Liebe Leserinnen und Leser
Liebe Freunde des Sportrechts
Liebe Freunde des Sportrechts
Zu der Zeit, zu der Jusletter heute online geht, bereiten sich die Fahrer der Tour de France auf die erste Pyrenäen-Etappe von Pau nach Bagneres-de-Luchon vor: 197 km des legendären Gebirgspasses von Aubisque über Tourmalet und Aspin bis Peyresourde müssen erklommen werden. Wenn die leidenschaftlichen Fans des Rennradsportes nicht so viel Enthusiasmus bekunden würden, wäre dieser Sportanlass in der Fülle der Sportveranstaltungen dieses Sommers möglicherweise untergegangen. Die Tour de France hatte begonnen, als das Endspiel der EURO 2012 noch ausgetragen wurde und die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiel rückt immer näher...
Auch für Sportrechtler ist das Jahr 2012 mit der Menge an grossen Sportveranstaltungen bereichernd. Die Aktualität und Komplexität der rechtlichen Fragestellungen rund um den noch jungen Rechtsbereich spiegeln sich in dieser Schwerpunkt-Ausgabe von Jusletter wider.
Der bekannte Fall des FC Sion erinnert an die Möglichkeit staatlicher Gerichte mittels vorsorglicher Massnahmen einzugreifen und – wichtiger noch – an die schwierige rechtliche Beziehung zwischen Sport und Staat. Ein Beitrag geht dieser besonderen Frage nach: Dr. Fabrice Robert-Tissot und ich analysieren die Rechtsgültigkeit des Verzichts auf die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte bei vorsorglichen Massnahmen (Art. R37 CAS Code) im Hinblick auf das Fehlen einer echten Alternative für Sportler oder Vereine.
Die Handlungsspielräume staatlicher Gerichte, Entscheidungen von Sportorganisationen in Frage zu stellen, sind sicherlich problematisch, vor allem im Hinblick auf den Zusammenhalt des Systems und die Gleichbehandlung der Sportler und Vereine. Dies ist jedoch nicht die grösste Bedrohung, die den Sport belastet: In den vergangenen Monaten wurde von zahlreichen Fällen der Spielmanipulation und von Betrugsfällen im Sport berichtet. Sportorganisationen versuchen diesen illegalen – schwer beweisbaren – Praktiken Einhalt zu gebieten. Unabhängig von den Untersuchungsmöglichkeiten der Strafjustiz müssen die Sportorganisationen die Anforderungen an die Beweisführung herabschrauben, was wiederum schwierige rechtliche Fragen aufwirft. Mike Morgan prüft die aktuelle Rechtsprechung zur Bewertung der Beweismittel bei Betrugsfällen im Sport kritisch.
Eine der Hauptursachen für Spielmanipulation ist die Möglichkeit Wetten – insbesondere online – abzugeben. Es wäre aber falsch, Sportwetten insgesamt zu stigmatisieren; richtig reglementiert, können sie ein wichtiges Hilfsmittel zur Entwicklung des Sports darstellen. In ihrem Beitrag «Le financement du sport par les paris sportifs : un essai de typologie» zeigt Dr. Madalina Diaconu die Notwendigkeit der Reglementierung der Sportwetten am Beispiel des durch den französischen Gesetzgeber neu eingeführten Modells auf.
Neben der Verbreitung von Korruption, Spielmanipulation und den neuen Formen des Betrugs wirft auch das Doping einen Schatten auf die Integrität des Sports. Der Kampf gegen Doping ist nach wie vor ein Hauptanliegen der Sportorganisationen. Die letzten Monate waren von einigen interessanten Entwicklungen geprägt: Der Court of Arbitration of Sport (CAS) hat entschieden, dass ein lebenslanger Ausschluss von den Olympischen Spielen für Dopingsünder, wie es das britische Olympische Komitee gefordert hatte, nicht zulässig ist. Es ist aber denkbar, dass Sportorganisationen auf den allgemeinen Wunsch der strengeren Sanktionen in diesem Bereich bei der nächsten Überarbeitung des World Anti Doping Codes (WADC) zurückkommen werden. Oliver Vogel und Daniele Boccucci thematisieren die Problematik im Zusammenhang mit der Verletzung der Meldepflicht durch den Sportler.
Unter dem Titel «Antitrust and Antidoping Do Not Mix» argumentiert Romano Subiotto, dass das Eingreifen der Wettbewerbsbehörden im Sport nicht wünschenswert ist. Der CAS soll das Wettbewerbsrecht sowie die Grundrechte der Athleten, insbesondere die Persönlichkeitsrechte wahren, um ein Eingreifen staatlicher Behörden zu verhindern. Dies ist mithin eine logische Folge der Kommerzialisierung des Sports wie es Dr. Martin Kaiser in seinem Beitrag beschreibt.
Bei der Frage der Abwehransprüche des Sportlers gegen Verbandsverhalten vor dem CAS bedeutet das, wie der Beitrag von Prof. Dr. Ulrich Haas und Judith Köppel zeigt, dass Entscheidungen des CAS ernstgenommen werden müssen.
Die neuesten Affären sollten uns nicht davon abhalten, dem ehrlichen Sport die verdiente Wertschätzung entgegen zu bringen und das Engagement für das Sportrecht zu vertiefen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Sommer und grossartige Olympische Spiele.
Prof. Dr. Antonio Rigozzi |
Universität Neuenburg Redaktion Jusletter |