Wirtschaftsrecht ist «sexy»…
Liebe Leserinnen und Leser
Der obige Titel ist – ganz bewusst – etwas provokant und provozierend; irgendwie muss man ja die Leser zum Lesen bringen, und ein «Teaser» (oder wirtschaftsrechtlich: ein «Lockvogel») erscheint dazu nicht unpassend..!
Wirtschaftsrecht mag zwar nicht «sexy» sein, soviel sei eingeräumt, aber es ist ganz bestimmt nicht eintönig oder langweilig, wie dies lange Zeit viele Laien oder selbst Jus-Studenten dachten (und allenfalls weiterhin denken). Wirtschaftsrecht ist spannend und aktuell, was nicht zuletzt die Berichterstattung in den Medien während den letzten Jahren belegt. Und selbst das nicht-juristische «Publikum» interessiert’s:
Denn wer hätte jemals gedacht, dass am Stammtisch nicht allein über die Eishockey-Finals und die Champions League, sondern ebenfalls über Déchargen und Doppelbesteuerungsabkommen diskutiert wird. Die Welt ändert sich, und dies sollte nicht allein Wirtschaftsführern und Behördenvertretern, sondern vermehrt auch Professoren bewusst werden...
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Und nunmehr zum seriösen Teil: Sie haben die Schwerpunkt-Ausgabe von Jusletter vor sich, die dem Wirtschaftsrecht gewidmet ist. Sie beinhaltet eine Vielzahl von wissenschaftlichen Beiträgen, welche in der Folge kurz dargelegt werden.
RA Dr. Jean-Marc Schaller stellt die Frage, ob die Einführung eines erstinstanzlichen Bundeskapitalmarktgerichts in der Schweiz sinnvoll wäre. Speziell aufgrund der Komplexität und Interdiszipliniertheit des schweizerischen Kapitalmarktrechts befürwortet der Autor eine Entscheidbehörde, welche über fundiertes Wissen in den spezifischen Fachgebieten verfügt. Ein sog. erstinstanzliches Bundeskapitalmarktgericht dürfte auch wesentlich zur Verfahrensökonomie beitragen.
Mit dem Thema Staatsfonds beschäftigt sich PD Dr. Myriam Senn, LL.M. Staatsfonds haben insbesondere während der Finanzkrise willkommene Kapitalquellen für Banken in Schwierigkeiten gebildet. Die Autorin, welche einen umfassenden Überblick über die heutige Lage dieser Staatsfonds vermittelt, erwägt nebst der Darlegung von Regulierungsansätzen auf nationaler und internationaler Ebene auch Lösungsvorschläge und zeigt diverse Interessen-Schnittstellen zwischen den Geber- und den Nehmerländern auf.
RA Dr. Daniela Koenig, LL.M., setzt sich mit der geplanten Revision der Börsendelikte und des Marktmissbrauchs auseinander. Dabei werden sowohl die Ausdehnung des Tatbestandes von Insidern wie auch die Überführung dieses Tatbestandes vom Strafgesetzbuch ins Börsengesetz diskutiert. Die Autorin zeigt auf, wie sich durch die geplante Revision die schweizerische Regelung der Marktmissbrauchs-Richtlinie der EU und den rechtlichen Rahmenbedingungen weiterer Finanzzentren annähern würde, was zu einer Stärkung des Anlegervertrauens und zur Verbesserung der Reputation des schweizerischen Finanzplatzes beitragen dürfte. Die Vernehmlassungsfrist läuft Ende April 2010 ab.
In seinem Beitrag setzt sich RA Philipp do Canto mit der Bankensanierung nach Brüsseler Art auseinander. Untersucht werden Aspekte der Behandlung der fortwährenden staatlichen Rettungsmassnahmen nach geltendem Recht. Besonderes Augenmerk verdient dabei, dass sich die Grundlage für die Beurteilung der Rettungsmassnahmen in einer einzelnen Ausnahmebestimmung des europäischen Gemeinschaftsvertrages findet.
Der Beitrag von Pascal Zysset, der eine ausgezeichnete Masterarbeit beim Unterzeichner war, widmet sich dem brisanten Thema der Bonuszahlungen an Verwaltungsräte. Heute in aller Munde und vielerorts mit Unverständnis aufgefasst, zeigt der Autor den heute geltenden rechtlichen Rahmen für die Leistung eben solcher Bonuszahlungen auf und zieht dabei die laufenden Bestrebungen seitens der FINMA und der Gesetzgebung mit ein.
Christophe Scheidegger eröffnet mit seinem Beitrag «Tracking Stocks», der ebenfalls eine hervorragende und originelle Masterarbeit beim Unterzeichner war, einen Einblick in diese in der Schweiz noch unbekannte Beteiligungsform an einer Aktiengesellschaft. Tracking Stocks definieren sich dadurch, dass ihre Vermögensrechte auf einen Unternehmensteil beschränkt sind, während die rechtliche Einheit des emittierenden Unternehmens unberührt bleibt. Der Autor macht sich Gedanken über die Realisierbarkeit von Tracking Stocks-Aktionären in der Schweiz sowie gegebenenfalls über deren Rechtsstellung.
Beim Kurzbeitrag des Unterzeichnenden betreffend «Steuerkriege» gegen die Schweiz handelt es sich in erster Linie um rechtspolitische Ausführungen zu einem äusserst aktuellen Thema – der Beitrag ist (wie das Referat, auf dem er beruht) in Englisch.
Ich bedanke mich herzlich beim Weblaw-Team für seine Unterstützung.
Einen besonderen Dank schulde ich meiner Assistentin, Frau Rechtsanwältin Eva Velina Spicher Laederach, die bei dieser Ausgabe von Jusletter, aber auch bei zahlreichen anderen Aufsätzen und Referaten des Unterzeichners rat- und tatkräftig mitgewirkt hat; zwei Tage nach Publikation dieser Jusletter-Ausgabe verliere ich leider Eva Velina Spicher Laederach, die nach Australien auswandert… alles Gute!
Ihnen allen wünsche ich eine spannende Lektüre dieser Jusletter-Schwerpunkt-Ausgabe.
Herzliche Grüsse
Prof. Dr. Peter V. Kunz