Liebe Leserinnen und Leser
Kollektiver Rechtsschutz stellt heute längst keine US-amerikanische Ausnahmeerscheinung mehr dar, sondern einen allgemeinen Trend – und vielerorts auch bereits prozessuale Wirklichkeit. Im Anschluss an die «Swissair»-Verantwortlichkeitsprozesse (UBS) sowie die Prozesse gegen Banken (Lehman Brothers) wurden auch in der Schweiz vermehrt Stimmen laut, welche forderten, den kollektiven Rechtsschutz in der Schweiz zu stärken. Lukas Wyss diskutiert die im Bericht des Bundesrates zum kollektiven Rechtsschutz vom 3. Juli 2013 und im Erläuterungsbericht zum FIDLEG/FINIG vom 25. Juni 2014 aufgeführten sowie weitere Optionen kritisch im Lichte ausländischer Erfahrungen mit solchen Instrumenten. De lege ferenda fordert er eine Umsetzung mit Augenmass unter Berücksichtigung der europäischen Entwicklung.
Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 16. Januar 2015 die Prozessvoraussetzungen bei einer negativen Feststellungsklage gelockert, wenn der Schuldner vorgängig betrieben wurde. Daniel Hunkeler und Stefan Wirz analysieren den Entscheid und zeigen auf, dass dieser von erheblicher Praxisrelevanz ist und Auswirkungen weit über das Betreibungsrecht hinaus hat. U.a. fordern die Autoren, dass der Vorentwurf zum neuen Verjährungsrecht teilweise neu überprüft wird.
Nicola Hofer bespricht das Urteil Michel gegen die Schweiz vom 8. Juli 2014 des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Er schliesst daraus, wie wichtig es ist, bereits vor innerstaatlichen Instanzen eine mögliche EMRK-Verletzung geltend zu machen, um das Risiko eines Nichteintretenentscheids durch den EGMR zu minimieren.
Der Bundesrat hat am 11. Februar 2015 den Entwurf zur neuen Ausländergesetzgebung sowie ergänzende Massnahmen zu einer besseren Ausschöpfung des inländischen Potenzials an Arbeitskräften verabschiedet – zudem hat er das Mandat für Verhandlungen mit der EU über das Abkommen zur Personenfreizügigkeit definitiv beschlossen. Christa Tobler beleuchtet die Einführung einer sog. Schutzklausel, welche unter gewissen Umständen die Beschränkung der Personenfreizügigkeit mit der EU erlauben würde und weist darauf hin, dass die Realisierungschancen der verschiedenen Vorschläge v.a. vom politischen Willen der EU abhängt.
Um herauszufinden, wer im Fall Mörgeli geheime Informationen an die Medien weitergeleitet hatte, forderte die Staatsanwaltschaft die Universität Zürich zur Herausgabe von Datenbeständen zum E-Mail- und Telefonverkehr von Angehörigen der Universität Zürich auf. Gunhild Godenzi fragt sich daher: Was darf und was muss der öffentliche Arbeitgeber im Falle einer Strafuntersuchung gegen Mitarbeitende tun? Kritisch ermahnt sie die Anstellunsbehörden zu Umsicht bei der Weiterleitung von Informationen an die Strafbehörden und die Strafbehörden dazu, die gesetzlichen Vorschriften zu präzisieren, auf die sie sich bei Anfragen stützen. Andernfalls seien weder Handlungsoptionen noch Reaktionsmöglichkeiten für die Anstellungsbehörde abschätzbar.
Die Bewegungsfreiheit ist eines der grundlegendsten Menschenrechte, welches – auch wenn nur vorübergehend – einzig mit einer klaren Rechtsgrundlage eingeschränkt werden darf. Lorène Vida greift die verschiedenen Prinzipien, die der anhaltenden Inhaftierung gegen den Willen einer Person gemäss Art. 215 und 217 der Schweizerischen Strafprozessordnung zugrunde liegen, auf und erläutert mögliche Entschädigungsfolgen bei deren Verletzung (siehe auch Marina Fahrni, L’indemnisation dans le contexte des mesures de substitution, in: Jusletter 9. Februar 2015).
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.
Simone Kaiser | Sandrine Lachat Leiterin Jusletter Suisse Romande |