPO bzw. Art. 230 Abs. 1 ZPO führen und weist auf die mögliche Wechselwirkung zwischen Novenrecht und Klageänderung hin.
 
Stephan Fratini prüft die Umsetzung des Replikrechts in der neuen ZPO – sowie StPO – und  Probleme des Grundsatzes der Waffengleichheit. Er schlägt Lösungen vor, um die Einhaltung dieser Grundsätze zu gewährleisten.
 
Editionspflichten nach der ZPO sind Thema des Beitrages von Stefan Gäumann und Reto Marghitola. Hierbei setzen sie sich neben der Beantwortung von Grundsatzfragen der Edition vertieft mit dem Mitwirkungsverweigerungsrecht und den Sanktionen bei ungerechtfertigter Verweigerung auseinander.
 
Kann der Kläger tatsächlich zwischen ordentlichem Gericht und Handelsgerichtsbarkeit wählen? Unter welchen Voraussetzungen ein Wahlrecht des Klägers besteht (Art. 6. Abs. 3 ZPO) bzw. bestehen muss, legen Julian Schwaller und Dr. Georg Naegeli am Beispiel konsumenten- und arbeitsrechtlicher Streitigkeiten dar.
 
Einem weiteren Problemfeld in Verbindung mit den Handelsgerichten sehen sich Manuela Rapold und Reto Ferrari-Visca gegenübergestellt: Die Zuständigkeit der Handelsgerichte für die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Sie zeigen die Fälle auf, in welchen das Handelsgericht ausschliesslich zuständig ist.
 
Herzlich möchten wir uns bei Prof. Dr. Felix Dasser, Jusletter-Redaktion Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, für die unentbehrliche Mithilfe bei dieser Schwerpunkt-Ausgabe bedanken.
 
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.
 
   
Simone Kaiser Sarah Montani
Rechtsanwältin, Leiterin Jusletter Mitinhaberin Weblaw AG
Kommentierte Rechtsprechungsübersicht
Peter Reetz
Sarah Hilber
Abstract

Die Darstellung soll einen Überblick über die Judikatur im Kanton Zürich zur neuen ZPO geben, zumal die Zürcher Gerichte bereits wesentlich rechtsfortbildend (vgl. Art. 1 Abs. 3 ZGB) tätig waren. Wo dies passend erschien, wurden die Entscheide mit kurzen Anmerkungen der Autoren versehen.

Beiträge
Beat Gut
Abstract

Das Ideal der schweizerisch einheitlichen Prozessordnung ist noch nicht verwirklicht. Es gilt einstweilen der Grundsatz, jeder Kanton versucht seine liebgewonnenen Eigenheiten durch individuelle Auslegung möglichst beizubehalten. Immerhin, es gibt keine unlösbaren Probleme. Die Krux ist, dass die gefundenen Lösungen selbst innerhalb desselben Gerichts oft so verschieden sind, dass sich Rechtsanwälte nicht auf Bekanntes verlassen können. Ohne den Kitt einer gefestigten Praxis erweist sich die ZPO deshalb (noch) als sehr lückenhaft. Nachfolgend einige aktuelle Probleme, wegen der kantonal geregelten Gerichtsorganisation aus Zürcher Optik.

Myriam Grütter
Abstract

Das vereinfachte Verfahren kann entweder mit oder ohne schriftliche Begründung eingeleitet werden. Fehlt die schriftliche Begründung, verläuft das Verfahren vorwiegend mündlich. Dies führt zu eigenen prozessrechtlichen und praktischen Fragen. Die Autorin beleuchtet einige davon auf ihrem Gang durch ein mündliches Verfahren.

Nadine Mayhall
Abstract

Der Beitrag geht der Frage nach, welche Vorbringen der Parteien zu einer Klageänderung im Sinne von Art. 227 Abs. 1 ZPO bzw. Art. 230 Abs.1 ZPO führen und somit sowohl im Vorbereitungsverfahren wie auch an der Hauptverhandlung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. Des Weiteren wird auf die Wechselwirkung zwischen Novenrecht und Klageänderung nach Eintritt des in Anwendung der Eventualmaxime festgelegten Zeitpunktes – in der Regel die Hauptverhandlung – hingewiesen.

