Liebe Leserinnen und Leser
Die Handelbarkeit von Rechtspositionen bildet ein wichtiges Element für eine funktionierende Wirtschaft. Unsere Rechtsordnung stellt deshalb Regeln für die Übertragung von Vermögenswerten zur Verfügung, die durch die praktische Rechtsanwendung weiterentwickelt und konkretisiert werden. Dieser rechtliche Rahmen wird durch veränderte Bedürfnisse und neue Entwicklungen auf den Prüfstand gestellt. So hat der schweizerische Gesetzgeber auf die Entmaterialisierung der Wertpapiere mit der Einführung von Bucheffekten und jüngst von Registerwertrechten reagiert. Es ist offen, ob die legislatorischen Anpassungen für eine verbesserte Handelbarkeit von Rechtspositionen damit bereits abgeschlossen sind. Die Beiträge dieser Schwerpunktausgabe befassen sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit der Frage, welche rechtlichen Herausforderungen bei der Übertragung von Vermögenswerten entstehen können. Besondere Beachtung wird dabei dem Umstand geschenkt, dass die klassische Übertragung von Vermögenswerten (assets) aufgrund der neuen Technologien zunehmend durch fortgesetzte Dienste (services) ergänzt oder sogar abgelöst wird.
Cornelia Stengel und Jessica Kim Sommer befassen sich in ihrem Beitrag mit der Finanzierung von nutzenbasierten Geschäftsmodellen und den damit verbundenen zivilrechtlichen Herausforderungen. Für den Anwendungsfall der Kreislaufwirtschaft zeigen sie auf, dass die Finanzierung von Produkten, die aus kreislauffähigen Materialien hergestellt werden, durch den weiten Geltungsbereich des Faustpfandprinzips erheblich erschwert wird. Sie fordern deshalb die Anpassung von Art. 717 ZGB und regen die Einführung eines Eigentums- und Pfandregisters an.
Martin Eggel und Bernhard Gerstl setzen sich in grundsätzlicher Weise mit der Frage auseinander, ob eine Aufweichung des Faustpfandprinzips durch die Einführung eines elektronischen Fahrnispfandregisters denkbar und sinnvoll sein könnte. Ausgehend vom Faustpfandprinzip und dessen Schwächen stellen sie Vor- und Nachteile einer elektronischen Registerlösung als Alternative dazu dar. Sie kommen zum Ergebnis, dass mit der Digitalisierung des Wertsicherungsrechts im Bereich der Mobilien ein zumindest partielles Abkommen von der Sachherrschaft über körperliche Güter verbunden ist.
Benedikt Maurenbrecher und Stefan Kramer gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, wie die Mobilisierung und Tokenisierung von Schuldbriefen im geltenden und künftigen Recht auszugestalten ist. Nach einem Überblick über die gesetzlichen und vertraglichen Instrumente zur Mobilisierung von Schuldbriefen prüfen sie die Entwicklungsmöglichkeiten des schweizerischen Registerpfandrechts unter Berücksichtigung des heutigen Pfandbriefsystems. Weiter legen sie dar, dass Papier-Schuldbriefe bereits im geltenden Recht als Registerwertrechte ausgestaltet werden können, während die Tokenisierung von Register-Schuldbriefen de lege lata scheitert.
Elisabeth Moskric und Johannes Bürgi zeigen in ihrem Beitrag auf, welche Facetten des Zessionsrechts im Finanzierungsbereich aufgrund bestehender dogmatischer Auseinandersetzungen zu praxisrelevanten Rechtsunsicherheiten führen. Gestützt auf diese Erkenntnisse schlagen sie de lege ferenda vor, dass das Zessionsrecht die Globalzession als einmaliges Verfügungsgeschäft über eine Vielzahl bestimmbarer gegenwärtiger und/oder zukünftiger Forderungen für zulässig erklären soll. Weiter empfehlen sie eine dispositive Regelung des Notifikations- und Einziehungsrechts sowie die Verankerung der Unmittelbarkeitstheorie im Zusammenhang mit Forderungen aus vorbestehenden Dauerschuldverhältnissen.
Mirjam Eggen unternimmt den Versuch, die europäischen Transparenzpflichten zum Greenwashing auf Produkt- und Dienstleistungsebene vorzustellen und in die weitere aufsichtsrechtliche Regulierungslandschaft einzuordnen. Sie stellt dabei einen Bruch mit den herkömmlichen Produkt- und Dienstleistungskategorien fest und regt an, entsprechende Konzepte auch für das schweizerische Recht zu erwägen.
Bern, im September 2021
Prof. Dr. Mirjam Eggen
Juristische Fakultät, Universität Bern