Stephan Fratini
Abstract

Im Lichte der jüngsten Rechtsprechung zum inzwischen berühmt gewordenen Replikrecht prüft der Beitrag die Umsetzung dieses Rechts in der neuen ZPO und StPO sowie einige Probleme zum Grundsatz der Waffengleichheit. Da die Bestimmungen der neuen Prozessordnungen nicht immer ausreichend sind, um die Einhaltung dieser Grundsätze zu gewährleisten, werden Lösungen vorgeschlagen.

Stefan Gäumann
Reto Marghitola
Abstract

Auch unter der neuen Zivilprozessordnung können sowohl Prozessparteien als auch nicht prozessbeteiligte Dritte gestützt auf ihre prozessualen Mitwirkungspflichten zur Herausgabe von Urkunden angehalten werden. Nebst der Behandlung von Grundsatzfragen zur Zulässigkeit prozessualer Edition setzt sich der Beitrag vertieft mit den Mitwirkungsverweigerungsrechten, den Sanktionen bei unberechtigter Verweigerung der Edition und der Rechtsmittelordnung auseinander; ebenso werden die Möglichkeiten prozessualer Edition im Rahmen der vorsorglichen Beweisführung untersucht und es soll dargelegt werden, ob damit eine Annäherung an die US-amerikanische pre-trial discovery stattfindet.

Julian Schwaller
Georg Naegeli
Abstract

Gemäss Art. 6 ZPO können die Kantone ein Fachgericht für handelsrechtliche Streitigkeiten bezeichnen. Abs. 3 räumt der Klägerin die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht ein, wenn nur die Beklagte im Handelsregister eingetragen ist, die übrigen Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Handelsgerichtes aber erfüllt sind. Es wird die Auffassung vertreten, dass dieses Wahlrecht nur Einzelunternehmen ohne Registereintrag sowie Personengemeinschaften im Gründungsstadium von Handelsgesellschaften zustehen soll. Die Autoren legen dar, dass diese Auffassung einer Auslegung nach sämtlichen gängigen Kriterien nicht Stand hält.

Manuela Rapold
Reto Ferrari-Visca
Abstract

Auch nach Inkrafttreten der ZPO am 1. Januar 2011 steht es den Kantonen weiterhin frei, Handelsgerichte einzurichten. Die sachliche Zuständigkeit dieser Fachgerichte ist derzeit indessen u.a. betreffend die vorläufige Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten umstritten. Nachfolgend sollen unter Bezugnahme auf die Regelung in der ZPO, der betreffenden kantonalen Gesetzgebungen sowie unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung die Fälle der ausschliesslichen sachlichen Zuständigkeit der Handelsgerichte für die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts aufgezeigt werden.

Aus dem Bundesgericht
Jurius
Abstract

BGer – Wer sich bei einer Lohngleichheitsklage von einem Berufsverband vertreten lässt, muss aufpassen, nicht in die Verjährungsfalle zu tappen. Das hat eine Zürcher Krankenschwester schmerzlich erfahren müssen, die nun auch vor Bundesgericht erfolglos blieb. (BGE 8C_269/2011)

Jurius
Abstract

BGer – Laut Bundesgericht können Stockwerkeigentümer andere Mitglieder nur dann ausschliessen lassen, wenn sie sich selbst korrekt verhalten haben. Dies war vorliegend nicht der Fall. (BGE 5A_534/2011)

Jurius
Abstract

BGer – Der Verdienst von illegal tätigen Prostituierten darf vom Staat nicht als Deliktsgut eingezogen werden. Das Bundesgericht hat die Beschwerde einer ausländischen Frau gutgeheissen und die Aargauer Justiz verpflichtet, ihr 14’000 Franken Freierlohn zurückzugeben. (Urteil 6B_188/2011)

Jurius
Abstract

BGer – Ein Pflegeelternpaar aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass es zwischen zwei Kindern jahrelang zu sexuellen Übergriffen gekommen ist. Das Bundesgericht hat die Beschwerde der Staatsanwaltschaft abgewiesen. (Urteil 6B_356/2011)

Jurius
Abstract

BGer – Die Gemeinde Saanen ist im Streit um die Rückwirkung des befristeten Bauverbots für das Zentrum von Gstaad vor Bundesgericht erfolglos geblieben. Laut Gericht müssen drei 2009 eingereichte Baugesuche noch nach der alten Bauordnung behandelt werden. (Urteil 1C_91/2011)

Jurius
Abstract

BGer – Der Entscheid der Gemeindeversammlung Kirchlindach zur Umzonung des Event- und Kulturlokals «Heubüni Ortschwabe» bleibt gültig. Das Bundesgericht hat die Beschwerde gegen die Abstimmung abgewiesen. (Urteil 1C_254/2011)

Jurius
Abstract

BGer – Das Bundesgericht hat bestätigt, dass die Schweizerische Rettungsflugwacht (Rega) auf Gönnerbeiträge Mehrwertsteuer zahlen muss. Das kostet die Retter aus der Luft pro Jahr rund 5,5 Millionen Franken. Abhilfe schaffen könnte das Parlament. (Urteil 2C_202/2011)

Jurius
Abstract

BGer – Die Norddeutsche Landesbank (NordLB) ist mit ihrer Klage über 92 Millionen Franken gegen die Credit Suisse definitiv gescheitert. Das Bundesgericht hat die Beschwerde der NordLB abgewiesen und den Entscheid des Zürcher Handelsgerichts bestätigt.(Urteil 4A_221/2011)

Jurius
Abstract

BGer – Ein Musiker erhält keinen Schadenersatz für den Hörschaden, den er beim Vorbeifahren an einer lärmigen Baustelle erlitten haben will. Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Mannes abgewiesen. (Urteil 4A_321/2011)

Aus dem Bundesstrafgericht
Jurius
Abstract

BStGer – Das Bundesstrafgericht hat die 61-jährige Zürcher Linksaktivistin Andrea Stauffacher zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 17 Monaten verurteilt. Laut Gericht hat sie sich in zwei Fällen der Gefährdung durch Sprengstoffe schuldig gemacht. (Urteil SK.2011.1)

Medienmitteilungen
Jurius
Abstract

Wer wissen will, ob er fichiert ist, soll künftig in der Regel direkt Auskunft erhalten. Der Nachrichtendienst darf die Auskunft aber aufschieben, wenn ein Interesse an Geheimhaltung besteht. Dies zeichnet sich als Kompromiss zwischen den Räten ab.

Jurius
Abstract

Wer einen anderen Menschen durch Schlagen und Treten schwer verletzt, soll mindestens zwei Jahre ins Gefängnis. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-N) hat mit 13 zu 11 Stimmen einer parlamentarischen Initiative mit dieser Forderung zugestimmt.

Jurius
Abstract

Der Bundesrat hat die Botschaft und den Entwurf zur Totalrevision des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und Innovation (FIFG) verabschiedet und dem Parlament zur Beratung überwiesen. Mit der Totalrevision des FIFG sollen zeitgemässe Anforderungen an die Forschungsförderung des Bundes erfüllt werden. In einem immer stärker international geprägten Umfeld soll dadurch der schweizerische Forschungsplatz sein hohes Qualitätsniveau bewahren.

Jurius
Abstract

Die Bundesverfassung soll mit einem Artikel zur Familienpolitik ergänzt werden. Dabei geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) hat den von ihr erarbeiteten Artikel verabschiedet.

Jurius
Abstract

Konsumenten von Cannabis, die älter als 16 Jahre sind, sollen zukünftig nicht mehr dem Gericht gemeldet werden, sondern mit einer Ordnungsstrafe gebüsst werden. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) hat der Revision des Betäubungsmittelgesetzes zugestimmt. (sk)

Jurius
Abstract

Nachrichtenlose Vermögen auf Konten von Schweizer Finanzinstituten sollen nach 50 Jahren ohne Nachricht liquidiert werden können. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) möchte dies im Gesetz so festlegen. Der Bundesrat möchte die Frist auf Verordnungsstufe regeln.

Jurius
Abstract

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) möchte Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen. Sie hat eine entsprechende parlamentarische Initiative mit 13 zu 12 Stimmen angenommen.

Jurius
Abstract

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) möchte den Tourismus und die Hotellerie mit einer Mehrwertsteuer-Reduktion entlasten. Sie hat die Verwaltung beauftragt, ein dringliches Bundesgesetz auszuarbeiten.

Rechtsprechungsübersicht
Jurius
Abstract

Die Rechtsprechungsübersicht führt die zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteile des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. September 2011 bis und mit 16. Oktober 2011 sowie die Urteile des EGMR mit Beteiligung der Schweiz auf. Neben Dossiernummer, Urteilsdatum, Abteilung/Kammer, Prozessgegenstand und Vorinstanz wird ein Hyperlink zum Originalentscheid und – sofern vorhanden – zur jeweiligen Besprechung in Jusletter wiedergegeben.